Graffitis: Wie sich Jugendliche im Stadtbild verwirklichen
Mit Graffitis wurde lange Sachbeschädigung durch gesetzlose Teenager verbunden – doch ein Spaziergang am Wiener Donaukanal zeigt Street-Art in ihrer künstlerischen Vielfalt. Das Festival „Calle Libre“ in Wien sorgte gerade wieder für kreative Inputs (der KURIER berichtete). Thomas Grötschnig von Vienna Murals dokumentiert die Kunst in seinen „Street Art Guides“ und online: „Wien ist die Stadt mit den meisten Flächen für Street-Art in ganz Europa. Die Szene ist sehr bunt und es gibt sogar sehr talentierte Teenager. Meistens lernt man von Freunden und geht regelmäßig zusammen malen. Viele Youtube-Videos zeigen die Techniken.“
Wer die Ferien für Street-Art-Sightseeing nutzen will, findet bei Vienna Murals viele Adressen, etwa beim Naschmarkt, Yppenplatz und natürlich beim Donaukanal.
Respekt vor anderen
Von Lio Ebenstein gibt es seit vier Wochen ein Werk am Wasser in der Wiener City – den Schriftzug „Non-binary is beautiful“. Neben dem Studium an der Hochschule für angewandte Kunst gibt Ebenstein als Trainer Sommerkurse für Kinder. Im Ferien4Kids-Camp dürfen sie in die Szene hineinschnuppern (siehe unten). Zu Beginn lernen die Teilnehmer ein ungeschriebenes Gesetz, erklärt Ebenstein: „Aus Respekt übermalt man ein Bild nur, wenn man etwas noch Besseres schafft. Natürlich kann ein Werk am nächsten Tag weg sein.“
Auch die rechtlichen Aspekte stehen auf dem Kursprogramm: „Ich diskutiere mit den Teilnehmern über den Unterschied zwischen Privateigentum, etwa Häusern und Autos, und dem öffentlichen Raum. Es gibt ja legale Wände, auf denen jeder sprayen darf, etwa am Donaukanal, wo ich mit den Schülern hingehe.“ Die Website spraycity.at bietet einen Überblick über solche offiziellen Flächen in jedem Bundesland.
Dass kürzlich ein Anstieg an Hausbeschmierungen gemeldet wurde, sage wenig über die Graffiti-Künstler aus, meint Ebenstein: „Es ist etwas anderes, ob jemand etwas hinschmiert oder ob man Street-Art schafft.“
Sprayen in der Schule
Die vergängliche Kunst auf der Straße würde wieder mehr wahrgenommen, seit der Künstler Banksy berühmt wurde: „Wenn er sprayt, steigt der Wert eines Gebäudes. Und immer mehr Schulen machen Projekte, bei denen die Jugendlichen sich in einem Street-Art-Workhop an den Wänden verwirklichen können. Das wird heute stärker als junge Kunst wahrgenommen als früher.“
Grötschnigs Bücher listen auch Galerien und Kuratoren auf, die sich um das Potenzial junger Künstler der „Urban Art“ bemühen. Am Anfang sprayen sie auf die Wände von Skateboard-Parks und Jugendzentren und dann verewigen sie sich an zentralen Orten. Die Profis gestalten sogar Fassaden für Auftraggeber. So etwa das Haus des Meeres oder das Café Florentin. Sie tragen dazu bei, der Jugendkultur in der Stadt ihren Platz zu geben.
Workshops: Gute Skizzen an der Wand umsetzen
Bevor ein fertiges Wandbild an einer Straßenmauer geschaffen wird, sind Wissen und Vorbereitung nötig. Kreative Feriencamps wie bei Ferien4kids oder die Workshops von Spraycity bieten eine Möglichkeit, um es auszuprobieren.
„Am Beginn erkläre ich, was mit Street-Art gemeint ist. Das ist der Überbegriff für die Kunst im öffentlichen Raum und eine Art davon ist Graffiti, also Schriftzüge. Sie werden entweder direkt oder mit einer Schablone aufgesprayt. Der erste Graffiti-Künstler malte sie noch mit dem Pinsel“, erklärt Lio Ebenstein das Workshopkonzept bei Ferien4kids. „Wir lernen technische Details wie die richtige Verwendung von Spraydosen mit dickeren oder dünneren Linien.“
Die Teilnehmer machen Skizzen und sprayen auf einen großen Karton, bevor sie sich an eine Wand heranwagen.
Wichtig ist auch die Sicherheit: „Die Teilnehmer arbeiten immer mit Maske, das ist auch bei den Profis so.“
Als Materialien dienen die Spraydosen, aber auch Malerfarbe: „Für einen Hintergrund ist es so schneller und billiger.“