Leben

Weltfrieden ist eh dabei

Ich soll mir überlegen, was ich mir für die Zukunft wünsche, und dann etwas Formschönes darüber verfassen. Das erinnert ein wenig an ein Schulaufsatzthema: „Mein schönstes Ferienerlebnis“ – „Ein Schulheft erzählt ...“ – „Warum Hierarchien wichtig sind“. Ich wäre schon damals gerne widerspenstig gewesen und hätte geschrieben: Mein schönstes Ferienerlebnis war, als ein Vogel meiner Tante aufs Kleid kackte. Oder: Ein Schulheft erzählt ... nichts, weil ein Schulheft nämlich nicht sprechen kann. Oder: Hierarchien sind überhaupt nicht wichtig, sie dienen nur zur Pflege der Eitelkeit der in den oberen Stockwerken der Hierarchien Wohnhaften. Aber ich traute mich nicht. Eines dieser genannten Themen bekam ich übrigens zur Deutschmatura. Meine Deutschprofessorin benotete nicht nach Fehlern, Schlüssigkeit der Argumentation und stilistischer Sicherheit, sondern danach, ob die im Aufsatz geäußerte Meinung der ihren entsprach. Am liebsten hatte sie ein aus dem konservativ-christlichen Denkraum gespeistes Gutmenschentum, in möglichst pathetischem Stile zum Ausdrucke gebracht, so, als wäre Hermann Hesse als Kandidat der NEOS wiedergeboren worden. Ich konnte schon damals Stile ganz gut imitieren, schrieb dementsprechend entsetzliche Aufsätze und wurde mit Einsern dafür belohnt. Gott, habe ich die Schule gehasst. Also: Was wünsche ich mir für die Zukunft? Genau genommen nichts. Was ich mir wünsche, wünsche ich mir für die Gegenwart, denn wenn Zukunft nicht zur Gegenwart wird, weicht sie ja immer weiter vor uns zurück. Ich wünsche mir, da ich beim Wünschen maßlos bin, unfassbar viel Gutes für mich und alle Menschen, und zwar sofort und für immer. Details verrate ich nicht, aber, damit meine Deutschprofessorin beruhigt ist: Weltfrieden ist eh dabei.

www.guidotartarotti.at, guido.tartarotti@kurier.at