Leben/Reise

Südfrankreich: Mit dem Esel in den Cevennen wandern

Jetzt fehlt nur noch die Blüte der Kapuzinerkresse: Liebevoll drapiert Laurence die knallrote Blume auf das Salat-Kunstwerk und setzt die Schüssel in den Picknickkorb. Dazu steckt sie ofenwarmes Baguette, einen Ziegenkäse, ein Glas Pastete und eine Flasche Limonade. „Das ist alles aus bio-dynamischem Anbau, von uns oder den Nachbarn selbst gemacht“, erklärt sie. „Zero Waste, null Transportwege und 100 Prozent Regionalität sind uns sehr wichtig.“ Mit dem appetitlichen Korb schickt sie uns hinunter zum Fluss Gardon de Mialet. „Dort sind Tische und Bänke. Und nachher könnt ihr in den Fluss schwimmen gehen.“

Laurence und ihr Mann Sylvan sind zwei typische Vertreter der südfranzösischen Region Cevennen: Die beiden Cévenols leben achtsam im Einklang mit der Natur. Vor knapp zwanzig Jahren errichtete Sylvan – Freeclimber und Spezialist für Ökotourismus – den ersten Hochseilgarten Frankreichs. Heute ist sein Park „Parfum d’Aventure“ im Mialet-Tal (parcparfumdaventure.com) nahe der schmucken Stadt Anduze ein vielseitiger Naturspielplatz für groß und klein.

Die zwölf Routen des Baumwipfel-Klettergartens machen auch Erwachsenen ohne Kraxeltalent viel Spaß, doch nach der dritten absolvierten Route beginnen die Oberarme zu lahmen und der Magen knurrt. Jetzt schmeckt Laurences Edel-Picknick doppelt gut.

3 Natur-Tipps

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Das grünste Frankreich

Die Cevennen sind der südliche Ausläufer des französischen Zentralmassivs, rund fünfzig Kilometer nordwestlich der Stadt Nîmes. Es ist ein karger Mittelgebirgslandstrich aus Schiefer und Granit, mit mageren Böden, karstigen Kalkplateaus, Heide-Hochebenen, tiefen Schluchten, endlosen Hügelketten und dichten Wäldern. Dieser am dünnsten besiedelte Landstrich der Grand Nation wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen und alternativ. Hier ist alles grün – auch die Bevölkerung in ihrer Denkweise. Selten erlebt man so viele beseelte Aussteiger, Öko-Freaks und Weltverbesserer – im positivsten Sinn. Hier würde es Greta definitiv gefallen.

Die einstige Armut ist heute der große Schatz: Die Cévenols fristeten ihr Dasein mittels Wanderweidewirtschaft, Anbau von Esskastanien und Seidenraupenzucht. Tiefpunkt der Geschichte waren die sogenannten Kamisardenkriege im 17. und 18. Jahrhundert, die sich aus dem Aufstand der bäuerlichen Kamisarden (Cevennen-Hugenotten) gegen Protestantenverfolgungen und Zwangskatholisierung entwickelten. Die entbehrungsreiche Vergangenheit ist eindrucksvoll im Musée du Désert in Mialet sowie im Maison Rouge – Musée des Vallées Cévenoles in St. Jean du Gard dokumentiert.

In den 1970ern wandte sich das Blatt und die Einwohnerzahl stieg langsam: Aussteiger und reizüberflutete Großstädter entdecken die Schönheit der unberührten Natur – und die allerorts leer stehenden Gehöfte aus Granitstein mit Schieferdächern betteln quasi um eine neue Bestimmung im Zeichen des sanften Tourismus.

Alternativer Tourismus

Elisabeth und Philippe etwa hatten Paris satt, erwarben ein uraltes Bauernhaus im Weiler Saint-Frézal-de-Ventalon, unterzeichneten die Europäische Charta für nachhaltigen Tourismus und errichteten in ihrem „L’Oustaou de Joséphine“ vier Ferienunterkünfte der etwas anderen Art – darunter ein Baumhaus, ein Sternen-Dome (runder Holzpavillon mit Glasdach), beide ohne Fließwasser und Strom, aber überaus gemütlich.

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Wer hierher gefunden hat, sollte auch Daniel Mathieu und seinem „Relais de l’Espinas“ einen Besuch abstatten: Seine Genossenschaft widmet sich der Wiederbelebung des Esskastanienanbaus sowie der Kunst der Trockensteinmauern.

Oder Philippe Galzin: Vor etwa zwanzig Jahren übernahm er nahe Pont de Montvert „Le Merlet“ ein halb verfallenes Gehöft aus dem 16. Jahrhundert auf 1.100 Meter Seehöhe. Mit eigenen Händen baute er traditionelle Ferienwohnungen aus. Allabendlich versammeln sich seine Gäste zum Sonnenuntergangsaperitif auf der Panoramaterrasse. Beim gemeinsamen Abendessen übernimmt Philippe den Vorsitz und erzählt Anekdoten aus der Region, während Tochter Catherine Selbstgemachtes und Selbstgepflanztes serviert.

Wandern auf den Spuren Stevensons

Wer in den Cevennen organisierten Tourismus sucht, wird am ehesten in Pont de Montvert fündig. Das schmucke Dörfchen ist nicht nur Zentrum des „Parc National des Cévennes“, sondern auch des Wandertourismus. Die meisten Naturfreunde folgen dem Weitwanderweg GR 70 „Chemin Stevenson“ (chemin-stevenson.org).

Prominenter Voraus-Wanderer war Robert Louis Stevenson: Der schottische Schriftsteller („Die Schatzinsel“, „Dr. Jekyll und Mister Hyde“) zog 1878 zwei Wochen lang in Begleitung seines schmächtigen Eselchens Modestine durch die damals gottverlassene Einöde, um seine große, unerfüllte Liebe zu vergessen. Seine Erlebnisse sind im Büchlein „Reise mit dem Esel durch die Cevennen“ nachzulesen.

Apropos Esel: Eselwandern gehört auch anno 2020 zu den Cevennen dazu. Auch wir zwei Outdoor-Fans folgen Stevensons Spuren. „Du bist der Boss, das muss die Eselin stets spüren. Notfalls mit eine Klaps auf die Pöpsch“, erklärt der Bauer vom Gehöft Le Vigos. „Außerdem dürft ihr Lauze niemals fressen lassen, sonst wertet sie die Wanderung als Picknick und geht nicht weiter.“ Mit diesen guten Ratschlägen gewappnet, nehmen wir das Grautier an den Strick und ziehen los. Lauze gibt sich weit weniger störrisch als befürchtet und stupst uns sogar sanft zur Seite, als wir die falsche Abzweigung wählen. Am Ende der Tour bedanken wir uns bei ihr für die unproblematische Begleitung mit einer vollreifen Ringlotte. Sie kaut bedächtig und mit sichtbarem Entzücken. Lächelt Lauze gar?

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Anreise
Direktflug Wien–Marseille, laudamotion.com, weiter mit dem Mietwagen.
CO2-Kompensation via atmosfair.de: 15 €

Schlafen
– La Patache, Moissac-Vallée-Française: Landgasthaus mit sehr guter Küche. Ab 67 €/DZ/F. lapatache.com
– Le Merlet, nahe Pont-de-Montvert: Abgelegenes Gehöft (1.100 m), Zimmer und Ferienwohnungen,  
116 €/DZ/HP. lemerlet.com
– L’Oustaou de Joséphine: Gehöft aus dem 18. Jh., Gästezimmer,  Baumhaus, Sterne-Dome mit Glasdach.  Ab 70 € DZ/F. oustaou.net
– Le Pradinas, Mialet: Landhotel in einem Herrenhaus aus dem 18. Jh., Pool, Restaurant.
 Ab 110 €/DZ/F. lepradinas.fr

Essen
– Auberge „Le P’tit Vigos“, nahe Ispagnac, winziges Restaurant grandios,billig. le-ptit-vigos.business.site
– Relais de l’Espinas, Ventalon en Cévennes, entzückendes Restaurant lerelaisdelespinas.org

Auskünfte