Leben

Das Glücksversprechen

Im idyllischen Cornwall betreibt Francis mit seinem Vater Henry zusammen eine Gärtnerei. Er ist ein leidenschaftlicher Gärtner, aber noch mehr als seinen Beruf liebt er seine Tochter Isabella. So beginnen Geschichten, die nicht das Leben, sondern Rosamunde Pilcher schreibt. Und das seit mehr als 70 Jahren. Rosamunde Pilcher wurde im September 1924 in Lelant, Cornwall, geboren und schreibt, seit sie ein Teenager ist. Pilcher-Bücher gibt es erst seit 1965, davor verfasste die damalige Hausfrau unter dem Pseudonym Jane Fraser Geschichten für Frauenmagazine. Schon damals ging es zu allererst um Liebe und Leidenschaft.

Die heute 88-Jährige kennt sich aus mit der heilen Welt. Dabei soll keiner behaupten, die Trägerin der Auszeichnung „Officer of the Order of the British Empire“ kenne die bitteren Seiten des Lebens nicht. Tochter eines Marineoffiziers, trat sie 1942 während des Zweiten Weltkrieges dem freiwilligen Dienst des Women's Royal Naval Service bei, arbeitete als Sekretärin im Außenministerium und wurde 1943 nach Sri Lanka berufen, wo sie sich bis Kriegsende aufhielt. Wegen ihres Jobs in der Royal Navy publizierte sie ihre ersten Geschichten nicht unter ihrem richtigen Namen – sie hatte ein Geheimhaltungsformular unterschrieben. 1946 heiratete sie den Textilunternehmer Graham Pilcher und zog nach Schottland, wo sie seither wohnt und unter dem schlechten Wetter leidet. Es folgten Jahre als Hausfrau und Mutter von vier Kindern.

Cornwall aber blieb der Ort ihrer Träume, Sehnsüchte und Romane: Vielleicht, weil es dort so viele Hortensien gibt, die sie so sehr liebt, wie sie einem Gartenmagazin anvertraute. Ende der 1940er-Jahre begann sie, Kurzgeschichten und Liebesgeschichten für Frauenmagazine zu schreiben – am Küchentisch sitzend, weil es im Haus keinen Platz für einen eigenen Schreibtisch gab. Spätestens seit 1987 kann sie sich größere Häuser für ihre Schreibtische leisten: Da kam der kommerzielle Durchbruch mit der Familiensaga The Shell Seekers: „Die Muschelsucher“ verkauften sich in Deutschland mehr als 1,7 Millionen Mal. Seither ist sie mit 60 Millionen weltweit verkauften Büchern eine der erfolgreichsten Autorin der Gegenwart.

Mit dem Roman „Wintersonne“ beendete sie 2000 ihre schriftstellerische Laufbahn. An die hundert ihrer Romane wurden für das Fernsehen verfilmt. „Irrwege des Herzens“, „Pfeile der Liebe“, „Herzen im Wind“ sind selbst bei der x-ten Wiederholung noch Quotenrenner.

Das Erfolgsrezept: Ein paar Publikumslieblinge, eine wildromatische Bucht plus Sonnenuntergang, ein verletztes Herz und ein Happy-End. Laut Pilcher-Fanpage sind die österreichischen Schauspieler, die am meisten dabei waren, Barbara Wussow, Senta Berger (je fünf Mal) und Klaus Wildbolz (vier Mal). Unter den Hunderttausenden Zuschauern, die sich gerne bewegten Herzen widmen, sind auch Prominente. Rainhard Fendrich verriet unlängst im KURIER-Interview: „Ich weine auch manchmal, wenn ich Rosamunde Pilcher sehe.“

Die Sehnsucht der Menschen nach einer Welt, die für jede Unbill eine Lösung parat hat, ist schier unstillbar. Dort, wo gebrochene Herzen wieder zusammengeflickt, wo Verwitwete sich neu verlieben und Einsame endlich ihr Lebensglück finden – dort findet auch der Fernsehzuschauer ein bisschen Glück.

Die Glücksversprechen der Neunzigminüter mit Titeln wie „Morgen träumen wir gemeinsam“ werden in romantischen Landhäusern, herrschaftlichen Schlössern, malerischen Fischerhäfen und zauberhaften Dörfern gegeben. Großbritannien bescherte die Autorin dadurch einen ungeheuren Image-Gewinn: Das England der Rosamunde Pilcher ist weit weg von gewalttätigen Vororten, trister Wirtschaftslage, schmuddeligen Pubs und Dauerregen; weit weg von kaltschnäuzigen Tories, wirtschaftsliberalen Labours und einem geradezu weltfremden Anti-EU-Kurs.

Wer England nur aus Pilcher-Romanen kennt, glaubt, selbst das schlechte Wetter habe seine guten Seiten (aber es stimmt schon: die südenglische Region Cornwall liegt im Einflussbereich des warmen Golfstroms. Dort ist es tatsächlich sehr angenehm und die Pubs in Cornwall schauen auch ganz gemütlich aus). Wen wundert’s, dass Pilcher und das ZDF für diese Verdienste um den Tourismus im Jahr 2002 mit dem British Tourism Award ausgezeichnet wurden.

Die Autorin, die im Juni 2012 bekanntgegeben hatte, dass sie sich nun endgültig zu alt zum Schreiben fühle, begegnet dem Hype um ihre Person mit very britischer Zurückhaltung. Dem Gartenmagazin Eden sagte sie, sie möge die Fernsehverfilmungen, weil sie die Landschaften Cornwalls zur Geltung bringen. Sie selbst lebt, mittlerweile verwitwet, statt im sonnernverwöhnten Cornwall, bis heute im regnerischen Schottland. Ihre Lieblingsbeschäftigung: Laub verbrennen.