Hier wird gespuckt, nicht geschluckt
Von Anita Kattinger
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"Hmmm, schmeckt lecker." Das Pärchen aus dem mittelgroßen Städtchen Bautzen in Ostsachsen bekommt beim Stand von Szene-Winzer Leo Hillinger große Augen. "In unserer Vinothek verkaufen wir nur südafrikanischen und italienischen Wein. Nun wollen wir auch einen Österreicher", erklärt der bärtige Deutsche mit Brille. Während er spricht, spuckt er den Wein ungeniert wieder aus. In einen großen Spucknapf, ein Tropfen bleibt am Mundwinkel hängen. Geschluckt wird in den furchteinflößend riesigen Hallen der Düsseldorfer Messe wenig, es wird gespuckt – ein Zeichen für Connaisseure.
Trotz anfänglicher Unkenrufe hat sich das Weinjahr 2013 für die Winzer von seiner prachtvollen Seite präsentiert. Explosive Veltliner, rassige Rieslinge lautet der Verkäufer-Sprech. Birgit Braunstein zuckt mit den Achseln, ihr biodynamischer Wein braucht Zeit, sie hat gerade ihre 2012er Jahrgänge abgefüllt. Vor ihr stehen ein Schälchen Kalkstein und ein Schälchen Schieferstein, damit das Fachpublikum eine anschauliche Präsentation von "Terroir" bekommt. Vier junge Sommeliers machen sich vor ihr breit und drucksen herum. Acht Stunden haben sie mit dem Auto von Tirol nach Düsseldorf gebraucht. Die zwei Burschen haben sichtlich mehr geschluckt als gespuckt, sie zeigen auf die Weinflaschen: "Welcher ist denn aus den Amphoren?" In ihrem Kräutergarten lässt Braunstein eine kleine Menge an Weintrauben ganz gemütlich, ganz natürlich in so genannten Amphoren vor sich hin gären. Erst nach fünf Monaten öffnet sie die Tonkrüge: Meist sind es Bio-Winzer wie Braunstein, die "authentischen" Wein machen wollen. Möglichst wenig eingreifen, lautet die Devise, die Natur kann besser vinifzieren als der Mensch. Braunstein gießt den Sommeliers ein und flüstert leise: "Nur die Freaks verlangen nach diesem Wein."
Seit 20 Jahren zählt die " ProWein" in Düsseldorf zu den wichtigsten Weinmessen in Europa. 4500 internationale Spirituosenerzeuger, davon 350 österreichische Winzer, präsentieren drei Tage lang, was in ihren Eichenfässern und Stahltanks so gärt. Die Außenwirtschaft Austria sorgte für den reibungslosen Ablauf der österreichischen Gruppenausstellung vor Ort. Ist doch Deutschland das wichtigste Exportziel für österreichischen Wein. Die Deutschen tranken vergangenes Jahr österreichischen Rebensaft im Wert von 76,7 Millionen Euro. Weltweit verkauften die heimischen Winzer Wein im Wert von 137,5 Millionen Euro.
Terroir, Vegan und Bio
Ein Mann platzte vor Stolz in Düsseldorf: Willi Klinger, Chef der Österreich Wein Marketing. Im Interview mit dem KURIER nennt er Bio und Terroir als die beherrschenden Themen in der Zunft. "Die Frage der Nachhaltigkeit ist die Gretchenfrage: Wie hast du es mit der Natur? Diese Frage muss jedes Weingut beantworten können. Lange ist es her, dass es hieß, Bio-Wein sei untrinkbar. Auch bei Orange Wines, also vollkommen, naturbelassene Weine, ist einiges im Umbruch." Codewort Terroir: Zu inflationär werde dieser Begriff verwendet, dennoch habe er seine Berechtigung: "Die höherwertigen Weine, die keine Mainstream-Preise erzielen, verorten sich im Denken, im Gefühl und im Geschmack. Diese Herkunft, im engsten Sinn ein Weinberg, macht den Wein unaustauschbar im Geschmack. Und nun suchen wir Argumente, warum dieser Wein so besonders ist. Und dazu gehört eben nicht nur der Boden und das Klima, sondern auch das Handwerk und der Mensch. Terroir versucht das alles zusammenzufassen."
Einen Trend lässt Willi Klinger aus. Birgit Braunstein: "Ich habe jedes Monat mehrere Anfragen zu veganem Wein." Speisegelatine, Fischblasen oder Eiweiß dienen in der herkömmlichen Weinverarbeitung zur Klärung der Weine. Da nun aber die Gruppe der Veganer wächst, greifen immer mehr Winzer auf andere Hilfsmittel nicht-tierischen Ursprungs zurück. Braunstein verzichtet vollkommen darauf: "Wenn der Boden in Balance ist und man darauf achtet, dass die Ernte rasch und sauber erfolgt, braucht es keine Schönung der Weine", erklärt die Histaminallergikerin. Ohne Medikamente quasi berufsunfähig. Aber histaminfreien Wein mache sie nicht, das ist eine andere Geschichte.
In den Hallen der deutschen, spanischen und französischen Ausstellern springen gleich mehrere Trends ins Auge: Holunder-Mischungen, Seccos (ein Stillwein mit Kohlensäure versetzt, im Gegensatz dazu ist Prosecco eine Herkunftsbezeichnung) und Nischenprodukte wie Wein in Plastikbeuteln oder Plastikflaschen. Auf norwegischen Konzerten angeblich ein Hit – behauptet der norwegische Vertreter. Richtige Menschenschlangen bilden sich beim Stand "Garden Drinks": Cocktails aus Roter Rübe, Cachaça, weißer Schokolade und Orangenzeste.
Bei Leo Hillinger verkosten die fröhlichen Ostsachsen zum Abschluss noch den Secco. Von der Pink Ribbon-Schleife am Etikett zeigen sie sich angetan: Ein Teil des Verkauferlös geht an die österreichische Krebshilfe, weil ein Mitarbeiter an Krebs verstarb. Die Dame antwortet zustimmend: "Solche Geschichten über den Wein verkaufen sich bei uns gut." Das deutsche Paar macht sich zum Gehen bereit. Ob sie den Namen Hillinger denn vorher kannten? "Nee, gar nicht. Das Plakat hat so ansprechend ausgesehen."