"Champagner muss man riechen können"
Von Anita Kattinger
Er philosophiert über den Klang eines Glases, wäscht es aber trotzdem im Geschirrspüler. Maximilian Riedel im KURIER- Interview.
KURIER: Haben Sie schon einmal aus einem Plastikbecher getrunken?
Maximilian Riedel: Ja, denn bei Verkostungen schenken wir immer wieder Wein in Plastikbechern ein, damit man den Unterschied schmeckt. Außerdem bin ich ein Sport-Fan und trinke im Stadion auch aus Plastikbechern. Aber ich tue es nicht gerne.
Stimmt es, dass Sie mit der Hand abwaschen?
Nein, nie. Ich wasche alle Gläser im Geschirrspüler. Das empfehle ich jedem, der Angst vor Glasbruch hat. Die am häufigsten gestellte Frage ist natürlich: Wie wasche ich meine Riedel-Gläser, damit sie lange erhalten bleiben? Die kühne Antwort: nur im Geschirrspüler. Die Kunst ist, Gläser mit Töpfen und Pfannen nicht zu mischen, weil der Wasserdruck ein Eigenleben im Geschirrspüler führt und dadurch der Topf auf das schöne Glas fallen könnte.
Bei uns gibt es keine Sollbruchstelle wie bei anderen Glas-Herstellern, die oft aufgrund der Verwendung eine brauchen. Bei einem Bierkrug auf dem Oktoberfest bricht das Glas genau beim Henkel, damit man niemanden ,schlachten‘ kann. Unsere Gläser sind TÜV-geprüft und sollten 1500 Spülgänge, also rund 20 Jahre, halten. (Riedel beobachtet aufmerksam das Einschenken von Tee) Ein Teeglas fehlt mir noch in der Kollektion. Das könnte ein Riesen-Business sein und wir sind von einer englischen Firma beauftragt worden, zu diesem Thema zu experimentieren. Bei unserer Nespresso-Kollektion haben die Gläser einen Stiel, damit man das Glas nicht anfassen muss. Tee funktioniert natürlich anders, weil das Wasser aufgekocht werden muss.
Sie designen gerne: Würden Sie sich des Teeglases annehmen?
Man lebt ja sein Leben, ich diniere gerne: Die Ideen entstehen bei Gesprächen. In letzter Zeit passiert es aber häufiger, dass Firmen an uns mit Anfragen herantreten. Es gibt auch den Wunsch nach einem neuen Wasserglas, mehr darf ich aber nicht verraten. Viele dieser Pläne verlaufen im Sand.
Nein, die kreativen Ideen sprudeln ja weiter. Meine stiellose Serie O hab ich nach einem Gespräch mit dem Barkeeper Albert Trummer, der in China Town die "Apotheke" betrieb, entwickelt. Sein Problem war, dass er sie nicht für Cocktails verwenden konnte. Mein Plan: Ein Glas kreieren, das beim Stampfen von Kräutern nicht zerbricht.
Wie viele Gläser braucht ein Durchschnittshaushalt?
Ich habe Gläser aus zwei Kollektionen, aber nicht vollständig. Wenn Gäste kommen, dann verwende ich unsere handgemachten Gläser der Serie Sommelier: Pinot Noir, Grüner Veltliner, Cabernet und Chardonnay. Jeder muss sich die Frage stellen: Was trinke ich am meisten?
Jede Stilistik braucht ihr eigenes Glas. Aber warum so streng?
Das Glas ist nach der DNA der Traube entworfen: Säure, Frucht, Tannine – die Kunst des Glases ist, hier eine Balance zu finden. Bei einem Pinot Noir sollte das Glas die Säure nicht zu sehr betonen, sondern die Frucht. Jeder Weinliebhaber braucht das richtige Werkzeug.
Wir waren die Ersten, die ein Weißweinglas empfohlen haben: Champagner muss man riechen können. Wenn ein Experte die Schale anpreist, würde ich ihm sofort den Rang des Experten aberkennen. Der Geschmack geht verloren, weil die Schale zu weit geöffnet ist. Weiterer Nachteil: Wenn auf einer Party angestoßen wird, dann landet der Champagner im Dekolleté und nicht im Mund. Wir haben ein Champagner-Weinglas entwickelt, das wirklich den Charakter einfängt. Das Pinot-Noir-Glas empfehle ich für Blancs de Noir. Für Rosé-, Cuvée- und Blancs-de-Blancs-Champagner würde ich unser neues Veritas-Champagnerglas empfehlen. Wenn davon nichts zur Verfügung steht, dann ein Riesling-Glas.
Ihre ablehnende Haltung der Schale gegenüber kommt auch dem Klang zugute…
Der Klang hängt davon ab, wie man das Glas hält. Das war eine der größten Challenges für mich in den USA, weil dort niemand das Glas am Stiel hält. Deswegen weiß ich nicht, wie wichtig der Klang überhaupt noch ist.
Ja, daher müssen wir unsere eigenen Glasmacher aus- und weiterbilden. Ich bin ein Riesen-Fan der EU: Nur dank der Erweiterung konnten wir die Besten aus der Slowakei und aus Tschechien holen. Ein faszinierender Beruf, der vor dem Aussterben steht, weil die Arbeitsbedingungen wie die Hitze nicht mehr modern sind. Glasmacher brauchen Gespür und Talent. Man fängt klein an und arbeitet sich von der sogenannten Bühne auf den Sessel des Meisters. Es kann sein, dass man es nie schafft. In Kufstein haben wir ungefähr 150 Glasmacher, wir sind die letzten im Herzen Europas. Davon leben könnten wir nicht, wir haben deswegen in Bayern die industrielle Fertigung, wo wir 60 Millionen Gläser im Jahr produzieren. Weltweit gesehen setzt das Glasmacher-Geschäft Milliarden um. Als europäisches Unternehmen leiden wir unter den Löhnen der anderen.
Kommt das bleifreie Glas im Jahr 2015?
Es ist ein weltweites Thema, das in Kalifornien seinen Anfang genommen hat, weil dort Hersteller kommunizieren müssen, wenn ein Produkt Blei beinhaltet. Obwohl es ein natürliches Produkt ist, wollen auch wir uns von Blei distanzieren. Letztlich ist es dem Kunden egal, ob "Bleikristall" auf der Verpackung steht. Wir müssen viel Geld in neue Wannen investieren, nächstes Jahr haben wir die Umstellung.