Turin - nicht nur für Fußball-Fans
Sie steht seelenruhig da – mitten im Menschengewimmel am Markt der Porta Palazzo. Es ist Samstag. Turin kauft ein: Restposten schicker Modelabels, frisches Gemüse und schwarz-weiße Juventus-T-Shirts, vornehmlich mit Nr. 7, Geschirr, Trüffel und Taralli. „Was ist das?“, fragt ein Tourist, der den lebhaften Markt nahe der Piazza della Repubblica gefunden hat. Seelenruhig erklärt sie, dass diese Kringel feines Gebäck seien, „mit Anis gewürzt“. Der Fremde probiert. „Ohh, ja, köstlich!“
Taralli wurden zwar in Apulien erfunden, aber typisch Turin: Beim Essen darf es nur das Beste sein! Barolo, einer der edelsten Rotweine, die es gibt, natürlich Trüffel, beides aus dem Piemont, dessen Hauptstadt Turin ist. Aber es gibt auch die knusprigste Pizza – durch die vielen Neapolitaner, die bei Fiat arbeiten – Mortadella aus Bologna, Tortellini aus Valeggio und eben Taralli aus Apulien. „Grissini schmecken doch so fad dagegen“, sagt Antonia. Sie lacht: „Früher haben wir uns die Kringel immer in die Nase gesteckt, um andere Leute zu erschrecken“.
Heute erschreckt in Turin nur noch die Alte Dame andere Leute. Die alte Dame, das ist Juve – Juventus Turin, eine der besten Fußballmannschaften der Welt, eine Macht zu Hause im Stadio delle Alpi. Juve hat Turin weltweit bekannt gemacht – mehr noch als die Fabbrica Italiana Automobili Torino, kurz Fiat. Und jetzt kommt Cristiano Ronaldo, der wahrscheinlich beste Fußballer der Welt. Fiats Manager sind froh, dass nun Wochen lang kein Mensch über Krise, Arbeitsplätze und dem großen Loch in der Firmenkasse spricht. Da werden doch lieber Witze gemacht und Cartoons gezeichnet. Einer zeigt Ronaldo am Fließband bei Fiat – mit einer Gedankenblase über seinem Kopf: „Was für einen Vertrag habe ich noch mal unterschrieben?“
Essen, heiliger als Fußball
Ronaldo gilt ja als Asket. Da werden ihm die Edelclubs und das turbulente Nightlife aus Madrid kaum fehlen, denn beides ist in Turin Mangelware. Aber vielleicht lernt er nun in Turin, was beste Küche bedeutet? Zum Beispiel im typisch piemontesischen „Monferrato“ oder ganz edel im „La Smarrita“, und zwar ohne zwischen Antipasti und Dolce fünfmal von der Sportpresse behelligt zu werden. Die Tifosi sind zwar fußballverrückt, aber noch heiliger ist es, dass jeder ungestört essen darf, egal wie man heißt oder wer man ist. Das gilt für die Juve-Fußballer wie für den Agnelli-Clan, also die Fiat-Besitzer. Mehr Prominenz gibt es nicht in der ehemaligen Olympiastadt.
Alle wichtigen Wege führen in Turin entweder ins Stadio delle Alpi, in gute Ristorante oder aber auf die Piazza Castello. Der Platz, wo die Herrscher Savoyens ihr Schloss erbauten und von wo sie im Rastersystem eine ideale Stadt anlegen wollten. Die schnurgeraden, rechtwinklig angelegten Straßenzüge prägen bis heute das Bild Turins. Doch der Platz zeigt noch ein weiteres Merkmal der Gerade-Mal-Millionenstadt: üppiges Barock. Das prachtvolle Zentrum Turins gilt schließlich als einer der schönsten Plätze Italiens – und das soll was heißen. Herrliche Barockpaläste umrahmen ihn: Palazzo Reale, Regio-Operntheater, königliche Bibliothek und der Palazzo Madama, das Schloss des Königshauses von Savoyen.
Und nur Haarspalter meinten, dass die 252 Medaillen, die in Turin bei den Olympischen Winterspielen 2006 vergeben wurden, aus Budgetgründen ein Loch in der Mitte hatten – übrigens erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele. Dabei symbolisiert dieses Loch in der Medaille doch nur die Piazza, das soziale Zentrum jedes italienischen Ortes und die Piazza Castello in Turin im Besonderen.
Der Underdog
Turin gilt touristisch trotz alldem ein wenig als graue Maus in Italien. Dabei gehört Torino mit seinen Schlössern seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Liste umfasst den Palazzo Reale, Palazzo Chiablese, die Armeria Reale (königliche Waffenkammer) und ein weiteres Dutzend Schlösser in und um Turin. Alles Residenzen des Königshauses von Savoyen, die besichtigt werden können. Schließlich verlagerte sich das Machtzentrum Italiens erst Mitte des 19. Jahrhunderts nach Rom.
Auch das Lingotto lohnt einen Besuch: Das ehemalige Zentralgebäude von Fiat und eine Ikone des Industriezeitalters wurde in ein Kultur- und Einkaufszentrum verwandelt. Die Teststrecke auf dem Dach der einstigen Fabrik, die Le Corbusier als „Kriegsschiff mit Brücken, Schornsteinen, Höfen und Landungsstegen bezeichnete“ gibt es freilich immer noch. Eine interessante Ergänzung zur eleganten Via Roma, der ersten Shopping-Adresse der Stadt.
Die Marktstände an der Porta Palazzo sind dagegen inzwischen geschlossen. Taralli von Antonia gibt es noch viele, auch einige Trüffel sind übrig geblieben. Komplett ausverkauft sind nur die Juve-Trikots mit der 7 von Cristiano Ronaldo.
Info
Anreise Ob mit Flugzeug (ab Wien z. B. Austrian, Easyjet, Vueling), Bahn oder Auto (ca. 10 Stunden Fahrzeit), der Weg führt stets via Mailand.
Hotels Das 4-Sterne-Hotel „Royal Torino“, liegt wenige Minuten vom Zentrum und zwei Kilometer vom Juve-Stadion entfernt. Angenehme Zimmer und sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis: DZ ab ca. 60 Euro, www.hotelroyaltorino.it.
– Das historische 3-Sterne-Hotel „Roma e Rocca Cavour“ (seit 1854) ist recht günstig und bietet ebenfalls Zentrumsnähe und angenehm altmodisches Flair: ab etwa 70 Euro, www.romarocca.it
Essen und Trinken Das „Monferrato“ in der Via Monferrato 6 bietet klassische Küche aus dem
Piemont; es gibt viel Trüffel und Fleisch, aber auch der Branzino (Barsch) aus dem Ofen ist gut. Mittlere Preisklasse mit Hauptgerichten zwischen 15 und 20 Euro, www.ristorantemonferrato.com.
– Im „La Smarrita“ in der Via Cesare Battisti 17 geht es elegant zu: Es gibt vier Säle. In der Sala degli Specchi fühlt man sich wie in einem Schlosssaal. Dazu passt das 7-Gänge-Menü zu 70 Euro für einen ganz besonderen Abend, drupal.lasmarrita.it.
Fußball Alles zu Juventus, Cristiano Ronaldo, Fan-Shops und Stadion: www.juventus.com
Anbieter Piemont-Runreisen mit Turin haben z. B. Ruefa, Studiosus oder Dertour im Programm.
– Reisen mit Spielen im Juve-Stadion bietet z. B. www.fussballreisen.at an. 01/392 000 3
Auskunft www.regione.piemonte.it,
– Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, Mariahilfer Straße 1b, 1060 Wien. 01 / 505 16 39, www.enit.at