Leben/Reise

Tour de Paris: Mit dem Fahrrad die Seine-Metropole erkunden

Paris hat sich den Radfahrern geöffnet. Durch das Umwidmen von breiten Autospuren auf einigen Boulevards wurden vierspurige Fahrradwege geschaffen. Diese Verkehrsberuhigung in der Zwei-Millionen-Metropole kommt einer Revolution gleich. Auch als Rad fahrender Tourist kann man davon profitieren, man erlebt Ansichten und Einblicke, die sonst vielen Besuchern verborgen bleiben.

„Paris ist eine kleine Stadt“, eine überraschende Ansage von Vélo-Guide Veronika beim Blick auf den Plan der Großstadt. „In der Nord-Südrichtung sind es rund acht Kilometer, von der östlichen zur westlichen Stadtgrenze rund zehn Kilometer“, also ideale Bedingungen für eine Stadttour mit dem Fahrrad. Mit diesen positiven Aussichten starten wir zu unserer Tour de Paris in der Nähe des Centre Pompidou, beim extravaganten Bau des Museums moderner Kunst.

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Wir biken zunächst gemütlich durch schmale, wenig befahrene Gassen, manchmal gegen die Einbahn. „Sauf Velo“ auf dem Einbahnschild soll nicht zum Trinken animieren, sondern bedeutet „ausgenommen Radfahrer“. An der nächsten größeren Rue endet die Gemütlichkeit. Veronika fährt voraus, „am sichersten immer hinter mir in der Spur bleiben. Erst vor wenigen Tagen wurden hier vier Fahrradstreifen freigegeben, aber die alten Bodenmarkierungen sind noch sichtbar und könnten für Verwirrung sorgen.“

Baustelle Notre-Dame

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Links durch eine unscheinbare Nebengasse und das Ufer der Seine ist erreicht. Es ist zehn Uhr, der Himmel über Paris strahlend blau, die Sonne taucht Fluss und Brücken in ein warmes Licht. Gegenüber das jetzt wahrscheinlich am häufigsten besuchte Wahrzeichen von Paris: Die Kathedrale Notre-Dame, beziehungsweise die Baustelle der vor einem Jahr durch einen Brand stark beschädigten Kirche. Auch andere Radfahrer halten hier an und blicken auf die Stützwerke der großen Fenster und die hohen Kräne, die ununterbrochen Material heranbringen. 2024, zu den Olympischen Spielen in Paris, soll Notre-Dame wiederhergestellt sein. Wir queren die Seine und radeln zügig weiter, meist im angenehmen Schatten von Platanen.

Beim Musée d’Orsay halten wir uns rechts und lassen die Räder zum Uferkai der Seine hinunterlaufen. Was bis vor wenigen Jahren eine zweispurige, kreuzungsfreie Schnellverbindung durch das Zentrum von Paris war, ist jetzt eine breite Radstrecke. Der verlockende Duft von Crêpes verleitet zu einer Rast am Seine-Ufer. Hier lässt sich die Atmosphäre am Fluss mit den vorbeiziehenden Schiffen am besten genießen, zwischen den Frachtkähnen sind auch einzelne Touristenboote zu finden. Bei der Durchfahrt unter einer Seine-Brücke hat sich ein Trompeter platziert und nutzt gekonnt das Echo, das dieses Bauwerk für seine Darbietung abgibt.

Ein kurzer Abstecher führt zum Boulevard Saint-Germain. Beidseitig gesäumt von prachtvollen Hausfassaden reihen sich Läden der Luxusmarken aneinander. An den schmiedeeisernen Gittern der Gartenanlage der Abtei Saint-Germain-des-Prés präsentiert seit einigen Jahren ein Künstler aus Indien seine Freiluft-Galerie. „World is Poetry“, die „Welt ist Poesie“, steht als Motto über seinen Bildern. Plötzlich steht der 70-jährige Yaseen Khan vor seinen Bildern, unverkennbar mit seinem hochgewachsenen, schlaksigen Körper, dem locker sitzenden weißen Anzug und Hut. „Von ein paar Versen inspiriert, beginne ich, an der Leinwand zu arbeiten. Das Gemälde ist ein Spiegelbild meines Geistes, der durch Gedichtverse inspiriert wird.“ Mit dem Eiffelturm im Rücken queren wir die Seine. Das Ziel ist der Triumphbogen, so wie für Radprofis bei der Tour de France. Die breite Champs Elysees geht es bergab, auf eigenem Radweg immer im Schatten der akkurat fassonierten Platanen-Alleen. Beim kurzen Halt an einer Ampel bleibt eine Frage offen: Wann und wie wird diese kilometerlange Baumreihe so exakt geschnitten? Die Prachtstraße mündet in den Place de la Concorde mit dem mächtigen Obelisken in der Mitte. Im breiten Kreisverkehr heißt es aufpassen.

In der Rue de Rivoli mit vier Fahrradspuren entlang des Tuilerien-Parks ist man wieder sicher unterwegs. Unter dem Arc de Triomphe du Carrousel hindurch radeln wir zum Louvre. Diesmal keine Besucherschlangen vor der jetzt wieder geöffneten Pyramide, dem Eingang des Museums. Ein völlig ungewohntes Bild. Veronika will noch ein anderes Paris zeigen, zur Schlussetappe geht es zurück zum Seine-Kai. Es ist noch sommerlich warm, auf dieser Seite fungiert das Ufer als Badestrand mit Liegen und Bars, Duschen und wassersprühenden Bögen zum Erfrischen. Schwimmen ist natürlich nicht gestattet. Alle Sonnenliegen sind besetzt, wir radeln weiter.

Am Rande der Innenstadt zweigt ein Kanal von der Seine ab, der Canal Saint-Martin. Eine private Motorjacht mit elegant gekleideten Gästen wird gerade festgemacht. „Das ist der Jachthafen für vermögende Pariser“, so Veronika.

Das moderne Paris

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Im Osten öffnet sich mit Percy ein modernes Paris. Vorbei an der Accor-Arena mit ihren schrägen, grasbewachsenen Wänden, einer Multifunktionshalle, geht es zu einer Seine-Brücke für Fußgänger und Radfahrer. Die 2006 eröffnete Simone-de-Beauvoir-Brücke wurde vom österreichischen Architekten Dietmar Feichtinger entworfen, die doppelt geschwungene Konstruktion ist Wellen nachempfunden. Immer wieder geht es über die hölzernen Balken der Brücke auf und ab, bis man schließlich nach dem letzten Anstieg am anderen Ufer einen weiten Platz erreicht, vor der neuen Nationalbibliothek. Vier markante Hochhäuser mit Glasfassaden umschließen einen 12.000 Quadratmeter großen Wald. Eine geschützte grüne Oase der Ruhe inmitten der Großstadt, die nur einmal pro Jahr für Besucher zugänglich ist. Von der rundumlaufenden Terrasse bietet sich ein freier Blick auf die Baumkronen. „Wenn es dämmert und kühler wird, fliegen unzählige Vögel aus den Wipfeln hoch und stimmen ein wunderbares Konzert an“, erzählt Veronika zum Abschied. „Ganz Paris ist eine Bühne – deswegen brauchen wir Menschen, die hierherkommen und das große Theater be- und erleben.“

Paris hat sich tatsächlich in eine fahrradfreundliche Stadt gewandelt. Man ist flott unterwegs, um größere Strecken zurückzulegen, aber langsam genug, um jederzeit anzuhalten und interessante Details in Gässchen und Hinterhöfen zu bestaunen. So kann man den Pariser Flair intensiv auf sich wirken lassen. Die beschriebene Tour war etwa zwanzig Kilometer lang, unzählige wunderbare „Erfahrungen“ im doppelten Sinn haben unvergessliche Eindrücke hinterlassen.

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Klimafreundliche Anreise
CO2-Kompensation für den Flug Wien–Paris via climateaustria.at: 7,09 €

Geführte Radtouren
Bike Tours: 36 €  (3 Std. inkl. Rad, Helm, Guide (auch dtspr.). Touren auf Anfrage, parisbiketour.net

Fahrradverleih
Paris á vélo: E-Bike 40 € pro Tag inkl. Bügelschloss zum Sichern beim Lunch oder Shopping. parisavelo.fr

Unterkunft
Eden Lodge Hotel: Boutique-Öko-Hotel mit 3 geräumigen DZ und 2 Suiten im Garten, absolut ruhig. Reichliches Früh- stücksbuffet. Auf Wunsch bereitet Chefköchin Binette Lunch oder Dinner, sie hat bei Thierry Marx in der Brasserie am Eiffel-Turm gelernt. Adresse: 175 rue de Charonne, 75011 Paris  edenlodgeparis.net

Auskünfte
Infos und Reisebedingungen unter at.france.fr

Tourismus- büro Paris, mit Ideen, Rundwegen und Radrouten, um das „grüne Paris“ zu erleben: parisinfo.com