Die Besonderheiten sind der wahre Schatz
Von Dorothe Rainer
15 Frauen und zwei Männer sitzen im ehemaligen, mittlerweile umgebauten Heustadl von Kaiserin Sisi in der Kammermeierei Schönbrunn und warten auf Wolfgang Palme von der City Farm Schönbrunn. Die nächsten 2,5 Stunden werden wir mehr über "4-Season-Gardening" erfahren, also darüber, wie man seinen Hausgarten ganzjährig erfolgreich bewirtschaften kann. Der Trend kommt eigentlich aus Amerika, wo er vom Bio-Pionier Eliot Coleman ("Handbuch Wintergärtnerei") populär gemacht wurde, denn es ist nicht automatisch der Sommer die ideale Gemüsezeit – "der Winter wird einfach nur viel zu wenig genutzt", so Palme.
Und der Gartenexperte weiß, wovon er spricht, denn zu diesem Thema laufen in der HBLFA Schönbrunn seit Jahren Versuche, gewisse Gemüsesorten auch im Winter zu kultivieren, ohne den Einsatz von Glashäusern und künstlicher Beheizung. Besonders erfolgreich ist man mit den Asiasalaten. "Die halten bis zu minus 15 Grad problemlos aus, aufpassen muss man nur, dass es die Pflanzen nicht zu feucht haben."
Unsere bunte Truppe, die Hälfte unter 30, die andere Hälfte um die 50 Jahre, schreibt eifrig mit, wenn Wolfgang Palme einen Überblick über heimische Gemüsesorten liefert und dazwischen immer wieder wertvolle Tipps gibt und Fragen beantwortet. Eine Teilnehmerin etwa will wissen, warum ihre Radieschen in diesem Sommer so gar nichts geworden sind. Man lernt: Radieschen soll man nicht in der heißen Jahreszeit säen, sondern eher im Herbst, da sie Hitze nicht gut vertragen.
Der Theorieteil endet mit einem Zitat von dem Bio-Pionier und Visionär Buckminster Fuller: "Kämpfe nicht gegen die Naturgewalten, nutze sie." Dementsprechend motiviert machen wir uns auf, um an diesem Spätsommerabend die Früchte des hauseigenen Gemüsegartens zu entdecken und zu verkosten.
Das Besondere kultivieren
Der City-Farm-Garten ist ein Refugium für Raritäten, die in unserem Klima super gedeihen, aber trotzdem in keinem Supermarkt zu bekommen sind: Schnittknoblauch (sieht aus wie hoher Schnittlauch, schmeckt wie eine Kreuzung aus Knoblauch und Zwiebel), die russische Gurke (erinnert in Konsistenz und Geschmack an eingelegte Senfgurken) oder die Cherrygurken, klein wie eine Olive, aber vom Geschmack her ganz groß, Portulak, der ewige Kohl (eine mehrjährige Pflanze), Zwergtamarillo ... Auch wenn die Köstlichkeiten nicht im Handel sind, im eigenen Garten kann man sie anbauen und das sollte man auch, denn " Besonderheiten sind der wahre Schatz des Hausgartens", so Palme. Lorenz ist genau deshalb hier. Der 46-jährige EDV-Experte, ist schon seit 15 Jahren Urban Gardener. Heuer möchte er sich erstmals in der Königsdisziplin, dem Wintergärtnern, versuchen. "Hier bekomme ich viele Tipps, kompetente Antworten und noch dazu tolle Samenraritäten". Wie Lorenz haben fast alle Workshop-Teilnehmer Erfahrung im Selbstanbau. Hermine ist extra aus der Steiermark angereist, um sich von den Experten der City Farm Tipps und Samen zu holen – sie gärtnert seit vielen Jahren aus Überzeugung: "Da weiß ich genau, was ich esse und alles ist garantiert bio", erklärt die 54-jährige Lehrerin und sie ist hochmotiviert, auch in der kalten Zeit grün zu ernten.
Grundsätzlich gehört es zur Philosophie der Urban Gardener, dass man Bio anbaut, also auf Spritzmittel und Kunstdünger verzichtet. Für das Wintergärtern heißt das, auch auf Glashäuser und Heizung zu verzichten. "In der Regel genügt eine Plastikhaube mit Lüftungsschlitzen oder ein Frühbeetkasten, wie es ihn in jedem Gartenmarkt zu kaufen gibt", so Palme.
Gemüse, das unter kühlen Bedingungen angebaut wird, ist gehaltvoller als im Glashaus gezogenes, es hat einen höheren Gehalt an Antioxidantien. Frostsichere Gemüsesorten sind u. a. Rucola, Mangold, schwarzer Rettich und Lauch. Auch die Russische Gurke kann man bis in den Spätherbst ernten – und nicht zu vergessen die Asia-Salate. Ihr Anbau ist auch ohne Vorkenntnisse auf dem Balkon oder Fensterbrett möglich. www.cityfarm.at