Schneckenzüchter: Bald gibt es Schnecken beim Buschenschank
Von Nina Horcher
Andreas Gugumuck muss kurz abbeißen. Es schmatzt am anderen Ende der Leitung, während er dem KURIER ein Telefoninterview gibt. „Der Küchenchef hat mir gerade unseren neuen Schneckenleberkäse gebracht – köstlich“, erklärt der Wiener Schneckenzüchter. Auch sonst ist er guter Dinge, wenn er über die Entwicklung seiner Manufaktur resümiert: „Die Hindernisse sind zwar immer noch da, aber wir haben es geschafft.“
Neben dem jährlichen Schneckenfestival, bei dem über 100 Restaurants österreichweit eine Woche lang ein Schneckengericht servieren, wird am 29. September am Hof der zehnte Jahrestag gefeiert.
Zurück in die Wiener Küche
Gugumuck will Weinbergschnecken seit Jahren als Spezialität zurück in die Wiener Küche bringen. „Das war ein Kampf. Kaum ein Lebensmittel polarisiert mehr“, erinnert sich der Landwirt. 2006 begann er, auf dem Hof seiner Familie im Süden Wiens Schnecken zu züchten. Heute leben dort rund 300.000 Exemplare.
„Es gab keinen Referenzbetrieb, wir sind nach wie vor der einzige Schneckenhof Österreichs.“ Um bekannter zu werden, veranstaltete er vor zehn Jahren das erste Schneckenfestival. Die Gastronomie reagierte anfangs jedoch skeptisch auf Gugumucks Idee. Bis auf wenige Haubenköche trauten sich viele Restaurantbetreiber nicht, Schnecken auf ihre Karte zu setzen.
Dabei galten diese in Wien bis ins 19. Jahrhundert als Delikatesse. „Die Schnecke war eine klassische Fastenspeise“, erzählt Gugumuck, „sie wurde aber auch zum Strecken von teurem Fleisch verwendet“. Neben Schneckengulasch waren gebackene Schnecken im Bierteig typische Wiener Gerichte, die Gugumuck auf seinem Hof nachkocht. Wöchentlich können Besucher dort ein siebengängiges Schneckenmenü vertilgen.
Erdiger Geschmack
„Ich wusste, dass jeder, der es einmal probiert hat, davon begeistert sein wird. Schnecken schmecken eigentlich jedem“, ist der Landwirt überzeugt. „Sie haben einen wunderbar milden, erdig-nussigen Geschmack.“ Vor allem Kinder zeigen sich bei Schulexkursionen auf dem Hof begeistert, „weil sie noch unvoreingenommen sind und sich über die Konsistenz nicht so viele Gedanken machen wie Erwachsene“.
Dabei würde es durchaus Sinn machen, mehr Schneckenfleisch zu essen: In der Produktion ist es nachhaltiger als jede andere Fleischsorte. Für die Schneckenzucht braucht es nur wenig Futter und Anbaufläche, das mache die Kriechtiere zu „ethischen Spitzenreitern“.
Deren Tötung nach ein bis zwei Jahren Aufzucht passiere im Schlaf: „Sie verfallen in eine natürliche Trockenstarre und werden dann in kochendem Wasser abgetötet.“ In Handarbeit wird danach das Fleisch aus dem Schneckenhaus gezogen, der Eingeweidesack entfernt und das Muskelfleisch entschleimt. Nach einem Grundrezept werden sie in einem Sud aus Weißwein, Gemüse, Lorbeeren und Wacholder eingekocht. „Oder wir grillen sie wie die Römer auf glühenden Weinreben“ – das sei die archaischste Art und das Highlight beim Hoffest.
Seinem großen Ziel, solche Speisen wieder zu re-etablieren, ist Wiens Schneckenzüchter 2018 nähergekommen: Seit heuer dürfen die Weichtiere im Buschenschank angeboten werden. „Genau da wollen wir hin“, sagt Gugumuck. Er ist sich sicher: „Die Schnecke erlebt gerade ein großes Revival.“
Tipp: Das 10-Jahres-Fest findet am Samstag den 29. September am Gugumuck-Hof in 1100 Wien statt Infos: www.gugumuck.com