Möbelstücke, die Grenzen ausloten
Von Ulla Grünbacher
Design kann und soll sowohl formschön und gleichzeitig funktional sein, aber auch exzentrisch und provokant. Dabei loten Designer die Grenzen des Materials aus, setzen die Statik und die Schwerkraft außer Kraft. Sie zweckentfremden Alltagsgegenstände oder setzen sie in einen neuen, nicht alltäglichen Kontext, spielen mit unserer Wahrnehmung und führen den Betrachter hinters Licht. So wie die niederländische Designerin Marleen Jansen, die sich bei ihrem Entwurf mit den Tischmanieren auseinandergesetzt hat.
"The Courtesy Table"
Optisch erinnert „The Courtesy Table“ an einen Picknickplatz im Park. Doch die Bank ist eine Wippe, auf ihr kann man nur sitzen und in Ruhe essen, wenn auch da Gegenüber sitzen bleibt – und nicht ständig aufspringt. Der Brite Richard Clarkson wiederum hat zusammen mit dem Unternehmen Crealev, einem Spezialisten für schwebende Objekte, eine schwebende Wolke kreiert, die sich um die eigene Achse dreht und auf und ab schwebt. Das Gebilde aus weißen Polyesterfasern wird von Hand beflockt, daher gibt es jede Wolke nur ein Mal.
Wolke ist ein Lautsprecher
Sie ist mit einem Bluetooth-Lautsprecher und tonreaktiven LEDs ausgestattet, daher kann sie gleichzeitig Musik abspielen und leuchten. Ihre Schwerelosigkeit verdankt sie magnetischen Komponenten, die in der Wolke und im Sockel eingebaut sind. Bestehende Möbelstücke ihrer Funktion zu berauben, das ist das Werk des französischen Fotografen Patrice Letarnec. Ikonen den Möbeldesigns werden verfremdet. Der Vitra-Klassiker Eames Chair etwa bekommt einen zusätzlichen Sitz, der Lehnsessel von Jean Prouvé hinkt.
Eames Chair mit zweitem Sitz
„Durch Letarnecs Zutun sind aus den Originalen witzige Kunstwerke geworden“, schreibt die Autorin. Durch den Verlust der Funktionen lenkt der Fotograf die Aufmerksamkeit auf die Besonderheit der Objekte. Seifenblasen hatte das schwedische Designstudio Front im Sinne, das Ergebnis sind besondere Leuchten. Die Surface Tension Lamp, in Zusammenarbeit mit Loligo für Booo entstanden, besteht aus LED und Seifenblasen.
Leuchtende Seifenblasen
Die Blasen nehmen die unterschiedlichsten Formen an, kugelrund oder verformt, können zerplatzen, bestehen bleiben, miteinander verschmelzen. Durch das LED-Licht erscheint ihre schillernde Oberfläche nicht real, als wäre sie magisch. Die Leuchte hat eine Brenndauer von rund 50.000 Stunden – beziehungsweise etwa drei Millionen Seifenblasen.
Mischbatterie "Fold"
Kann Wasser durch diesen Wasserhahn fließen? Dieser Gedanke geht Betrachtern beim Anblick dieser Mischbatterie, die Lorenzo Damiani für die italienische Marke Ceramica Flaminia entworfen hat, durch den Kopf. Für „Fold“ wird das Stahlrohr zunächst maschinell gebogen und anschließend vom Designer willentlich zerstört. Aus dem Manko wird ein Markenzeichen – das verbogene Rohr zu einem Blickfang. Damiani ist bekannt dafür, die Grenzen des Materials auszureizen – wie bei diesem Entwurf. Dank seines Wissens entstehen immer wieder spannende Objekte. Fold gehört zu einer Serie aus Wasserhähnen und Badaccessoires, die Entwürfe stammen aus dem Jahr 2010.
Buchtipp
Impossible Design“ von Agata Toromanoff zeigt außergewöhnliche Designobjekte der Gegenwart. Erschienen im Dumont Verlag, € 25,00