Leben/Reise

Marie-Antoinette, für immer Superstar

"Nur fünf Minuten Sterben noch und dann Unsterblichkeit", schreibt Stefan Zweig gegen Ende seiner Biografie "Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters". Zweig behielt recht. Das Buch ist heute ein Standardwerk über das prunkvolle Leben und schaurige Sterben der französischen Königin in einer revolutionären Zeit.

Anfangs beliebt, wurde sie am Ende des Ancien Régime angefeindet. Im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Restauration, wandelte sich ihr Image, Marie-Antoinette wurde für Monarchisten zur Kultfigur. In jüngerer Zeit feiert sie erneut ein Revival. Als Modeikone, Kunstfigur, Werbeobjekt. Von Mattel-Barbie-Puppen über Schokolade, Kostüme, Haar-Design bis hin zu unvermeidbaren Schneekugeln für Touristen: "Marie-Antoinette ist ein Verkaufsargument für jedes nur denkbare Produkt", schmunzelt Christopher Wride. Der hochgewachsene Mann – graue Haare, feiner Zwirn, britisch-französische Abstammung – ist Presseverantwortlicher für die brandneue Ausstellung "Marie-Antoinette – Metamorphosen eines Images" in der Conciergerie in Paris.

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Parallelen zu Sisi und Franzl, die in Österreich von K.-u.-k-Nostalgikern verehrt und von Touristikern vermarktet und verkitscht werden, liegen auf der Hand. Marie-Antoinettes Strahlkraft reicht  weit über Europa hinaus. In Japan hat  die junge Königin stilprägenden  Eingang in die populäre Manga-Kultur gefunden ("Die Rosen von Versailles"). Die jüngere Generation entdeckte sie mit Sofia Coppolas zuckerlrosafarbener Hollywood-Verfilmung (2006), mit Kirsten Dunst in der Hauptrolle, neu.

Die Schau bringt die widersprüchlichen Images dieser Figur im Laufe der Geschichte auf den Punkt.  Zu sehen sind der Abschiedsbrief Marie-Antoinettes, den sie in  der Zelle an ihre Schwägerin Madame Elisabeth schrieb – und der diese nie erreichte.

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Weiters Film-Kostüme, Videos, ein blutbeflecktes Hemd aus der Zelle und Kunstwerke aus mehreren  Epochen, wie das viel diskutierte "Royal Blood" (2000) des niederländischen Fotografen Erwin Olaf. Es zeigt ein weiß gekleidetes Mädchen, das einen abgetrennten, bluttriefenden Kopf in Händen hält.

Das Team um Kurator Antoine de Baecque hofft,  junges, neugieriges Publikum aus aller Welt anlocken zu können. Und die Franzosen? "Sind gespalten", analysiert Wride. Für viele sei sie nach wie vor die Frau, die Frankreich betrogen habe. "Mehr als 200 Jahre später ruft sie noch solche Emotionen hervor", zeigt sich Wride amüsiert.

Hochmütige Königin oder kultivierte Frau? Ausländische Verräterin oder Märtyrerin? Wer war diese Frau, die im zarten Alter von 14 Jahren an den französischen Königshof verheiratet wurde, wirklich? Dieser Frage geht man  auf den Grund. Als fünfzehntes Kind von Maria Theresia und Kaiser Franz I. von Lothringen im Jahr 1755 geboren, war sie in gewisser Weise die erste Celebrity der Welt. "Ihre politische Rolle in der Zeit der Französischen Revolution war limitiert. Trotzdem ist sie heutete eine der berühmtesten Figuren in der Geschichte Frankreichs". Allein die Wahl des Ausstellungsortes ist ein Stilbruch. Nicht das pompöse Barockschloss in Versailles rund zwanzig Kilometer vor Paris wurde dafür ausgewählt, sondern die Conciergerie.

Grausames Spektakel im Herbst 1793

Der Ort, an dem Marie-Antoinette die letzten Wochen ihres Lebens in Haft verbringt. Dort, wo sie in einer streng bewachten Zelle  in ihrer letzten Nacht einen Abschiedsbrief schreibt, bevor sie im Henkerskarren zur Guillotine geführt wird. Zehntausende Menschen sind am 16. Oktober 1793 frühmorgens auf den Beinen, um das grausame Spektakel nicht zu versäumen: Die 37-Jährige wird auf dem  Revolutionsplatz, heute Place de la Concorde, geköpft. Sie bleibt die einzige französische Königin, der dieses Schicksal widerfährt.

Die Conciergerie war im Laufe der Zeit sowohl königliche Residenz als auch Gefängnis. Sie befindet sich im westlichen Teil der Île de la Cité, im Herzen des mittelalterlichen Paris. Nur ein Steinwurf von Notre Dame entfernt (die gotische Kathedrale wird nach dem verheerenden Brand im April 2019 noch jahrelang geschlossen bleiben). In der Französischen Revolution entwickelte sich der prächtige Palast am Ufer der Seine mit der Einrichtung des Revolutionstribunals zu einer berüchtigten Haftanstalt. Berühmte Gefangene waren Georges Danton und Maximilien de Robespierre.

Die Ausstellung  – im "Saal der Waffenträger", ein herausragendes Beispiel für profane, gotische Architektur – will weder Chronologie der Schrecken noch Hommage sein. "Es geht rein darum, warum diese Figur so viele Menschen beeinflusst hat", betont Wride – damals und heute. "Jeder wollte Zugang zu ihr, sie wollte Privatsphäre. Genau dafür wurde sie kritisiert." Er zieht einen Vergleich zu Prinzessin Diana. Das öffentliche Interesse an  beiden jungen Frauen aus königlichem Hause war enorm; doch wo (zu) wenig Informationen vorhanden seien, werden Gerüchte gestreut, Intrigen gesponnen. Fake News, wie man heute sagt. Und beide erlitten einen tragischen Tod.

Die Mär, dass die schicksalhafte letzte Königin Frankreichs noch immer durch die Gemäuer der Conciergerie geistert, möchte man nach dem Besuch gerne glauben. Für ein bisserl Monarchie-Zauber ist man als gelernter Österreicher ja empfänglich.

Die weiteren großen Herbst-Exhibitons in Paris

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Anreise: Level fliegt zwei Mal täglich nach Paris (samstags ein Mal). Preise one-way ab 34,99 €.
flylevel.com

Klimafreundliche Anreise: Wien–Paris mit Nachtzug und TGV (ein Mal Umstieg, 13 Stunden) ab 59 € mit ÖBB-Sparschiene. Schnellste Verbindung: 10,5 Stunden

Ausstellung: "Marie-Antoinette, Metamorphosen eines Images", Conciergerie, 16.10.2019 bis 26.1.2020, 9 € (ermäßigt 7 €, Gruppentarife). paris-conciergerie.fr

Bars & Restaurants
– Restaurant "Les Éditeurs" (4 carrefour de l’Odéon)
– Neu: Nobel-Italiener "That’s Life" (179 Rue du Temple)
– Vins des Pyrenees (25 Rue Beautreillis)

Auskunft
– Infos für die Reise bei Atout France in Wien at.france.fr oder beim Tourismusamt Paris de.parisinfo.com
– Tipps für das Marais-Viertel mit Infos zu Marie-Antoinette parismarais.com