Leben/Gesellschaft

Wie wenig Schlaf und das Risiko für Demenz zusammenhängen könnten

Kann Schlafmangel beziehungsweise schlechte Schlafqualität eine Auswirkung auf Gehirnfunktionen haben - und möglicherweise das Risiko für Demenz erhöhen? Antworten darauf waren bisher nicht eindeutig: Führt schlechter Schlaf zu einem geistigen Abbau - oder ist es andersherum, dass geistiger Abbau eine schlechte Schlafqualität begünstigt?

Doch jetzt zeigt eine neue Studie: Menschen, die in ihren 50-er und 60-er Jahren nicht ausreichend Schlaf bekommen, könnten in höherem Alter eher Demenz entwickeln.

8000 Menschen wurden in einer großen Studie in Großbritannien (Whitehall II) über einen Zeitraum von 25 Jahren immer wieder untersucht und auch zu ihrem Schlafverhalten befragt. Zu Untersuchungsbeginn (1985) waren die Studienteilnehmer 50 Jahre alt.

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Diejenigen, die durchgehend berichteten, im Schnitt sechs oder weniger Stunden pro Nacht zu schlafen, hatten im Studienzeitraum eine um 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine Demenzdiagnose als jene, die regelmäßig sieben Stunden lang schliefen.

"Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass fast drei Jahrzehnte vorher dieser (kurze, Anm.) Schlaf ein Symptom von (einer bereits bestehenden, Anm.) Demenz ist - deshalb ist das eine großartige Studie die Evidenz liefert, dass Schlaf tatsächlich ein Risikofaktor ist", sagt Kristine Yaffe, eine Neurologin und Psychiaterin an der Universität von Kalifornien, die nicht an der Studie beteiligt war.

Gehirnveränderungen wie die Ansammlung von krankhaft veränderten Proteinen beginnen ungefähr 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten erster Gedächtnisprobleme. Deshalb könnten bestimmte Schlafmuster in diesem Zeitraum ein beginnender Effekt der Erkrankung sein. Da bei dieser Studie aber die Teilnehmer zu Studienbeginn relativ jung waren, wird die Wahrscheinlichkeit, dass diese am Studienanfang noch keine derartigen frühen Veränderungen im Gehirn hatten, als relativ hoch eingestuft.

Studienteilnehmer mit psychischen Erkrankungen wie Depression wurden übrigens vor ihrem 65. Geburtstag aus der Studie ausgeschieden, um die Ergebnisse nicht zu verzerren. Denn Depressionen gelten als eigenständiger Risikofaktor für Demenz, andererseits sind aber auch psychische Gesundheitsprobleme stark mit unregelmäßigen Schlafgewohnheiten verbunden. Und auch andere mögliche Einflussfaktoren - Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsumfang, Gewicht, Ernährung, genereller Gesundheitszustand - wurden berücksichtigt.

Diese Studie ist zwar auch kein endgültiger Beleg für einen Zusammenhang, aber sie "zeigt eine wichtige Assoziation zwischen kurzem Schlaf und Demenzrisiko", zitiert die New York Times die Epidemiologin Pamela Lutsey von der Universtät Minnesota. "Kurzer Schlaf ist weit verbreitet und deshalb kann auch eine nur mäßige Assoziation mit Demenz auf Bevölkerungsebene wichtig sein. Und ein kurzer Schlaf ist etwas, was wir kontrollieren und verändern können."

Bisher gibt es mehrere Theorien über mögliche Ursachen eines derartigen Zusammenhangs:

  • Krankhafte Protein-Ablagerungen (sogenannte Amyloid-Plaques) nehmen offenbar zu, wenn Menschen unter Schlafmangel leiden.
  • Andere Studien zeigen, dass Schlaf wichtig ist, um das Gehirn von Protein(-bruchstücken) zu reinigen und auch um ihre Produktion zu reduzieren - und dass hier bestimmte Schlafphasen eine besonders wichtige Rolle spielen.
  • Eine weitere Theorie lautet: Je länger man wach ist, umso länger sind die Nervenzellen aktiv, umso mehr Amyloid wird produziert.
  • Es könnte aber auch indirekte Effekte geben: Langes Aufbleiben könnte den Konsum von fett- und zuckerreichen Snacks am Abend erhöhen, die Motivation für Bewegung senken, die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck erhöhen.

Die Studie zeigte übrigens auch einen sehr sehr schwachen (statistisch aber nicht signifikanten) möglichen Hinweis auf ein erhöhtes Demenzrisiko und eine durchschnittliche Schlafdauer von mehr als acht Stunden: Dafür gibt es allerdings keine Erklärung bisher. Möglich, dass eine zu lange Schlafdauer ein Symptom eines tiefer liegenden Gesundheitsproblems ist.