Leo Hillinger über Schulden, Weinbars und Terroir
Von Anita Kattinger
Als er mit 21 Jahren den Weinhandel seines Vaters übernimmt, startet er mit 400.000 Euro Schulden. Nach und nach kauft der burgenländische Winzer Leo Hillinger Weingärten hinzu und beginnt zu vinifizieren. Heute füllt er rund 500.000 Flaschen im Jahr ab und hat einen Umsatz zwischen 15 und 16 Millionen Euro. Diesen Samstag eröffnet in der Wollzeile sein Wiener Flagship Store.
KURIER: Stört Sie die Bezeichnung Promi-Winzer?
Leo Hillinger: Das stört mich extrem. Sie können mich Würstel nennen, aber ja nicht Promi-Winzer. Ich bin Winzer aus Leidenschaft, die Arbeit ist mein Herzblut.
Der 'Titel' kommt ja daher, dass man Sie sehr oft auf Events antrifft und im Fernsehen sieht...
Hillinger: Es ist irgendwie passiert. Ich hatte anfangs überhaupt kein Marketinginstrument, kein Budget. Ich musste mit meiner Person Marketing machen. Natürlich kann das Auftreten inflationär wirken – darum suche ich mir gezielt Veranstaltungen aus. Der Kurt Mann macht das genauso wie ich: Kurz bei Events vorbeischauen, Gesichtswäsche, ein paar Fotos, 'auf die Toilette gehen' und unbemerkt verschwinden. Mein Tag beginnt um 4.30 Uhr während der Erntezeit kann ich nicht Party machen. Ich muss ausgeschlafen sein. Zudem fahre ich mit dem Auto und könnte auch gar nicht viel trinken.
Wie viele Weinflaschen trinken Sie in der Woche?
Hillinger: Das kommt darauf an, diese Woche trinke ich beispielsweise gar nichts. Ich koste während der Weinernte immer in der Früh und am Abend meinen Wein, aber ich spucke ihn immer aus. Wenn man jeden Tag Alkohol trinkt, kriegt man einen Vogel.
Hillinger: Während der Weinernte sage ich alle Events ab. Solch eine Doppelbelastung würde nicht funktionieren. Ich mache außerdem sehr viel Sport.
Haben Sie die Speisen für die Wein-Bar ausgesucht?
Hillinger: Ja, aber auch schon für die anderen Shops. Zum Beispiel ist der Feuerfleck eines meiner Lieblingsgerichte. Dabei handelt es sich um einen ganz dünnen Teig mit einem würzigen Rahm und Belag, auch mit Chili. Ich liebe es nämlich scharf.
Chilis verkaufen Sie noch keine?
Hillinger: Ich baue sie nur für meinen eigenen Bedarf an.
Hillinger:Wegen des Wetters hatten wir schlechte Voraussetzungen. In guten Jahren kann jeder einen guten Wein machen. In schlechten Jahren können nur die besten Winzer einen guten Wein machen. Ich hab' schon ein bisschen was gekostet und bin optimistisch. Es ist ein grenzgeniales Jahr, obwohl eines der schwierigsten, seitdem ich begonnen hab: Die Beeren sind klein, deswegen sind sie im Geschmack sehr intensiv, aber wir arbeiten biologisch und können nicht stark eingreifen. Das Problem ist heuer die Fäulnis durch den vielen Regen. Wir müssen im Keller und im Weingarten doppelt ausselektieren. Leider mussten wir bis zu 50 Prozent aussortieren.
Ich hab gelesen, dass Sie sogar mit dem Golfspielen begonnen haben, um Kontakte zu knüpfen. Stimmt das?
Hillinger: Ich habe sogar damals für die Golf-Mitgliedschaft in Donnerskirchen einen Kredit aufgenommen. Ich bin mit den Amateuren, mit den ProAms, mitgereist und habe meine Weine präsentiert.1997 hab' ich mit dem Golfspielen wieder aufgehört. Neben einem so großen Unternehmen hätte ich das zeitlich nicht mehr geschafft.
Als Sie 1990 begonnen haben, hatten Sie umgerechnet 400.000 Euro Schulden. Waren die Banken früher gnädiger als heute?
Hillinger: Heute wäre das unmöglich, kein Risk-Manager würde das zulassen. Nie im Leben.
Und würden Sie sich das heute noch einmal antun?
Hillinger: Ich würde die Schulden nicht mehr übernehmen.
Hillinger: Wir wollen den Kontakt zum Endverbraucher haben. Der Gast kann bei uns alle Weine in einer super Atmosphäre zum Ab-Hof-Preis konsumieren. Das ist Selbstmarketing: Wir wissen sofort, was der Kunde trinken will und wie der Wein ankommt.
Leuchtet als Marketinginstrument ein, dennoch gibt es keinen anderen Winzer, der sich das antut.
Hillinger: Weltweit gibt es tatsächlich keinen Winzer, der eigene Weinshops und eigene Bars hat. Es tut sich wirklich keiner an: Lokal finden, Ablöse zahlen, Mitarbeiter suchen...
Hillinger: Unique. Eine Hillinger Weinbar ist mit keiner anderen vergleichbar. Ab-Hof-Preis plus zehn Euro ist einfach grenzgenial. Wir sind die Bar für jeden: Jeder kann sich den Wein leisten. Wir denken an, dass wir auch Pasta anbieten werden. Im Prinzip wird es aber jene Snacks wie den Feuerfleck geben, den wir auch in Kitzbühel oder Wien-Mitte anbieten. Wir wollen aber keine Konkurrenz zu den ansässigen Gastronomen sein.
Hillinger: Wir müssen ja keine Wein-Bars aufmachen. Wir verdienen mit ihnen auch Geld, es ist keine reine Marketing-Geschichte. Durch diese Shops lernen wir viel, können viel ausprobieren und bekommen Werbung. Ich möchte keinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen, ich bin kein Zocker.
Wie offen stehen Sie den aktuellen Wein-Trends gegenüber: Wein-Cocktails, alte Rebsorten, Orange Wines. Haben Sie Lust, ein neues Feld zu beackern?
Hillinger: Für mich ist die Tradition wichtig – Orange (Anm: vollkommen, naturbelassene Weine) ist kein Thema. Wir haben alte Rebsorten und wer weiß... Man muss aber nicht zwingend etwas Neues machen, nur damit man etwas Neues hat.
Hillinger: Terroir wird von den meisten belächelt. Terroir ist die Seele des Weines: Boden, Klima, Standort. Es ist schön, wenn man die Seele des Weines ergründen kann, meiner Meinung nach ist das notwendig. Manche deuten Terroir mit Säure und Tannin, das ist ein Schwachsinn. Ich bin ein Verfechter von reifen Produkten, ich trinke gerne reife Produkte. Wir haben einenBlaufränkisch Terroir 11zum Beispiel, der einfach richtig gut ist. Mein Lieblingswein.
Aber dass man aus einem Glas herausschmecken kann, ob die Reben auf einem lehmigen Boden...
Hillinger: Was soll ich Ihnen sagen? Ich mache immer wieder mit den sogenannten Top-Sommeliers Verkostungen. Wenn einer den Boden herausschmecken kann, fresse ich 150 Besen.
Können Sie einen Roten von einem Weißen mit geschlossenen Augen auseinander halten?
Hillinger: Ich muss nur daran riechen.