Drei-Sternekoch Juan Amador eröffnet ein Restaurant in Wien
Von Anita Kattinger
Wo sich einst Go-go-Girls an den Stangen rekelten und Legenden wie Ringo Starr oder Omar Sharif ihren Champagner in roten Séparées schlürften, eröffnet der deutsche Starkoch Juan Amador einen kleinen Gourmettempel. Im Interview mit dem KURIER kündigt das Kind spanischer Gastarbeiter die Restaurant-Eröffnung im ehemaligen Wiener Edel-Puff Renz für Oktober an. Dann soll eine schmucke Weinbar folgen.
Eine kleine Sensation, wählt doch erstmals ein Drei-Sternekoch die österreichische Hauptstadt als seinen kulinarischen Arbeitsplatz. Die Ranglisten von den internationalen Restaurantführern Gault&Millau und Guide Michelin, der bisher auf eine eigene Österreich-Ausgabe verzichtete, gelten als wichtigste Bewertung in der gehobenen Gastronomie. Derzeit erfreuen sich nur das Steirereck und das Silvio Nickol im Palais Coburg über zwei Sterne. Drei Sterne – die höchste Auszeichnung im Guide Michelin – stehen für "Eine der besten Küchen – eine Reise wert".
Den Sprung nach Österreich wagt der Spitzenkoch der Liebe wegen, denn hier lernte er vor sechs Jahren seine Traumfrau kennen. Nun hat das Ehepaar genug von der Fernbeziehung.
KURIER: Das Kabarett Renz ist ein geschichtsträchtiges Etablissement ...
Juan Amador: Stimmt, seine Story ist sehr charmant. Der zweite Bezirk hat sich vom Rotlichtviertel zu einem interessanten Pflaster mit tollen Lokalen entwickelt. Mein Team und ich passen nicht zu einem Innenstadt-Palais.
Wieso schließen Sie Ihr Restaurant in Mannheim und wollen nach Wien übersiedeln?
Wien habe ich vor acht Jahren durch Freunde und als Gastkoch kennengelernt. Als ich dann vor sechs Jahren meine Traumfrau in Wien gefunden habe, war ziemlich schnell klar, dass wir beide keine Fernbeziehung leben wollen. Ich mache keine halben Sachen, man sollte nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Zwei Restaurants auf hohem Niveau in zwei Ländern würde nicht funktionieren.
Konkurrieren Sie in Wien mit dem Steirereck?
Moment, in Deutschland habe ich drei Sterne. Ich kann sie ja nicht einfach in den Koffer einpacken und mitnehmen, diese müssen wir uns in Wien wieder erarbeiten. Ich halte die Wiener Spitzengastronomie für extrem unterbewertet und glaube, dass das Potenzial für die gehobene Küche noch längst nicht ausgeschöpft ist. Wir werden uns sicher nicht bekriegen, sondern ergänzen, schließlich kocht jeder eine andere Küche. Außerdem hat kein Neueinsteiger gegen das etablierte Steirereck eine Chance.
Sie sind Kind spanischer Gastarbeiter: Verstehen Ihre Eltern Ihre Kochkunst?
Ich komme aus einfachen Verhältnissen und bin wohlbehütet aufgewachsen. Als ich vor 30 Jahren durch Zufall nach einem Praktikum den Beruf des Kochs ergriff, hatte mein Vater jedoch überhaupt kein Verständnis. Er wollte, dass ich studiere und zum Beispiel Arzt werde. Damals genossen Köche freilich nicht so eine Popularität wie heute. Nachdem ich aber das erste Mal drei Michelin-Sterne erkochte, druckte eine bekannte spanische Zeitung eine Doppelseite über mich ab – noch heute läuft mein Vater mit diesem Zeitungsartikel von Bar zu Bar und berichtet stolz über seinen Sohn. Und darauf kommt es doch im Leben an: Dass man seine Eltern stolz macht.
Werden Sie Ihre spanischen Wurzeln auch in Wien in Ihre Gerichte einfließen lassen?
Natürlich, ich tausche nur das Land aus. Im Fine-Dining-Bereich möchten wir eine klassisch, kreative Küche servieren mit regionalen Produkten. Ein bisschen zeitversetzt möchten wir noch ein zweites Lokal eröffnen: eine Tapas-Weinbar. Wobei Wein nach Wien bringen, ist so, wie Eulen nach Athen tragen. Wir werden uns daher auf spanische und deutsche Weine spezialisieren.
Steht ein Finanzpartner im Hintergrund?
Freunde und Familie helfen beim Investieren, aber es wird ein kleines Restaurant mit wenigen Mitarbeitern. Wir haben natürlich große Ideen, aber die Planungsphase startet erst nächste Woche. Das Kabarett sieht sehr plüschig aus, das Restaurant soll eine warme Puristik ausstrahlen.
Wie würden Sie den Geschmack der Wiener beschreiben?
Es gibt nicht den Wiener, da in Wien viele Nationalitäten leben und viele Touristen essen gehen. Die Stadt ist weltoffen und erfreut sich einer hervorragenden Wirtshausküche. In deutschen Gasthäusern wird viel mehr Convenience angeboten. An dem einen Tag geht der Wiener ins Steirereck dinieren, am anderen isst er das perfekte Schnitzel im Beisl ums Eck. Am Ende macht wohl das den Wiener aus.
Glanzzeit
Ab den 1950er-Jahren erlebt das Renz – es liegt nahe des ehemaligen Zirkus – seine Hoch-Zeit als Nachtclub, den Stars wie Dean Martin, Omar Sharif oder Truman Capote besuchen. 1968 gibt Josefine Baker ein Konzert. Doch mit den Jahren gehen die Geschäfte schlechter, das Renz verkommt zum Bordell. 2003 fällt der letzte Vorhang, 2004 wird es als Szene-Lokal reanimiert, dann aber endgültig geschlossen.