Leben/Reise

So leer wie nie: Die Serengeti für dich allein

Hinter dem Lagerfeuer ist die schwarze Wand. In der Serengeti wird es nach einer lächerlichen Dämmerung von zehn Minuten richtig finster, in den Zeltlodges entfachen sie deswegen ein Lagerfeuer vor dem Speisesaalzelt. Dort können sich die Safaritouristen mit ihren Erlebnissen und Sichtungen des Tages überbieten. Oder in die schwarze Wand schauen, die jetzt plötzlich zurückschaut: reflektierende Augenpaare sind zu sehen.

„Hyänen“, sagt ein Lodgeguide. „Man hört sie auch.“ Die Gäste sind stumm. Nicht nur, weil sie den Geräuschen lauschen. „Serengeti Dolby Surround“, sagt der Guide, legt Holz nach und genießt die stille Nervosität der Gruppe.

In den Zeltlodges ist man der unfassbaren Kulisse noch näher als in den Nobellodges der Serengeti. Die Zelte sind bungalowgroß, mit Betten, einem Schreibtisch, Klo und Dusche. Sie spiegeln exakt das kalkulierte Abenteuer wider, das Serengeti-Besucher erleben wollen: wilde Tiere, aber aus dem Jeep. Will man sich nach Einbruch der Dunkelheit vom Zelt wegbewegen, bläst man in die Pfeife, die man statt des Zimmerschlüssels bekommt. Dann kommt der Lodgeguide. Weil er aber keine Waffe hat, weiß man, dass es nicht so richtig gefährlich sein kann. „Raubkatzen meiden Camps. Und Elefanten sind so behutsam, dass sie über Zeltschnüre steigen“, sagt er. Kalkulierte Aufregung, wie die Hyänen dreißig Meter neben dem Lagerfeuer im schwarzen Off.

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Sehnsuchtsort

Die Serengeti ist Sehnsuchtsort und Sehnsuchtswort. So ähnlich wie Atlantis oder Mittelerde, nur dass es die Serengeti gibt. Begründet haben diese Sehnsucht Bernhard und Michael Grzimek, Vater und Sohn. Die beiden deutschen Naturforscher und -filmer erforschten Ende der 1950er die Wege der jährlichen Tierwanderungen in der Serengeti, ihre Dokumentation „Serengeti darf nicht sterben“ gewann 1960 den Oscar. Ihrer Erkenntnisse wegen wurde der Nationalpark Serengeti vergrößert, um das gesamte Gebiet der jährlichen Wanderungen der Tierwelt zu schützen. Der Film und das folgende Buch wurden weltberühmt und die Serengeti zu einem jener Orte, an die man einmal im Leben hinwill.

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Rivercrossing

Diese Wanderungsbewegungen sind mehr als zoologische Raffinessen, sie sind der touristische Kern des Serengeti-Tourismus. Die etwa eineinhalb Millionen Gnus und anderen Pflanzenfresser wie Zebras und Büffel ziehen über das Jahr der Vegetation nach: Wo saftiges Gras, da viele Gnus. Und wo viel Gnus, da viele Großkatzen mit großen Zähnen. Löwen, Geparden, Leoparden, im mittleren Savannen-Management dann Hyänen und Schakale, in der Luftabteilung Geier und andere Raubvögel. Neben der Ballung an Tieren sieht man dank der migration, wie die Wanderungen im Zoologenenglisch heißen, besondere Momente auf den game drives (Pirschfahrten). Etwa, wenn Tausende Gnus den Mara-Fluss überqueren. Bei solchen rivercrossings versammeln sich im Fluss die Krokodile, am Ufer Hunderte Jeeps.

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Normalerweise. Derzeit sehen Touristen die Serengeti so ähnlich wie die Grzimeks, als sie vor fast siebzig Jahren in kleinen Propellermaschinen über das weite Land (Serengeti heißt in der Massaisprache „endlose Ebene“) flogen, um Tiere zu zählen. Wegen Corona sind die Besucherzahlen eingebrochen, wodurch die Qualität gestiegen ist. Denn am Fluss stehen jetzt gerade nur fünf Jeeps.

Der wahre Safarikick

Denn als Safaritourist entwickelt man sich rasch: In den ersten Stunden will man jede Tierart einmal sehen und fotografieren. Nach dem dreißigsten Elefanten (oder so) drückt man nur mehr ab, wenn das Tier gerade gut schaut oder das Licht besonders passt. Man beginnt zu genießen. Aber dann die höchste Stufe: die Aktionen. Etwa wenn Hyänen ein Gnu verspeisen und die mutigen Geier reinpecken.

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Oder eben das Rivercrossing. Dann wirkt die Serengeti, als ob man während einer Universum-Folge in den Fernseher gekrochen ist. Gnus schwimmen nervös durch den Fluss, eines wird vom Krokodil erfasst. Weitere Gnuherden trampeln zum Wasser, springen in den Fluss. Sie schwimmen um ihr Leben, wollen auf die jetzt grünere Seite der Savanne, dort werden sie im Winter Junge kriegen und mit ihnen nächstes Jahr zurück Richtung Süden ziehen. Es ist ein Moment, den man nie wieder sehen wird. Es ist so sehr Circle of Life, dass man feuchte Augen hat.

Weil man Menschen von solchen Szenen kaum wegbekommt, hat es Fahrer Robert auf dem Rückweg zum Camp eilig. Die Heimfahrt dauert drei Stunden, obwohl man im gleichen Teil der Serengeti bleibt. Aber die ist 30.000 Quadratkilometer groß und damit ein Drittel von Österreich. Robert wirkt angespannt, nach Einbruch der Dunkelheit darf man eigentlich nicht mehr fahren und es wird bekanntlich schnell dunkel. Die Gäste hingegen grinsen wie nach einem Joint, sie sind im Rausch des Erlebten. Sie schauen in das immer orangen-rot-gelbere Land. Der Blick auf die wechselnde Landschaft ist ein unerwarteter Safari-Höhepunkt und in der Stunde vor dem Sonnenuntergang ist das Licht der Hauptdarsteller. Warzenschweine, Giraffen, selbst Löwen werden im Vorbeifahren nur mit einem Blick bedacht, das typische Afrikalicht und die Gnus im Kopf dominieren.

Robert wird langsam, als er eine Riesenlacke auf der Straße durchfährt. Er bleibt trotzdem stecken.

Der 3-Tonnen-Jeep steht schief. Sehr schief. Aussteigen ist in der Serengeti nur an bestimmten Plätzen erlaubt, aber jetzt müssen alle raus. Die Gruppe schwankt zwischen Abenteuersinn oder zumindest Phlegma, nervös ist keiner, noch alle auf Erinnerungsdroge. Nicht einmal, als Robert zwei als Ausgucker postiert, Dämmerung ist Raubtierzeit. Er gräbt mit einer kleinen Schaufel, ein nachkommender Jeep hilft aus, Eisenketten als Abschleppseil, krachender Lärm, als ob ein Tanker ins Meer gezogen wird, Schlamm in der Luft, Weiterfahrt. Die Sonne wirft ihre letzten Strahlen auf den „Rafikifelsen“. Der steht alleine in der Gegend und soll die Vorlage für die Anfangsszene in „Der König der Löwen“ gewesen sein, wo der Pavian Rafiki den kleinen Löwen Simba in die Luft hält. Das Zeichentrickmusical hat Mitte der 1990er-Jahre für den Safaritourismus ähnliches geleistet wie die Grzimeks. Wer den Film gesehen hat, wird während der Safaristunden irgendwann das Anfangslied ansummen: Naaaaaaan ts ingonyama bagithi baba sithi uhm ingonyama ingonyama.

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Dabei ist das nicht einmal Swahili, die meist verbreitete Sprache in Tansania. Aber Film ist Film, da mischt man vieles. Und Tansania ist als junges Land selbst ein Hybrid, kurze Landesgeschichte: Im Ersten Weltkrieg wurde aus einem Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika das Land Tanganjika unter britischem Mandat. 1961 kam es zur Unabhängigkeit, 1964 vereinte der Präsident Julius Nyerere das Festland Tanganjika mit der Insel Sansibar, die davor zum Sultanat des Oman gehörte – weshalb Sansibar bis heute zu 98 Prozent muslimisch ist. Der neue Staat bekam einen neuen Namen, zusammengesetzt aus TANganjika, SAnsibar und AzaNIA (historischer Name der ostafrikanischen Küstenregionen). Und Präsident Nyerere den Beinamen Baba wa Taifa, was in Swahili „Vater der Nation“ bedeutet. Bis heute ist er die Identifikationsfigur, obwohl er schon 1999 verstorben ist. Ebenso integrativ ist eine Swahiliphrase, die man auch aus „Der König der Löwen“ kennt: Hakuna Matata. Wörtlich: Es gibt gerade keine Sorgen. Metaphorisch: Nimm es locker!

Abseits der Safari

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Dieses Dogma erklärt auch, wieso ein armes Land wie Tansania so viel Lebensfreude in sich trägt. Selbst während Corona. Offiziell gibt es keine Coronazahlen, aber auch deutsche Ärzte und Landeskenner berichten, dass es keine Hinweise auf größere Infektionscluster gibt. Für den Sehnsuchtsreisenden ein Vorteil, derzeit gehören einem Lodges, Plätze und die Tiere fast allein, was das Erlebnis noch fantastischer macht. Und bei vernünftigem Verhalten ist die Infektionsgefahr extrem gering, weil man sich fast ausschließlich im Freien bewegt.

Nur im Propellerflugzeug nicht. Die Flüge in den engen Maschinen sind noch so ein Abenteuer, mit dem man nicht gerechnet hat, von der Grasstartbahn bis zu den Blicken. Wenn man so auf die Serengeti runter schaut, weiß man, wie sich die Grzimeks gefühlt haben. Bei ihnen war das Land auch so leer.

Klimafreundliche Anreise
Derzeit Verbindung über Katar mit qatarairways.com, Reisezeit rund 15 Std. Die CO2-Kompensation beträgt via climateaustria.at 39 €, ist aber bei Akwaba Afrika schon im Reisepreis inbegriffen.

Safari
Die bekannteste Runde deckt die nördlichen Nationalparks Arusha, Tarangire (riesige Elefantenpopulation), Ngorongoro (viele Sichtungen, auch Nashörner), Manyara (am gleichnamigen See) und Serengeti ab. Veranstalter Akwaba Afrika empfiehlt auch im Süden den Ruaha NP als untouristische Serengeti-Alternative.

Mittelklasse-Lodges (meist kein Pool, Zimmer oder Zelt) bieten ausreichend Komfort und  gute Verpflegung. Zu empfehlen sind z.B. African View Lodge, Tarangire View Camp (oft Tiersichtungen), Serengeti View Camp

Reiseangebot
Akwaba Afrika wird von zwei studierten Afrikaexperten geführt und liefert rund um die Reisen Wissen über Land und Leute. Außerdem stehen lokale Wertschöpfung und Nachhaltigkeit im Fokus.
Preisbeispiel für „Safarireise nach Tansania – Mit Abstand und doch ganz nah“: 14 Tage inkl. Flug; Materuni, Tarangire, Serengeti, Propellerflüge und Sansibar, ab 3.500 € p. P.

Kontakt
Infos über diese und andere Reisen in viele afrikanische Länder: akwaba-afrika.de