Der Opernball-Sommelier über die Mächtigen
Von Anita Kattinger
Seine Liebe zu Wein entdeckte er sehr spät. Wenn Adi Schmid heute an seine Kindheit im Waldviertel zurückdenkt, dann kommen gemischte Gefühle hoch: "Wir haben den Wein noch in großen Fässern im Keller gelagert. Der Vater spielte bis spät in die Nacht hinein Karten, stets ging gegen Mitternacht der Wein aus. Ich musste in jeder Hand sechs Doppler tragen: Die Keller waren damals stockfinster, die Stiegen waren steil, und ich hatte jede Nacht große Angst."
Am liebsten wäre er Fußballer geworden, aber Ende der 60er schickte ihn der Vater nach Wien: Der eigene Fleischerbetrieb und das Gasthaus hätte nur die Familie eines Sohnes ernähren können, nicht die Sippschaft von drei Söhnen. Also kam der leutseligere Gasthausbua zur Lehre in das Restaurant zum Hochstrahlbrunnen nahe des Schwarzenbergplatzes. Den ersten Kontakt mit den Granden der österreichischen Politik hatte Schmid nach der Lehre, als er einige Monate in der Parlamentskantine arbeitete – viele Politiker sollte er Jahre später wieder treffen und so manche Freundschaft schließen.
Die Krönung seiner Karriere steht dem Vater zweier Töchter am 23. Februar bevor – Opernball-Organisatorin Maria Großbauer ernannte Steirereck-Sommelier Schmid zum allerersten Opernball-Sommelier – solch eine Funktion gab es im Haus am Ring noch nie. Die Schwind-Loggia wird für Wein-Liebhaber die zentrale Anlaufstelle werden. Sieben Top-Weingüter aus der Wachau wählten Großbauer und Schmid aus – Domäne Wachau, Hirtzberger, Jamek, Knoll, F.X. Pichler, Rudi Pichler, Pichler-Krutzler – bzw. einen Rotwein aus dem Burgenland – Feiler-Artinger. Die Reichen und Schönen werden am Wiener Opernball 2017 von Schmid beraten. Großbauer: "Der Opernball ist ein Fest der Sinne. Dazu gehört neben Musik auch gute Kulinarik und Wein."
Bordeaux statt Schilcher
Heute blickt der Sommelier zufrieden auf seine Karriere zurück: Es war das Jahr des Unfalls von Niki Lauda am Nürburgring, als Franz Klammer den Olympiasieg holte, die Reichsbrücke einstürzte – und Adi Schmid die Frau seines Lebens heiratete. Am 11. Oktober 1976 fing er als ganz normaler Kellner im alten Steirereck an, damals ein gutbürgerliches Wirtshaus an der Weißgerberlände, weit entfernt von den bekannten Pariser Sternetempeln dieser Zeit, wo Gänseleber, Trüffel und Täubchen aufgetischt wurden. Ende der 70er kam Heinz Reitbauer Senior von seinen Genuss-Reisen zurück: Plötzlich schwirrten Namen wie Château Haut Brion und Château Cheval Blanc in der Luft – die großen Bordeaux-Weine waren zu jener Zeit durchaus erschwinglich, Schmid verkostete und infizierte sich mit dem Wein-Virus, wie er seinen damaligen Geisteszustand heute beschreibt. "Die Weine und Weingärten Frankreichs" und "Die großen Weine Österreichs" wurden seine Bettlektüre. Er begann zu üben und verkostete blind, seine Ehefrau schenkte aus.
Das laute Jahrzehnt begann in moderaten Maßeinheiten: "Wenn wir Anfang der 80er eine Flasche verkauften, war das eine Sensation: Die Gäste bestellten damals nur Viertel- und Achtel-Gläser. Und sie tranken Hektoliter sauren steirischen Schilcher – wie Wasser tranken sie ihn." Schließlich fanden die ersten Wettbewerbe im Westen Österreichs statt: Schmid belegte beim "Sommelier des Jahres" den 3. Platz, im Jahr darauf den 1. Platz: "Das war der Durchbruch. Der Beruf war etwas Neues, alle Medien sind auf den Zug aufgesprungen und haben berichtet, das haben natürlich die Gäste gelesen."
Mehr als 30 Jahre sind die Anfänge nun schon her – die beiden Weinkeller des Hauben-Restaurants im Stadtpark umfassen zwischen 30.000 und 40.000 Flaschen. Der Traum des Sommeliers: Ein dritter Keller, aber dieser wird sich weder bautechnisch noch in absehbarer Zeit realisieren lassen, denn im Herbst geht der bekannteste Sommelier des Landes nach 41 Jahren in Pension. Vergangenes Jahr wollte er noch nicht: "Eine Tochter heiratet heuer und ich wollte sie nicht als Pensionist zum Altar führen." In seinem Privatkeller bunkert Schmid 14.000 Flaschen – "der Herr schenke mir ein langes Leben". Er wolle es wie Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky halten, mit der Pensionierung sei die Zeit für eine Neuordnung des Weinkellers gekommen: "Ich habe ein Kellerbuch: Ich weiß ganz genau, welche Weine ich besitze, aber die Frage ist, wo sie sind. In meinem Privatkeller ist mir die Logistik entglitten. Aber so bleibt jeder Griff spannend." Zu seinen Lebzeiten will er sich von seinen Tropfen nicht trennen, das darf seine Frau machen, wenn er nicht mehr ist.
Der Gast gehört gefordert
Dass Schmid mit den Mächtigen kann, weiß er nicht erst seit Bruno Kreisky: "Die wirklich Mächtigen sind die Einfachsten. Kreisky hat natürlich gegrantelt, aber wo ist da das Problem?" Helmut Zilk war der einfachste Stammgast seines Lebens: Er wollte immer Grünen Veltliner trinken. Eine Angewohnheit, die er nicht nachvollziehen kann: "Ich möchte nie den gleichen Wein trinken müssen. Den Wein, den ich gestern getrunken habe, möchte ich frühestens in einem Jahr wieder probieren und schauen, wie er sich entwickelt hat." Die liebsten Gäste sind aber seine Fußballer, mit denen über das runde Leder gefachsimpelt wird. Nur mit seinem "Schneckerl-Prohaska" tauscht er sich über gute Tropfen, denn der kennt sich aus.
Angesichts der Preise verstehe er, dass die Jungen keinen Zugang zu Bordeaux und Burgunder haben. Die Gäste gehören gefordert, schließlich machen das die Köche doch auch. Trends wie Natural Wines nimmt er daher sehr ernst: "Ich vergleiche das immer mit der Molekularküche: Gewisse Techniken haben bereits in der normalen Küche Einzug gehalten. So wird das auch beim Wein: Es wird jetzt schon weniger geschwefelt, es wird mehr auf Sauberkeit geachtet, es braucht nicht mehr so viel Technik: Zurück zum Ursprung. Es wird mehr spontan vergoren, weniger auf Hefe. Vielleicht ist es ein Handicap, dass die Weine jetzt eine andere Farbe haben als in den vergangenen Jahren: Man muss viel mehr reden." Nie gab es so gute Weine wie heute, davon ist der Experte überzeugt. "Die Winzer arbeiten viel mehr. Früher war der große Jahrgang ein Zufall. Heute sind Profis am Werk."
Die teuersten Weine, die er trinken durfte, übersteigen die Monatsgehälter eines Kellners bei Weitem: "Ohne Gönner würde das nicht gehen. Zum Beispiel durfte ich einen Château Pétrus 1947 probieren, Pétrus ist ein Mythos: Die ganze Welt will ihn trinken, es gibt aber nur ganz wenige Flaschen. Der Markt macht den Preis. Wie solche teuren Tropfen schmecken? Dass der Wein außergewöhnlich gut ist, schmeckt man. Aber 8000 Euro kann ich nicht schmecken."