Studie: Bildung nicht nur Frage der Schuljahre
In vielen Entwicklungsländern ist in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Bildung eine Menge passiert: Viele Bevölkerungsgruppen haben Zugang zu Bildungsangeboten bekommen und auch die Zahl der durchschnittlich in der Schule verbrachten Jahre hat stark zugenommen.
Trotzdem hat die Kluft zwischen Ländern mit im Schnitt gut und solchen mit im Schnitt schlechter Ausgebildeten zugenommen, zeigt eine Studie österreichischer Demographen.
Für die im Fachjournal "PNAS" erschienene Arbeit erstellten die Wissenschafter um Wolfgang Lutz und Claudia Reiter vom Wiener Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital zwei verschiedene Auswertungen. Mit der einen maßen sie die im Schnitt im Schulsystem verbrachten Jahre (MYS/Mean Years of Schooling). Die andere ergab sich aus Studien wie PIAAC, einer Art PISA-Studie für Erwachsene der OECD, oder dem STEP-Programm der Weltbank und stellt eine qualitätsbereinigte durchschnittliche Zahl an Schuljahren (Skills in Literacy Adjusted Mean Years of Schooling/SLAMYS) dar. Damit sollen die tatsächlichen Fähigkeiten der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre) abgebildet werden. Verglichen wurden dann für 185 Länder und Regionen jeweils die Jahre 1970 und 2015.
Gute Zahlen für Österreich
Für Österreich ergab sich daraus ein Anstieg bei der durchschnittlichen Zahl an Schuljahren (MYS) von knapp neun in 1970 auf über zwölf Jahre in 2015. Noch stärker fiel sogar das "qualitätsbereinigte" Anwachsen (SLAMYS) aus - und zwar von knapp über acht auf rund 12,5 Jahre. Positiv: Die Qualität der Schulbildung ist damit sogar stärker gewachsen und liegt nicht mehr unter dem rein quantitativen Wert wie 1970, sondern darüber.
Noch viel größere Zuwächse verzeichnete etwa Südkorea: Mit Werten von 6,02 (MYS) bzw. 5,57 (SLAMYS) lag das Land 1970 noch jeweils weit hinter Österreich, 2015 war es in beiden Bereichen bereits vorbeigezogen - im qualitätsbereinigten (13,31) sogar noch stärker als im quantitativen (12,90). Aber auch Länder wie Finnland, Australien oder Japan steigerten ihre SLAMYS-Werte beträchtlich auf über 14 Jahre, in Japan sogar über 15.
Nur zum Teil erfreulich sind dagegen die Daten in den Entwicklungsländern: "Während Entwicklungsländer bei der Beteiligung an formaler Schulbildung rasch aufholen, geht die Schere zwischen gut und schlecht ausgebildeten Bevölkerungen weiter auf", so Reiter in einer Aussendung. "Sie hat sogar bis zu einem Äquivalent von über zehn Schuljahren zugenommen." Viele Länder in Afrika und Südasien hätten zwar ziemlich große Fortschritte bei der formalen Zahl der Schuljahre gemacht, aber nur marginale bei SLAMYS.
Regionen wie Afrika südlich der Sahara oder Zentral- und Südasien kommen etwa nur auf SLAMYS-Werte zwischen drei und fünf Jahren. Sie haben es also zwar geschafft, vielen Menschen Schulbildung zu ermöglichen bzw. deren Schulzeiten zu verlängern - gleichzeitig konnten sie in dieser Zeit aber grundlegende Skills nicht vermitteln. Auch Länder wie Indien (4,35) oder China (7,35) liegen bei SLAMYS noch zurück - letzteres holte seit 1970 aber stark auf. Trotzdem liegt der qualitative Wert für China (7,35) noch deutlich unter dem quantitativen (8,64).
Es gibt aber auch Modellländer in Problemregionen: Simbabwe konnte seinen SLAMYS-Wert zwischen 1970 und 2015 etwa von 2,23 auf 8,36 steigern. Damit liegt er nun in etwa im Bereich von Österreich im Jahr 1970. Gleiches gilt auch für Saudi-Arabien.
Das Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital wird von den Instituten für Demographie der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie dem Internationalen Institut für Angewandte System Analyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien getragen.