Leben/Essen & Trinken

Revival eines Opernball-Weins

Der urige Name lässt es nicht unbedingt vermuten, aber früher war er ein Aushängeschild – der "Poysdorfer Saurüssel". In den 60er- und 70er-Jahren galt der Grüne Veltliner in der Sieben-Zehntel-Flasche als luxuriöse Alternative zum Alltagswein im Doppler. Sogar auf dem Opernball wurde er kredenzt. Doch Anfang der 90er verschwand er vom Markt. Seit Kurzem erlebt der Saurüssel seine zweite Blüte.

Alle Inhalte anzeigen
Maßgeblich dafür verantwortlich sind eine Handvoll Winzer und der nö. Landesrat Karl Wilfing (VP). Als er noch Bürgermeister von Poysdorf war, ließ er den Wein, der nach der Poysdorfer Riede "Saurüsseln" benannt ist, markenrechtlich schützen – und leitete so dessen Wiedergeburt ein. Mittlerweile hat es der leichte Grüne nicht nur in den "Salon Österreich Wein" (die Staatsmeisterschaft heimischer Winzer; Anm.) geschafft, sondern fasst auch in der Wiener Gastronomie Fuß – und wird sogar in die USA verkauft.

"Früher war der Poysdorfer Saurüssel eine bekannte Marke und dank des speziellen Flaschendesigns auf den ersten Blick erkennbar", erzählt Wilfing. "Abgefüllt wurde er vom Winzerverband NÖ. So gut wie jeder Poysdorfer Winzer lieferte an die Genossenschaft."

Doch nach dem Weinskandal 1985 ging der Winzerverband in Konkurs und ein großer heimischer Weinproduzent kaufte die Markenrechte. Nach und nach verschwand der Poysdorfer Saurüssel von der Bildfläche. Erst 2010 war die Marke lang genug nicht auf dem Markt gewesen, um erneut geschützt werden zu können. Wilfing ging also zum Patentamt, zahlte 240 Euro und kam mit dem stadteigenen Saurüssel wieder heraus.

Schwieriges Produkt

Alle Inhalte anzeigen
Stilistisch kommt der Säure-betonte Veltliner „Naturwein-Liebhabern“ entgegen, wie es Sommelier Walter Kutscher ausdrückt. "Wer ungeschminkte Sommerweine mag, ist da richtig."

Das ist ganz im Sinne der Winzer. "Wir wollten einen leichten, trockenen Grünen Veltliner mit maximal 11,5 Prozent Alkohol und höchstes vier Gramm Restzucker", erläutert Winzerin Susanne Riegelhofer. "Er muss frisch, fruchtig und unkompliziert sein und die Säure muss gut eingebunden sein."

Dass bei Prämierungen eher massive Weine zum Zug kommen, lindert die Begeisterung der Produzenten nicht. "Das Schwierige liegt darin, im leichten Segment etwas Hochwertiges zu produzieren", sagt Weinbauer Martin Hugl. "Es erfordert viel Gespür, Reife und Fruchtigkeit abzuwägen."

Drei Jahre nach der Wiedergeburt vinifizieren 15 örtliche Weingüter den Poysdorfer Saurüssel, rund 80.000 Flaschen werden pro Jahr gefüllt. Zu erkennen sind sie am witzigen Design: ein schwarzer Saurüssel, der ein bisschen wie eine Steckdose aussieht, ziert unabhängig vom Hersteller das Etikett.

Verkauft wird der Wein ab Hof (ab 5,50 Euro), im Fachhandel sowie in der Gastronomie. In Wien steht er im Café Weinwurm am Stephansplatz, im "Gschamster Diener" in Mariahilf, im Café Ritter in Ottakring sowie in vielen anderen Lokalen auf der Weinkarte.

Zum Dank für die Rettung verliehen die Winzer Karl Wilfing übrigens einen vergoldeten Faschings-Saurüssel.

Weinetiketten zum Verlieben

Alle Inhalte anzeigen