Leben/Reise

Expedition Antarktis: Mit der Omi am Ende der Welt

Als Volksschülerin wurde ich oft von meiner Omi von der Schule abgeholt, und wir haben am Nachmittag im Fernsehen zusammen „Menschen, Tiere und Doktoren“ geschaut. Meine Großmutter war immer eine große Tiere-Liebhaberin und ist auch jetzt noch Mitglied bei jedem erdenklichen Tierschutzverein. Und sie liebt das Reisen. Wenn wir ein Familienessen planen, dann ist es nicht am schwierigsten, einen Termin mit meinem Bruder zu finden, der quasi das halbe Jahr auf unterschiedlichen Kontinenten arbeitet. Auch meine vielarbeitenden Eltern oder meine Tante finden irgendwann einmal Zeit. Nur meine 70-jähirge Omi ist am geplanten Tag garantiert „leider schon in Island“ oder fliegt „da mit der Elfi nach New York“. Es kann ihr aber niemand böse sein, denn wer will nicht eine so lebenslustige, weltoffene Omi haben?

Sie erzählt mir viel von ihren Reisen, und ich frage sie gerne: Wie war es in Kuba? Wie hat dir Prag gefallen? Wie war es an der Ostsee? Und als sie dann einmal von der Antarktis geredet hat, eigentlich nur in der Theorie, hab‘ ich sofort gesagt: „Oh ja, das würde ich auch irgendwann gerne machen.“ Mit „irgendwann gerne“ hab‘ ich halt gemeint, wenn ich erwachsen bin und selbst genug Geld verdiene. Aber sie hat das nicht so gesehen und nachgefragt: „Würdest Du das wirklich gerne tun?“, um mir ein paar Monate später fast beiläufig mitzuteilen: „Du, ich hab‘ die Antarktis jetzt gebucht, ja? Also maturier‘ schön brav, damit wir gemeinsam verreisen können.“ Ein Traum wird wahr. Im Februar 2020 brechen wir auf.

Ein Stoßgebet - und Omis Anleitung fürs Daten-Roaming

„Natürlich steht sie schon vor der Tür, ich kenn‘ doch meine Mutter“, murmelt mein Vater neben mir am Fahrersitz, als wir Omi auf dem Weg zum Flughafen fünf Minuten vor der ausgemachten Zeit abholen. Die Vorfreude auf die bevorstehende Reise steht meiner Omi ins Gesicht geschrieben. Mir auch. Am Flughafen nimmt sie sich den Self-Check-In vor, als wäre sie Teil des Bodenpersonals. Das Warten am Gate zieht sich. Omi klappt ihr Handy auf, und ich muss schmunzeln, als ich auf ihrer Handyhülle das Post-It mit der Anleitung zum Ausschalten des Daten-Roamings sehe.  Nach dem ersten Flug und Omis größtem Alptraum (Flughafen Frankfurt) sind wir bereit für den Antritt zu unserem 13-Stunden-Trip nach Buenos Aires. Omi verkündet, dass sie im Flugzeug „erst einmal etwas Ordentliches zu trinken“ braucht, und damit ist bestimmt kein Tomatensaft gemeint. Wir schicken gemeinsam ein kurzes Stoßgebet in den Himmel, weil wir weit entfernt von der argentinischen Schulklasse sitzen, und prosten einander auf unseren Plätzen zum Abendessen mit einem Glas Wein zu.  Am nächsten Morgen sind wir zum ersten Mal in Südamerika. Wir warten gefühlt zwei bis fünf Werktage am Gepäcksband, was jedoch überhaupt kein Problem ist, weil wir beide äußert geduldig sind, und die Luftfeuchtigkeit auch nur etwa 100 Prozent beträgt.

Und trotzdem genießen wir bei einer Stadtrundfahrt die Architektur im Stadtviertel Palermo, schlendern durch das bunte La Boca, erfreuen uns immer wieder an den kleinen, alten Häusern, die sich zwischen den modernen Wolkenkratzern verstecken, spazieren über den historischen Plaza de Mayo und besuchen den außergewöhnlichen Friedhof La Recoleta im gleichnamigen Viertel, wo sich das Familiengrab der Eva Peron befindet. Am Abend fallen wir erledigt ins Bett und genehmigen uns ein nobles Abendessen – eine Packung Chips aus der Minibar. Danach schläft Omi über ihrem Sudoku ein. Am nächsten Tag landen wir in der südlichsten Stadt der Erde: Ushuaia. Dort sind wir plötzlich wieder wie in einer anderen Welt, mit milderen Temperaturen und einer einzigartigen Flora und Fauna. Unser Ausflug hier führt uns in den Nationalpark Tierra del Fuego, an dem die Panamericana endet, also die fast 18.000 Kilometer lange Route von Alaska nach Ushuaia. Das riesige Reservat liegt am Beagle Kanal, der Pazifik und Atlantik miteinander verbindet. Die Landschaft ist wunderschön, Omi und ich einigen uns darauf, dass es hier aussieht wie in einem Märchen.

Stürmisches Meer, der erste Eisberg

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Am 4. Februar ist es so weit: Wir gehen als eine der ersten an Bord der „Hanseatic Inspiration“ und  betreten bald unser Zimmer auf dem 7. Deck.  Das Schiff legt ab, wir sind beide einfach nur glücklich und voller Vorfreude. Nun stehen uns zwei Seetage bevor, in denen wir durch die berühmte Drake Passage fahren. Langweilig wird es auf dem Schiff allerdings nie. Jeden Tag gibt es diverse Vorträge von Experten an Board, und wir sind begeistert über das Wissen, das wir nun über Wale besitzen.  Zur „Pflicht“ gehört allerdings das Sicherheitstraining inklusive das Anlegen der Life Jackets, die sich nicht als Omis beste Freunde entpuppen. Während sie flucht und mit aller Kraft versucht, sich „den roten Panzer“ anzulegen, liege ich am Bett und lache Tränen.

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Am Abend sitzen wir im Nikkei-Restaurant des Schiffs, und ich bin ziemlich stolz darauf, dass Omi nun gerne japanisch-peruanische Fusionsküche isst. Ich animiere sie dazu, die Stäbchen zu verwenden, und obwohl sie anfangs sagt „Na, des kann‘ i ned“, schiebt sie sich wenige Minuten später doch noch sehr elegant eine Reisrolle in den Mund. Nach dem Essen nippen wir an der Bar beide an unseren Getränken und beobachten das stürmische Meer. „Ich freu mich so sehr, dass ich mit dir da bin“, sagt sie zu mir.  Zwei Tages später scheint nicht nur endlich die Sonne, wir sehen auch unseren ersten Eisberg. Am Morgen danach werde ich um 6.00 Uhr in der Früh von einer Durchsage geweckt – Orcas auf unserer Schiffseite! Wir springen beide auf und beobachten die springenden Riesen aus unserem Fenster. Sagenhaft. An Schlafen ist nicht mehr zu denken.  Neko Harbour heißt die erste Station, an der wir vormittags anlegen. Wir sind gespannt wie zwei Kinder zu Weihnachten. Als wir endlich Land betreten, sind Omi und ich sprachlos – und das heißt etwas. Um uns herum Eselspinguine, inmitten von ihnen schlafen zwei gigantische Weddellrobben.

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Wir können uns erst einmal fünf Minuten nicht vom Fleck bewegen, weil wir beide bereits 67 verschiedene Lieblingspinguine haben, die wir beobachten. Als wir es endlich schaffen, uns von ihnen zu lösen, spazieren wir durch den Schnee die Insel hinauf. Wir machen fleißig Fotos, lauschen den eselsartigen Schreien der Pinguine, aufgrund derer sie ihren Namen erhalten haben, und bemühen uns, jenen Gestank, den die kleinen Vögel absondern, zu ignorieren. Ein Stück weiter oben gehe ich dann ganz allein. Die Sonne scheint, der Schnee glitzert, zwischen den Eisstücken spiegelt das Wasser die Berge. Ich blicke hinunter auf meine Omi und dann wieder in die Landschaft. Vor lauter Glück rollt mir eine Träne über die Wange.  Mittags steht eine Zodiac-Rundfahrt im Paradise Bay auf dem Programm, und es ist in der Tat paradiesisch. Wir fahren durch das Eis zu den Schollen und lassen uns von Seeleoparden und Krabbenfresserrobben begeistern. Neben uns springen plötzlich Pinguine aus dem Wasser und tauchen wieder ab. Aber nicht nur die Tiere ziehen uns in ihren Bann, auch die unglaublich klare Luft, die unsere Lungen füllt, die Sonnenstrahlen auf dem Eis und das ansichtskartenartige Panorama beeindrucken uns.

Opa ist mit an Bord - als Erinnerung

Streiten tun wir kaum. Meist haben wir zusammen ziemlich viel Spaß und zerkugeln uns über so vieles. Aber auch ernste und tiefgehende Gespräche sind ein Teil unseres Großmutter-Enkelin-Repertoires. An einem Abend sitzen wir gemeinsam im Restaurant und plaudern über meinen Opa. So viele Geschichten gibt es über ihn, und einer Menge davon habe ich schon detailreich von Omi erzählt bekommen. Ich beobachte sie dabei gerne. Wenn sie über ihn spricht, hat sie immer ein Lächeln auf den Lippen und dieses Glitzern in den Augen. Manchmal fängt sie plötzlich an, zu lachen, weil ihr einfach etwas einfällt, was er vor 23 Jahren irgendwo gesagt hat. Als sie eines Abends wieder einmal über ihn spricht, kann ich mich nicht zurückhalten – mir laufen Tränen über das Gesicht. Und obwohl ich kurz traurig bin, ist es ein sehr schöner Augenblick, den ich mit niemandem außer meiner Omi teilen wollen würde.

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Auf dem Schiff plaudern wir mit vielen Menschen: „Oh, das ist aber schön, so eine Mutter-Tochter Reise!“ sagen viele. „Nein, nein“ sagt die Omi dann immer. „Das ist meine Enkelin!“ Sie sieht eben nicht aus wie 70, und so überraschen wir unsere Mitpassagiere immer wieder.  Wir stechen zwischen den vielen Paaren oder Freundesgruppen ja auch ziemlich heraus. Ich bin die Jüngste am Schiff, und sie ist vermutlich eine der Ältesten. An einem Tag sitze ich mit ein paar anderen an Deck. „Mit wem bist du unterwegs?“ fragt mich meine Sitznachbarin „Mit meiner Großmutter!“ erwidere ich. Sie schaut mich an und lacht: „Na, du hast aber Glück. Meine Oma hat mich ins Eisgeschäft mitgenommen und nicht in die Antarktis!“ Wir lachen beide, und ich stimme ihr zu. In den nächsten Tagen fahren wir durch den Lemaire Kanal zu Peterman Island, wo wir einen Spaziergang zu einem sogenannten Eisbergfriedhof machen. Wir sehen neben den Eselspinguinen auch Adeliepinguine. Viele von ihnen sind grade in der Mauser, also quasi beim Fellwechsel, wo sie nicht schwimmen gehen können und somit auch keine Beute haben. Omi bricht so etwas fast das Herz, und ich versuche ihr immer einzureden, dass das die Natur ist und es für die Pinguine normal ist.

Am südlichsten Punkt im Packeis

Am 10. Februar statten wir Brown Bluff einen Besuch ab. Das liegt bereits am antarktischen Festland am Eingang zum Weddellmeer, welches aufgrund der Eis- und Wetterbedingungen das letzte Mal im Jahr 2009 befahren wurde. Doch wir haben Glück und dürfen uns dieser unberührten Natur nähern, wo uns außer das Nichts weit und breit nur das Nichts erwartet.  Auf Brown Bluff erwartet uns außerdem ein Highlight der Reise, über das wir wohl für immer reden und lachen werden. Wir dürfen Adeliepinguin-Babys beobachten, wie sie ihren ersten Schwimmunterricht erhalten. Sie sind süß und tollpatschig, daher stehen wir eine gefühlte Ewigkeit da, schauen und zerkugeln uns über die tapsigen Vögel, wie sie sie alle nacheinander ins Wasser springen oder eher hineinstolpern.  In den nächsten Tagen geht es weiter durch das Weddellmeer, und trotz des eisigen Windes stehen wir in unsere Parkas gehüllt vorne an Deck und beobachten, wie das Schiff durch das Eis schneidet. Es fühlt sich mächtig an, und wir sind wieder einmal fasziniert von Landschaft und Natur. Wir erreichen unseren südlichsten Punkt auf 64 Grad Breite, weil das Packeis dann endgültig eine Weiterfahrt verhindert.

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Am 13. Februar erleben wir unsere letzten Anlandungen. In der Früh verabschieden wir uns von unseren geliebten Pinguinen auf Half Moon Island und stoßen anschließend beim Frühstück auf meinen geliebten Großvater an, der heute seinen 75. Geburtstag gefeiert hätte. „Was würde sich der freuen, dass wir zwei zusammen da sind“ sagt meine Omi fröhlich. Am Nachmittag besuchen wir die Vulkaninsel Deception Island und ihre Calderas (Kessel). Wir beobachten einige Lebensmüde bei ihrem „Polar Plunge“ im zwei Grad kalten Wasser. Es schüttet in Strömen, und Omi sagt, so ist der Abschied leichter. Ich umarme sie. Sie hat die Erfüllung eines Lebenstraums möglich gemacht. Wir befinden uns nun auf Kurs zurück nach Ushuaia.

INFO:

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Klimafreundliche Anreise: Antarktis-Kreuzfahrten starten in Ushuaia, wer die Emissionen kompensieren will, zahlt via climateaustria.at ab Wien (über Buenos Aires) 91,35 €

Angebot: Expedition Antarktis mit der „Hanseatic Inspiration“ ab/bis Ushuaia, Termin z.B. 3. bis 21. Jänner 2021,  18-Tages-Seereise inkl. Sonderflüge ab 15.570 €, inkl. An- und Abreisepaket ab 17.540 €. Oder von 21. Jänner bis 2. Februar 2021, 12-Tages- Seereise, inkl. Sonderflüge ab 10.745 €, inkl. An- und Abreisepaket ab 12.385 €. Jeweils inkludiert: Linienflug ab Wien über Frankfurt nach Buenos Aires, Stadtrundfahrt und ÜN, Sonderflug nach Ushuaia, ÜN in Ushuaia gegen Aufpreis, Besichtigung des Nationalparks Tierra del Fuego im Süden Feuerlands.

Kontakt und Buchung: Hapag Lloyd Cruises Tel. +49 (0)40/30703070, hl-cruises.de

Tierwelt in der Antarktis

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