Leben/Mode & Beauty

Wien in Mode: Die Designschmiede der Haute Couture

Was haben Michelle Obama, Kylie Minogue oder Prinzessin Eugenie gemeinsam? Sie tragen Mode aus Österreich. Die internationale Modeszene reißt sich derzeit um Couture mit Wiener Wurzeln.

Dabei ist Wien, im Gegensatz zu Paris, New York oder auch Berlin, alles andere als eine Modestadt. Weder gibt es hier international relevante Modemessen, noch lässt das Stadtbild auf besondere Designaffinität schließen.

Tatsächlich liegt der Mann, der die Modewelt revolutionierte, am St. Marxer Friedhof im 3. Wiener Gemeindebezirk begraben.

Der Tiroler Schneidermeister Josef Madersperger stellte 1814 die erste Nähmaschine vor, die die Bewegung der nähenden menschlichen Hand nachahmen konnte. Auch die Erfindungen des Wiener Unternehmers Johann Nepomuk Reithoffer prägten die Haute Couture: Er machte Mitte des 19. Jahrhundert erstmals elastische Mieder möglich und wenige Jahrzehnte später befreite die Modeschöpferin Emilie Flöge die Frauen wieder von Korsett und Mieder: Mit dem Reformkleid war ein Meilenstein der Mode geboren.

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So gesehen ist es kein Wunder, dass die Modewelt heute erneut auf Österreich blickt. Internationale Modehäuser reißen sich um junge Designer, die hier groß geworden sind. Absolventen der Modeklasse der Universität für Angewandte Kunst übernahmen leitende Funktionen bei renommierten Modehäusern wie Acne Studios, Balenciaga, Burberry, Comme des Garçons, Junya Watanabe, Kenzo, Lanvin, Prada oder Louis Vuitton.

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Modedesigner Arthur Arbesser gilt international als Rising Star der Mode-Szene: Der Wiener war lange bei Armani, bevor er sein eigenes Label gründete. Seit 2017 ist er Kreativchef der italienischen Traditionsmarke Fay. „Wien ist ein guter Ort, um Ideen und klare Linien zu sammeln– und lässt einen, frei von allgemeinen Trends, seine eigene Sprache entwickeln“, sagt Arbesser im KURIER-Gespräch. „Wien war um die Jahrhundertwende eines der absoluten Zentren der Welt – da hat es vor Kreativität, Erfindungsgeist und Genialität nur so gestrotzt. Das ist heute eventuell ein bisschen anders, aber diese Geschichte ist nach wie vor wichtige Basis für die darauf folgenden kreativen Generationen.“

Zu Arbessers Fans zählt unter anderem Maurice Ernst, Frontman der Band Bilderbuch. Ernst, laut Magazin GQ „bestangezogener Österreicher“, trägt oft Austro-Mode. So trat er etwa beim Frequency-Festival 2017 im Anzug des österreichischen Modelabels Wendy Jim auf, das auch für die kanadische Musikerin Peaches Outfits kreiert.

Auch Petar Petrov, gebürtiger Bulgare, der an der Angewandten in Wien bei Raf Simons und Viktor &Rolf studierte, ist ein heißer Modeexport. Zu seinen Fans zählen Hollywood-Stars wie Anne Hathaway oder Lily James.

Der aus Wörgl stammende Modedesigner Peter Pilotto kleidet unter anderem Rihanna ein. Pilotto-Fan ist auch Queen-Enkelin Prinzessin Eugenie – sie heiratete sogar in einem Kleid des Tirolers.

Dass internationale Stars bei österreichischen Modehäusern einkaufen, ist nicht neu: Der 1858 vom Schneider Josef Kniže gegründete Salon gilt als erster Herrenausstatter weltweit. Hier ließen Billy Wilder oder Marlene Dietrich Fracks schneidern, Marilyn Monroe ließ Blusen anfertigen und Thomas Bernhard verewigte den noblen Salon in seinem Roman „Wittgensteins Neffe“.

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Schon vor mehr als hundert Jahren blickte die internationale Modewelt nach Wien: Der Pariser Star-Couturier Paul Poiret reiste damals zum genialen Pionier der Wiener Mode, Eduard Josef Wimmer-Wisgrill, der die Modeabteilung der Wiener Werkstätte gegründet und damit eine Moderevolution ausgelöst hatte. Der Schüler des Architekten Josef Hoffmanns hatte zuvor das von seinem Professor errichtete berühmte Palais Stoclet in Brüssel besucht und sich entsetzt von Madame Stoclet und ihrer Kleidung gezeigt. Wimmer-Wisgrills Meinung nach harmonierte die nach der neuesten Pariser Mode gekleidete Madame „stilistisch“ nicht mit ihrer Umgebung. Für die Bewohnerinnen von Wiener Werkstätte-Häusern sollte man eine zu diesen passende „Wiener Mode“ schaffen – was Wimmer-Wisgrill mit der Modeabteilung der Wiener Werkstätten dann auch tat. Paul Poirets Pariser Modeatelier wurde nach eben diesem multidisziplinären Vorbild gegründet.

Für Gerald Bast, Rektor der Angewandten, liegen die Gründe für das enorme Wiener Kreativitätspotenzial in einem „Klima, wo sich Kulturen treffen, austauschen, auch aneinander reiben. Das ist kreativitätsfördernd. Das haben wir schon einmal erlebt, nämlich am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert, wo Wien eine Blütezeit erlebt hat – nicht zuletzt, weil es Knotenpunkt unterschiedlicher Nationen und Kulturen war. Außerdem: Österreich ist ein kleines Land. Man muss sich besonders bemühen, um in der Welt bestehen zu können. “

In der Welt bestehen konnte auch der aus dem 22. Wiener Gemeindebezirk gebürtige Peter Scepka, später bekannt als Helmut Lang. 1979 eröffnete er mit 23 Jahren als Autodidakt eine Mode-Boutique in Wien, in der er selbst entworfene, betont schlichte Kleidung verkaufte. 1980 präsentierte Lang seine erste Prêt-à-porter-Kollektion. Seine nüchternen Entwürfe machten Lang, der heute als Künstler in New York lebt, zu einem der größten Stars seiner Generation und sind heute noch stilbildend.

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Zu den künftigen Stars zählt zweifellos Christoph Rumpf. Voriges Jahr präsentierte der Grazer seine Entwürfe noch bei der Show der Angewandten, jetzt gewann der 25-Jährige den Hauptpreis beim internationalen Mode- und Fotografie-Festival von Hyères in Frankreich. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis ist eine der wichtigsten Auszeichnungen der Modewelt und ein wirkliches Sprungbrett: Begleitet wird er von einem Designprojekt mit dem Modehaus Chanel. Was Rumpf zum Wiener Mode-Wunder sagt? „In Wien hat man Freiheit. Der Alltag ist nicht so hektisch wie etwa in London. Gute Mode entsteht für mich dann, wenn ich lang daran arbeiten kann. Wien gibt mir diese Zeit. Außerdem ist die Stadt inspirierend, schon der Architektur wegen.“ Nicht zuletzt ist es das Flair der Angewandten, das Rumpf geprägt hat: „Ich liebe den Mix aus kreativer Freiheit und Liebe zu traditionellem Handwerk an der Angewandten. Die meisten Unis bieten nur das Eine oder das Andere.“

Jung-Designer der Modeklasse zeigen, was sie können

Seit Beginn der 1980er Jahre wird die Mode-Professur der Angewandten mit international erfolgreichen  Designern wie Karl Lagerfeld, Jil Sander, Vivienne Westwood, Helmut Lang, Raf Simons, oder Bernhard Willhelm besetzt. Bei der Modeschau der Angewandten sind auch die Arbeiten der heuer acht  DiplomandInnen  zu sehen. Do, 6. Juni,  Universität für angewandte Kunst Wien. Vordere Zollamtsstraße 7, 1030 Wien. Show 1: Einlass 18 Uhr, Beginn 18.30 Uhr Show 2: Einlass 20 Uhr, Beginn 20.30 Uhr.