Grüner Trend: Die neue Lust auf Salat
Von Julia Pfligl
Alle paar Minuten wird im Restaurant Le Bol in der Wiener Innenstadt ein „Monsieur Seguin“ aus der Küche getragen. Nein, das ist kein Kellner – sondern ein Salat, gratinierter Ziegenkäse, Feigen, Birnen- und Kiwischeiben, Paradeiser und Weintrauben, zum Drüberstreuen Rosinen und ein Dressing aus Senf. Ganze Blogbeiträge wurden dem bunten Teller bereits gewidmet, auf Instagram finden sich unter #monsieurseguin Hunderte Postings.
„Als wir 2003 geöffnet haben, hat niemand gratinierten Ziegenkäse auf Salat gegessen. Wir konnten nicht ahnen, dass das so ein Verkaufshit wird“, erzählt Omar Shoukry, Inhaber des Le Bol. An einem Samstag werden im Schnitt 100 Salate bestellt. Das Geheimnis? „Ein Salat ist nur so gut wie sein Dressing. Ich weiß gar nicht, wie oft wir schon um das Rezept gefragt wurden – aber das bleibt geheim“, schmunzelt Shoukry.
Ein Salat als Star eines Restaurants, das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. „Der Salat hat auf den Tellern die Hauptrolle übernommen“, bestätigt Rohkost-Expertin Michaela Russmann, die in Wien ein Bio-Bistro führt (www.rohgenuss.at). Vorbei die Zeiten, in denen er lediglich als Beiwerk zu Schnitzel und Braten gereicht wurde oder ausschließlich in Form von „Putenstreifen auf Blattsalat“ in Erscheinung trat. Die Kreativität kennt keine Grenzen: Zum grünen Blatt gesellt sich alles von der gegrillten Avocado bis zur Beere, von Röstzwiebeln bis zu Cashewkernen.
Omas Standardmarinade – ein Mix aus billigem Tafelessig, Öl, Zucker und Salz – ist ebenfalls passé. In die Salatsauce kommt, was gefällt, sagt Russmann: „Möchte man etwas Schärferes mit Chili? Asiatisch mit Sojasauce? Oder doch lieber das klassische Hausdressing? Da hat man freie Wahl.“
„Die volle Power“
Die neue Lust an der Vielfalt bringt auch gesundheitliche Vorteile, betont Russmann. „Spannend ist ja, dass die Salate mittlerweile alles abdecken. Es kommen Nüsse dazu, Obst und Eiweiß in Form von Hülsenfrüchten, Fleisch oder Milchprodukten. Wir sprechen also von einer vollwertigen Mahlzeit.“ Genau genommen braucht es dazu nicht einmal mehr eine Scheibe Brot. „Das wäre natürlich ideal“, sagt Russmann. Als Sattmacher im Salatteller empfiehlt sie Quinoa, Dinkelcouscous, Bulgur oder Hirse, dazu Frischeelemente wie Radieschen, Paradeiser oder Paprika.
Dass der Salat nun seine Sternstunde erlebt, resultiert aus einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein, befeuert durch soziale Medien wie Instagram oder Pinterest. Dort findet man Salatinspiration en masse, versehen mit Hashtags à la #healthyliving. Der Trend hat auch mit den erhöhten Job-Anforderungen zu tun, bemerkt Russmann: „Man bleibt heute länger und muss konzentriert bleiben. Die Leute wollen nicht mehr zu Mittag drei Gänge, sondern etwas Leichtes, das vital und fit hält.“ Ein Salat ist da ideal: „Man hat danach kein Völlegefühl, muss sich nicht hinlegen. Man konsumiert volle Vitamine und großartige Enzyme – die volle Power also.“
Wie aber wird aus ein paar nackten Blättern ein Geschmackserlebnis? Für Paul Ivic, Küchenchef im vegetarischen Restaurant Tian, ist die Frische entscheidend. „Ich achte darauf, dass er mindestens Bio-Qualität hat und nicht älter als ein paar Stunden ist. Ein wahres Glücksgefühl löst bei mir ein Salat aus, der fünf Minuten vorher geerntet wurde und dann gleich serviert wird. Und: Er sollte nicht im Dressing ertrinken.“
Am liebsten pflückt der Haubenkoch seine Salatblätter direkt im Garten, garniert sie mit Wildkräutern und einem dezenten Dressing aus gutem Öl, Essig oder Zitronensaft. Auch Michaela Russmann verrät ihren Geheimtipp. „Der simpelste und beste Salat ist ein asiatischer Gurkensalat mit Sesam, Sesamöl, Salz und einem Schuss Bio-Sojasauce. Ihre Gäste werden begeistert sein.“