Leben/Mode & Beauty

Vom Corona-Cut zum "Gammler": Kurioses Wissen über Haare

Würde es nicht so komisch klingen, könnte man auch sagen: Haare sind derzeit in aller Munde. Zumindest die Sorge, sie würden uns über den Kopf wachsen, existiert. Unter dem Hashtag #coronahaircuts (auf Deutsch: Coronahaarschnitte) finden sich in den sozialen Netzwerken mittlerweile unzählige Haarschneideversuche – und viele Faux pax. Und auch die Suchanfragen zum Thema "Haare selber schneiden" stiegen steil an. Jetzt heißt es: Durchhalten - bald hat der Wildwuchs ein Ende, denn mit zweiten Mai dürfen die Friseure wieder Hand anlegen. Der Run auf die Termine ist groß – bis es so weit ist, sollte wir uns wirklich nur mehr theoretisch mit dem Thema „Haare“ befassen und nicht im Do-it-yourself-Verfahren herumpfuschen. Als Zeitvertreib ein paar Fakten.

Frisuren und ihre seltsamen Namen

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Beginnen wir gleich einmal mit Donald Trumps Frisur. Wussen Sie, dass es sich dabei um einen „Comb over“ handelt? So nennt man das, wenn die Haare von anderen Stellen raffiniert rübergekämmt werden, dass sie kahle Stellen verdecken. Und wenn wir schon beim Politiker-Haupt sind: Da wäre noch der „Slicked back“ – die „mittelkurze Herrenfrisur“, bei dem die Haare nach hinten gekämmt und mit Pomade oder Brillantine befestigt werden. Frisurennamen gibt es übrigens unzählige – vom Pony zum Pagenkopf, vom Pixiecut zum Shag – was ins Deutsche übersetzt „zottelig“ heißt, oder auch „leicht verwahrlost“. Der Look der Stunde quasi, statt des „natürlichen Bobs“ – der ebenso als Trendfrisur 2020 wie der „Undone Look“. Das wiederum bedeuet „wild und natürlich“ - als hätten die Frisuren-Trendsetter beim Erfinden neuer Schnitte bereits geahnt, was da auf uns zukommen wird.

Wer kann sich noch an den "Gammler" erinnern?

Erst die Elvis-Tolle, dann die „Pilzköpfe“ – als sich die Männer die Haare wachsen ließen, rollte eine Schockwelle durchs Establishment. Lange Haare waren mindestens genauso schlimm wie heimliches Onanieren. In der Presse tauchte das Wort „Gammler“ erstmals zwischen 1963 und 1965 auf – und geriet mehr und mehr zur abwertenden Bezeichnung junger Menschen, die sich dem Konformitätsdruck entziehen wollten. Das sagten die Eltern dazu: „Lange Haare, kurzer Verstand“. Tatsächlich markierten lange Männerhaare den Beginn großer gesellschaftlicher Veränderungen im damaligen Wertesystem.

Haare als Statement und John Lennons Locke

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Die Art, seine Haare zu tragen, war eben immer auch ein (kulturelles oder politisches) Statement. John Lennon und Yoko Ono nutzten sie beispielsweise als politisches Manifest – man denke an die Happenings „Bed Peace – Hair Peace“ in Montreal oder Amsterdam. „Haare haben symbolische Kraft, und jede Überschreitung der Konvention ist ein politischer Akt. Gleichzeitig sehe ich im Morgenritual des Bürstens, Gelierens, Rasierens, Toupierens eine kreative Handlung, mit der wir uns gestalten und outen – im Sinne der Anpassung oder Verweigerung, der Provokation oder des Spiels“, schreibt Anka Schmid im Buch „Haarig!“ (Edition Zeitblende). Achja: Eine zehn Zentimeter lange Locke von John Lennon wurde im Jahr 2016 um 35.000 US-Dollar versteigert. Sie wurde dem 1980 verstorbenen Musiker im Jahr 1966 abgeschnitten.

Was bitte sind Struwwelpeter-Gene?

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Nein, diese Gene sind keine Erfindung der Friseurinnung, sondern die gibt es wirklich. Entdeckt wurden sie 2016 – das damit verbundene Phänomen heißt „Syndrom der unkämmbaren Haare“, es kommt vor allem bei Kindern vor. Der Grund dafür sind drei Genmutationen, die Arbeit dazu wurde im „American Journal of Human Genetics“ veröffentlicht. Das Phänomen bessert sich mit Einsetzen der Pubertät.

Die längsten Haare der Welt und was wir daraus lernen können

Laut Guinness-Buch der Weltrekorde ist die Chinesin Xie Qiuping der Mensch mit der längsten Haarpracht weltweit – ihr Haar ist 5,62 m lang (gemessen 2004). Sie begann im Jahr 1973 sich die Haare wachsen zu lassen – da war sie 13 Jahre alt. Die 16-jährige Nilanshi Patel  aus Indien trägt wiederum einen 1,75 m langen Zopf, den sie seit ihrem sechsten Lebensjahr wachsen lässt. Für Zeiten wie diese scheint sie ein Role Model, sie sagte: „Ich ließ mir die Haare schneiden und das Resultat war wirklich furchtbar. Also beschloss ich, mein Haar nicht mehr zu schneiden.“

Und wo bitte liegt das Dorf der langen Haare?

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In Südchina, in Huanglo, lebt die nationale Minderheit „Yao“. 80 der dort lebenden 120 Frauen haben Haare, die länger als 1,4 m sind. Sie alle beginnen im Alter von 12 Jahren, sich die Haare wachsen zu lassen. Werden sie dennoch geschnitten, werden sie aufbewahrt wie ein Schatz. Die Frauen wickeln sich die Haare um den Kopf und pflegen sie akribisch. Es werden nur spezielle Holzkämme benützt, gereinigt wird mit Wasser, in dem zuvor Reis gewaschen wurde, dazu kommen spezielle Kräuterzusätze. Das Dorf der langen Haare gilt mittlerweile als touristische Attraktion.

Gleicht ein Haar dem anderen?

Nein. Ein Haar wächst zwischen zwei und sechs Jahren lang. Danach folgt eine Ruhephase von zirka ein bis vier Monaten, danach fällt das Haar aus und ein neues wächst aus der Haarwurzel nach.  Ein Kreislauf, der sich im Laufe des Lebens über 20 Mal wiederholt. So betrachtet, gleicht kein Haar dem anderen. Haare sind zirka 0,07 Millimeter dick. Nicht alle Menschen haben gleich viele Haare. Naturblonde Menschen haben mehr Haare, dunkelhaarige weniger.  Das Kopfhaar wächst zirka 0,35 Millimeter pro Tag, das bedeutet: alle drei Tage einen Millimeter und einen Zentimeter pro Monat.

Wer hat die Dauerwelle erfunden?

Das war der Friseurmeister Karl Ludwig Nessler in Todtnau, Schwarzwald. Er begann im Jahr 1906, einzelne Strähnen abzuteilen, und bearbeitete sie mit einer speziellen chemischen Flüssigkeit, die Haare wurden auf Metallstäbe gewickelt und noch dazu erhitzt. Nessler ging schließlich in die USA und ließ das Verfahren patentieren. Zuletzt boomte die Dauerwelle in den 1980er-Jahren - man denke nur an Jennifer Grey in "Dirty Dancing".

Zu guter Letzt ein haariges Zitat - aktueller denn je

Leo Tolstoi hat es notiert, in sein Tagebuch, im Jahr 1859: „Habe mir gestern die Haare schneiden lassen, und schon das kommt mir wie ein Zeichen meiner Wiedergeburt vor.“