Leben

Psychologie: Schärfen Sie den Blick fürs Positive

Kennen Sie die Geschichte von den zwei Fröschen, die in eine große Schüssel voll Milch kletterten? Als sie wieder raushüpfen wollten, rutschten sie immer wieder von der Gefäßwand ab. Die Lage schien hoffnungslos.
Sagte der eine Frosch voller Pessimismus: „Das Schicksal ist gegen uns, ich geb’s auf.“ Er hörte auf, sich zu bewegen und ertrank.  „Ich kann schwimmen“, dachte sich der zweite Frosch und strampelte unbeirrt weiter – bis die Milch zu Butter wurde. Er stieß sich ab und entkam. Das Gleichnis zeigt: Wer nicht daran glaubt, an seiner Situation etwas ändern zu können, wird tatenlos untergehen. Wer jedoch trotz scheinbar aussichtsloser Lage  weiterringt, hat durchaus die Chance zu entkommen.

 

Alle Inhalte anzeigen

Zuversichtliche Menschen grübeln weniger
Für  Optimismus-Skeptiker: Es gibt Studien, die zeigen, warum eine positive Einstellung Menschen im Leben enorm weiterhilft. Zuversichtliche Menschen grübeln weniger, haben einen niedrigeren Blutdruck, ein besseres Immunsystem, gehen gelassener mit Stress um und sind ganz nebenbei auch noch beliebter und leistungsfähiger.

Realistisch pessimistisch ist auch noch okjay
Der Pessimist hingegen neigt zum Schwarzsehen, und wenn er das allzu sehr betreibt, kann es passieren, dass Menschen ihm sogar lieber aus dem Weg gehen, er einsam und depressiv wird.
„Umgib dich mit optimistisch denkenden Menschen“, rät auch Eckart von Hirschhausen, Comedian, Moderator und zugleich Deutschlands berühmtester Arzt. Denn die Spiegelneuronen, das Resonanzsystem im Gehirn, sorgen dafür, dass Gefühle ansteckend sind.
Sollte man Pessimisten also lieber aus dem Weg gehen? „Ja und Nein“, sagt Natalia Ölsböck, Psychologin und Buchautorin („Mehr Leichtigkeit“, Goldegg Verlag). „Wer optimistisch bleiben will, dem tut ein bejahender Mensch natürlich gut.“ Doch der Pessimist an sich habe auch seine Vorzüge: „Er hat die Fähigkeit, analytisch zu denken, nachzuhaken, Fehler zu finden. Voraussetzung ist, dass er realistisch pessimistisch denkt und agiert.“ Er ist auch jener, der erkennen kann, was es braucht, um sich auf kritische Situationen vorzubereiten. Den Plan B hat er immer im Kopf und Gefahren sieht er im Voraus. Wäre er der dritte Frosch im Bund gewesen, er wäre vermutlich erst gar nicht in die Schüssel gesprungen.

 

Alle Inhalte anzeigen

Leichter, nicht leistungsorientierter
Jeder trägt pessimistische und optimistische Anteile in sich. Die meisten Menschen in relativ ausgewogenem Maß. Mal ist man positiver, mal negativer gestimmt. In welche Richtung das Pendel ausschlägt, hängt auch von der jeweiligen Lebenssituation und -erfahrung ab. Ob man eher schwarz oder rosarot sieht, ist nur zu 25 Prozent genetisch festgelegt. Die Basis für unsere gefühlte Welt wird  in den ersten Lebensjahren  geschaffen – Kinder, die Geborgenheit erfahren, werden der Welt als Erwachsene eher zuversichtlich begegnen.
 Psychisch gesunde Menschen, die einen gelernten Hang zu eher negativen Gedanken und Gefühlen haben, können dennoch selbst etwas für ihre Grundstimmung tun (siehe ganz unten). Am besten jedoch ohne zu hohe Ansprüche und Erwartungen an sich selbst zu stellen. Das Leben soll ja leichter werden, nicht leistungsorientierter.

Positive Haltung statt Negativspirale
Psychologin Ölsböck ist überzeugt, dass es lohnt, sich in positiver Haltung zu üben: „Wenn es uns gut geht, sind wir offen und ziehen auch eher Gutes an. Wenn es uns nicht so gut geht, wir keinen Ausgleich finden, wird schnell alles zu viel und wir beginnen, Situationen aus dem Weg zu gehen.“ Das führt zu einer fatalen Negativspirale, die uns in den sogenannten Vermeidungsmodus treiben kann. Die Folge: Man geht  allem, was stressig, anstrengend und schwierig erscheint aus dem Weg. Und plötzlich sind sogar die Treffen mit Freunden oder das Aufstehen in der Früh zu viel. Hält diese Situation an, geht selbst der kleinste Funke von Optimismus und Zuversicht  verloren. „Wir machen zu und unser Fokus wird eingeengt. Jetzt sehen wir nur noch, was negativ ist. Positive Seiten, aus denen wir unsere inneren Ressourcen speisen könnten, nehmen wir nicht mehr wahr und können sie somit auch nicht nutzen“, so Natalia Ölsböck.
Da das Leben nicht stagniert, der Mensch und seine Umfeld immer im Wandel sind, ist es wichtig, mit Krankheit, Tod, Unglück und anderen Widrigkeiten des Daseins umgehen zu lernen.

Aus Notlagen dazulernen
Die Forschung zeigt, wie essenziell die psychische Widerstandsfähigkeit ist, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen. Denn  wir können aus jeder Notlage dazulernen. „Es gilt zu akzeptieren, was furchtbar  und nicht änderbar ist, aber auch zu erkennen, was daraus entstehen kann“, so die Psychologin. Zum Beispiel, dass Familie und Freunde für einen da sind, man näher rückt. „Selbst in schwierigen Zeiten kann Gutes drin liegen.“ Die Gabe, das zu spüren, gibt neuen Mut. Dazu gehört auch die Kraft und der Glaube daran, Einfluss aufs eigene  Handeln nehmen zu können. Die Psychologie nennt das Selbstwirksamkeit. Eine Voraussetzung, um dem Leben offen zu begegnen.

Immer glücklich? Blödsinn!
Ist das sogar die Formel, um endlich glücklich zu werden? „Der Anspruch, dass man immer glücklich sein muss, ist völlig übertrieben und setzt nur unter Druck“, warnt Natalia Ölsböck. Viel wichtiger sei es, sich immer wieder selbst positiv auszurichten und zu prüfen, wie es um einen steht. In einer Welt, die sich permanent verändert, wir gefordert sind, uns stets neu zu orientieren, ist das umso wichtiger. Klingt anstrengend, hilft aber enorm. Denn: „Es nicht zu tun, ist viel, viel anstrengender!“, betont Ölsböck. „Weil im Vermeidungsmodus enorm viel psychische Energie verbraucht wird, um sich vor Negativem und Belastendem zu schützen. Während wir für Positives, das uns mit psychischer Energie speist, nicht mehr empfänglich sind.“

Kraft des Neubeginns
Es lohnt sich also, optimistisch ins Leben zu gehen. Gerade jetzt zu Jahresbeginn ist ein idealer Zeitpunkt, um den Blick fürs Positive zu schärfen. Sinnstiftende Ziele sind übrigens optimal dafür geeignet. Sie helfen einem, sich weiterzuentwickeln und das tut einfach gut. Der Rat der Psychologin: „Der Jahreswechsel eignet sich, um zurückzublicken und voller Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Denn da steckt die Kraft des Neubeginns drin.“ Nein, natürlich ist die Welt nicht rosarot. Aber „eine positive Zukunftsvision ist besser, als alles mit grauer Brille zu betrachten“.

5 Wege zum Optimismus

Von Psychologin Natalia Ölsböckwww.oelsboeck.at

1. Humor hilft.   Über sich selbst lachen zu können und sich seinen Humor auch in Krisenzeiten zu bewahren, ist wichtig. Zudem kann regelmäßiges bewusstes Lächeln ein Werkzeug sein – eine Übung, um die eigene Stimmung auf Dauer zu verbessern, indem man dabei an schöne Erlebnisse denkt. Gestehen Sie sich aber auch ein, dass es einem nicht immer gut geht, und sich das auch nicht immer einfach
so weglächeln lässt.
 2. Anderen Gutes tun. Das treibt einen an und hält aufrecht. Man hat automatisch das Gefühl, etwas zurückzubekommen. Auch weil man weniger nur um das eigene Schicksal kreist.
3. Ehrliches Mitgefühl zeigen. Das wirkt positiv auf den, der es bekommt und auf den, der es empfindet. Es ist die Fähigkeit, sich ganz auf einen anderen Menschen einzulassen. Das funktioniert bei fremden Menschen, zu denen wir Distanz haben, noch besser als bei jenen, die uns sehr Nahe sind. Denn bei Letzteren wird das eher als selbstverständlich erlebt.
4. Finden Sie eine positive Zukunftsvision für sich. Ziele zu haben, stiftet Sinn.
5. Positives erkennen. Schreiben Sie jeden Abend auf, was am Tag gut war. Auch Kleinigkeiten zählen. Der Effekt ist, dass wir Tag für Tag lernen, mehr Positives als Negatives wahrzunehmen.

Natalia Ölsböck lehrt an der Österreichischen Akademie für Psychologie die Fächer Positive Psychologie und Resilienzforschung. Die
Niederösterreicherin ist Autorin des Buches „Mehr Leichtigkeit“, das Ende Jänner in 2. Auflage im Goldegg Verlag erscheint.