Kochbücher gestern und heute
Von Ingrid Teufl
„Wer ein gut mus will haben das mach von sibennler sachn du must haben milich, salcz und schmalcz, zugker, ayer und mel saffran dar zue. So wird es gell.“
maister hanns, Koch um 1460
Wenn Ihnen obiger Text irgendwie bekannt vorkommt, liegen Sie nicht falsch. Es handelt sich um die erste verbriefte Erwähnung des Kinderreims „Backe backe Kuchen“: Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen. Der Autor, der als „maister hanns“ beim Grafen von Würthemberg als Koch werkte, schrieb das Rezept im Jahr 1460 in einer Rezeptsammlung nieder.
Heute gelten seine handschriftlichen Aufzeichnungen als eine bedeutende Quelle für Historiker und Germanisten über das Alltagsleben im Mittelalter. Aus dem „dunklen Zeitalter“ sind überlieferte Schriften schließlich nicht so häufig wie aus späteren Jahrhunderten, als der Buchdruck auch die Verbreitung von Rezeptsammlungen förderte.
Aus der Zeit bis 1500 sind rund 90 handschriftliche Kochbücher in Archiven erhalten geblieben. „Es sind Texte, die uns zu alten Traditionen zurückführen“, sagt Karin Kranich, Germanistin an der Universität Graz, die sich mit der Disziplin Kochbuchforschung beschäftigt. „In den Handschriften ist vieles begraben, das auch für die Gegenwart interessant ist.“ Ihr Kollege Helmut W. Klug ergänzt: „Solche Dokumente sind immer eine Brücke, um etwas über die jeweilige Zeit zu erfahren.“
Gesundheit erhalten
Kochbücher waren – und sind – immer Teil der Alltagskultur. In der mittelalterlichen Kochbuchforschung fällt vor allem der ganzheitliche Ansatz auf, der viel mehr als eine bloße Auflistung von Zutaten und Zubereitungsarten darstellt. Germanistin Melitta Adamson von der kanadischen Universität Ontario: „Wie man seine Gesundheit durch die Ernährung erhalten kann, sind große Themen.“ Wichtig sei etwa die Balance zwischen kühlenden und wärmenden Zutaten.
Die Menschen des Mittelalters zeigten sozusagen eine geschmackliche Tendenz in Richtung „saure Weihnachten“, sagt Helmut W. Klug: „Zimt, Nelken und Ingwer waren Standardgewürze der Oberschicht und wurden dementsprechend üppig verwendet.“ Ebenso gern am Tisch: Essig oder Traubensaft (Verjus). Ein beliebtes Gericht dieser Zeit war etwa Lebermus in Essig.
Unterschichten
Und wie steht es mit der Küche der meist analphabetischen Unterschichten? Auch da lassen sich für die Forscher anhand der Rezeptsammlungen Rückschlüsse ziehen. Thomas Gloning von der deutschen Universität Gießen betont etwa eine strenge hierarchische Trennung. „Früchte, die unter der Erde wachsen, galten als bäuerlich. Aber auch die Zwiebel, die ja im Boden wächst. Je höher die Frucht allerdings über der Erde gedeiht, desto höheren Ständen war sie vorbehalten.“ Nur der Knoblauch scheint eine Sonderstellung gehabt zu haben. Der galt nämlich sowohl in den Ober- als auch den Unterschichten als Allheilmittel.kurier.at/genussWas der moderne Kochbuchmarkt alles bietet