Eine ungewöhnliche Zeitreise im Spreewald
Von Maria Gurmann
Als Heinrich Steffen 1887 mit seiner Frau Anna nach Burg kam, wollte er sich als Homöopath niederlassen. „Das ist aber krachend gescheitert, weil die Menschen hier im Spreewald von einer unverwüstlichen Gesundheit waren“, erzählt Ingmar Steffen, der Urenkel des aus Berlin stammenden Multitalents, der Mediziner, ausgebildeter Kunstmaler, Musiker und Schriftsteller war. „Die Bauern holten erst Hilfe, als der Tod schon am Bette stand“, liest Ingmar aus dem Tagebuch seines Urahns vor.
Über die Malerei kam der Arzt zur Fotografie, er meldete 1887 den Handel mit Bildern an. Arm waren die Leute damals. Die Arbeit war durch die 300 Fließe (Kanäle) erschwert. Alles musste über das Wasser transportiert werden, Hoch- und Niedrigwasser taten ihr Übriges. Heute freuen sich Besucher aus aller Welt, mit dem Paddelboot auf einem Kahn oder Stand-up-Board durch die Fließen des Spreewalds – auch Amazonas Deutschlands genannt – zu gleiten.
1898 brachte der Kleinbahnanschluss die ersten Touristen. Heinrich Steffen fotografierte die Töchter und Frauen der Berliner und Dresdner Urlauber in der wendischen Tracht der Lausitz. „Das war der Renner“, erzählt Ingmar, führt durch die Gaststube, an deren Wänden alte Schwarz-Weiß-Fotografien von seinen Vorfahren hängen.
In einer mit Kordel abgegrenzten Ecke stehen die Arzneifläschchen, altes Porzellan und viele Memorabilia aus 133 Jahren. Schon Erhard, der Vater des 61-jährigen Gastwirts, begann den Nachlass zu durchforsten. Ingmar führt die Erforschung der Familien-Geschichte mit Begeisterung fort. „Meine Großmutter wurde sehr alt, so konnte mein Vater noch viele Geschichten erfahren.“
Wie diese: Nach dem Ersten Weltkrieg kamen die zermürbten Soldaten heim. Heinrich sagte „Wir haben zwar nichts zum Essen, aber wir wollen was zum Lachen haben“ und baute aus dem Fotoatelier einen Kinosaal. Der museale 36-Millimeter-Filmprojektor steht heute dekorativ in der Gaststube. Ingmars Großmutter verkaufte die Karten, der Großonkel spielte Klavier, der Großvater Max kurbelte mit der Hand die Stummfilme von Charly Chaplin und Buster Keaton ab. „Erst waren alle Gäste deprimiert und muffig, nach einer Stunde sind sie vor Lachen auf dem Boden gelegen, haben sich das Bier hineingekippt und geschrien ,Max, noch einmal!’“, erzählt der Wirt.
In den DDR-Zeiten wurde aus dem Gasthaus wieder ein Fotoatelier, bis zur Wende. Mit den Smartphones ging das Geschäft bergab, dafür kamen mehr Touristen. Ingmar hörte auf seine Frau, die sagte: „Ich kann kochen, Geschichten erzählen kannst du und unser Sohn macht das Service.
Wir machen wieder eine Gastronomie.“ Das DDR-Interieur flog raus, nach Originalplänen ist das Gasthaus des Gründers wieder auferstanden. Und die Modelleisenbahn im Gastgarten dient als Zeitvertreib für Kinder, während Ingmar Steffen den Eltern seine Geschichten im Café Geschichtsstüberl erzählt.maria gurmann
Tipps
Essen: Köstliche Quark-Plinzen vom Geschichtsstüberl. Am Hafen 2, Burg, Tel. +49 151 50 52 01 01
Übernachten: Die Bleiche Resort & Spa in Burg, großzügiger Wellnessbereich mit riesengroßen offenen Kaminen, geschmackvoll eingerichtet, direkt an den Kanälen mit Bootsanlegestelle, bleiche.de
Ausflug: Der einzigartige Fürst-Pückler-Park und das Schloss Branitz in Cottbus, pueckler-museum.de