Leben/Essen & Trinken

Darf man ruhigen Gewissens Stopfleber essen?

Sie laufen frei herum, fressen Lupinensamen, Gras, Kräuter Oliven, Feigen sowie am liebsten Eicheln – und das freiwillig, im Herbst fast rund um die Uhr. Rund 1500 Gänse fetten derart in der südspanischen Extremadura ihre Leber auf.

Daraus produziert ihr Besitzer, der Gänsebauer Eduardo Sousa, ein außergewöhnliches Gourmet-Produkt, das Spitzenköche wie der New Yorker Dan Barber in den höchsten Tönen loben. Barber servierte sie sogar Barack und Michelle Obama. Beim Salon international de Alimentation, der wichtigsten Lebensmittelmesse in Frankreich, stach Sousa 2006 noch dazu die französischen Produzenten aus den traditionellen Stopfleber-Regionen aus.

In Frankreich gehört Foie Gras – wörtlich "fette Leber" – schließlich zum nationalen Kulturerbe und ist, traditionell mit Brioche und Süßwein aus der Sauternes, fixer Vorspeisen-Bestandteil von Weihnachtsmenüs. Sie zählt generell zu den teuersten, aber auch umstrittensten Lebensmitteln überhaupt.

Wo sich Gänse gerne fett fressen

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Warum sich Sousas Gänse freiwillig fettfressen, liegt an ihren von der Genetik geprägten Instinkten. Sein Land liegt in der Flugschneise gen Süden, daher rasten alljährlich Wildgänse hier – und fetten ihre Leber aufgrund einer natürlichen hohen Speicherfähigkeit für die lange Reise auf. Durch Paarung mit den in Weidehaltung hier lebenden Graugänsen bleiben diese Instinkte erhalten. Für seinen Kompagnon, den Ökologen Diego Labourdette, ist das Projekt auch eine Möglichkeit, die Foie-Gras-Produktion nachhaltiger zu gestalten, sagte er kürzlich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Mehrmals täglich mit Metallrohr zwangsernährt

Wer sich schon einmal mit den Produktionsbedingungen beschäftigt hat, dem kann der Gusto schnell vergehen. Die jungen Gänse werden gezielt zwangsernährt. Mehrmals täglich wird ihnen ein Rohr über den Schnabel eingeführt, um Kraftfutter in den Magen zu pumpen. Die Leber vergrößert sich durch diese Prozedur um das bis zu Zehnfache der normalen Größe. Für Tierschutzorganisationen ist das klar Tierquälerei. "Die Tiere werden bewusst krank gemacht", sagt etwa Hanna Zedlacher von Vier Pfoten Österreich. Mittlerweile haben Österreich und 13 andere europäische Länder das Stopfen (frz. gavage) verboten.

Alternativen, die das Tierleid mindern, würde Hanna Zedlacher durchaus begrüßen – auch wenn sie Gänseleber nach wie vor keinen Freibrief ausstellen möchte. "Es geht um Bewusstseinsbildung. Kommerziell produzierte Foie Gras aus Frankreich ist mit ziemlicher Sicherheit eine Stopfleber." Eine "ethical foie gras", also moralisch "einwandfrei", wie der Spanier Sousa sein Produkt nennt, könnte da ein Weg sein. "Es wäre schön, würde damit der Weg für Produzenten geebnet, die anders arbeiten." Doch Sousas Methode ist kompliziert und nicht wirklich profitabel. Dennoch will er nicht das Maximum aus seinen Tieren herausholen, sondern ihnen Bedingungen bieten, in denen sie sich wohlfühlen.

Sattgelbe Leber: weniger fett, hoher Eiweißgehalt

Das hat eben seinen Preis, auch für Sousa selbst. Die Leber seiner Gänse wiegt nur einen Bruchteil von kommerziell hergestellter Stopfleber, etwa ein halbes Kilogramm. Die spezielle Nahrung bestimmt auch den Geschmack: weniger fett, höherer Eiweißgehalt. Durch die Lupinen ist sie sattgelb. 150 Euro kosten die 180-Gramm-Gläser. Für heuer ist sie bereits ausverkauft.

"Eine Gänseleber von langsam gewachsenen, normal gefütterten Gänsen ist etwas ganz anderes. Unsere ist maximal 400 Gramm schwer“, betont der Salzburger Vier-Hauben-Koch Rudolf Obauer. "Beim Kochen ist wichtig, sich nicht in der Anonymität zu bewegen und die Produzenten zu kennen."

Obauer setzen auf Kalbsleber

Als Alternative zur Gänseleber setzt Rudolf mit seinem Bruder Karl ebenso Alternativen auf die Karte im Restaurant in Werfen. "Wir bieten einen bewussten Gegensatz und machen jetzt zur Weihnachtszeit eine Gewürzkalbsleber mit Safranäpfeln." Dafür wird die helle Leber über Nacht in Brennessel-Meersalz eingelegt, danach gewaschen und mit eigens gemischten Gewürzen (u. a. Nelken, Sternanis, Vanille, Zimt, Piment) eingerieben. In der Folge kommt sie ganz kurz in die Räucherkammer und wird abschließend vakuumiert und pochiert. "Das ergibt ein ganz spezielles, besonderes Aroma."