Ausflug in die Straßen des alten Rom
Auf insgesamt neunzig Kilometer schätzt man heute das stadtrömische Straßennetz der Antike. Voll, chaotisch, laut, verdreckt und vor allem ohne Namen und Hausnummern. Je enger und kürzer die Gasse, umso wahrscheinlicher war es, dass sie damals namenlos blieb. Statt „Waldweg 22“ waren absurde Wegbeschreibungen völlig normal, wie sie etwa in der Komödie „Adelphoe“ („Brüder“, 160 vor Christus von Terenz) überliefert sind: „Kennst du die Säulenhalle beim Fleischmarkt da unten“ – „Ja, klar!“ – „Geh’ da vorbei, gerade aus die Straße hoch. Wenn du oben angekommen bist, führt ein abschüssiger Weg direkt nach unten. Den laufe hinunter. Dann liegt linker Hand ein kleiner Tempel, gleich nebenan eine Gasse.“ – „Welche meinst du?“ – „Die, wo noch ein hoher Feigenbaum steht.“ – „Kenn ich.“ – „Da geh weiter ...“ und so weiter und so fort.
Keine Via weit und breit
Auch mit einem anderen Irrtum räumt Karl-Wilhelm Weeber in seinem neuen Buch für antikenbegeisterte Rom-Reisende auf. In der oben angesprochenen Komödie, die sich über die römischen Wegbeschreibungen lustig macht, kommt das Wort via kein einziges Mal vor. Tatsächlich wurden so nur die Überlandstraßen genannt, die sternförmig von Rom aus in alle Himmelsrichtungen gingen. In der Hauptstadt nannte man nur zwei Straßen via: Die Sacra Via (das „sacra“ gehört übrigens tatsächlich nach vorne gestellt), die über das Forum Romanum führte und die Nova Via, eine uralte Durchzugsstraße zwischen dem Nordrand des Palatins und dem Kapitol.
- Clivus Publicus: Die Straße vom Circus Maximus den Aventin hinauf wurde 240 v. Chr. als erste gepflastert.
- Sacra Via: Avancierte gemeinsam mit dem Vicus Tuscus zum Treffpunkt des römischen Geldadels. Die Saepta (Säulenhalle) in der Nähe des Pantheons war der Hotspot für Luxuswaren.
- Forum Boarium: Entertainment-Meile der Antike. Hier gab es Circusprozessionen und Triumphzüge.
Stattdessen gingen die alten Römer auf clivus (Hügelstraße), semita (Pfad) oder scalae (Treppen). Wobei das mit dem Gehen schon damals relativ war: Karren, Packtiere und Träger verstopften die Wege ständig. Um das Hindernis-Potenzial der Lasttiere einzuschätzen, vor allem, wenn sie nicht in Bewegung waren, schreibt Weeber: „Die Gesamtzahl der in Rom eingesetzten Tragetiere wird ganz grob auf 5.000 bis 10.000 geschätzt.“ Caesar beseitige das Verkehrsproblem dann im Jahr 45 vor Christus mir Lex Iulia municipalis: Er erließ das erste Tagesfahrverbot der Geschichte. Es blieb bis zur Spätantike in Kraft und erlaubte nur Fahrten im öffentlichen Interesse.
Wie es sich für ein Buch über die Straßen Roms gehört, hat man nach Lektüre der 226 Seiten auch viel unnützes Wissen über Straßenhändler, -mädchen, -theater, -dreck, -musikanten und fehlende -laternen angehäuft.
Buchtipp: Karl-Wilhelm Weeber: „Die Straßen von Rom. Lebensadern einer antiken Großstadt“, 25 Euro, wbg Theiss