Die Rückkehr des Räucherns
Von Ingrid Teufl
Reinigen, zur Ruhe kommen, harmonisieren oder auch böse Geister vertreiben: Das Verbrennen von getrockneten Harzen und Kräutern ist seit Jahrtausenden üblich – und erlebt in unserer technikaffinen, schnelllebigen Zeit gerade eine Renaissance. Als „Innehalten in der Schnelligkeit des Alltags“ bezeichnet es Annemarie Zobernig. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich mit der Kunst des Räucherns. „Das Räuchern findet wieder seinen Platz in unserem Alltag“, betont sie in ihrem Buch „Räuchern für die Seele“.
Vor allem rund um Weihnachten haben würzige Düfte wie Weihrauch Hochsaison. Das orientalische Baumharz gehört zur Tradition der christlichen Kirchen, hat aber auch reinigende und den Geist klärende Wirkung. „Wir merken, dass Räuchern momentan ein großes Thema ist. Viele Kunden interessieren sich derzeit für diese überlieferte Praxis“, sagt Apothekerin Marianne Freudenschuss, Besitzerin der „Sonnen-Apotheke“ in Wien-Pötzleinsdorf.
Das ganze Jahr über
In vielen Gegenden werden in den Raunächten zwischen Weihnachten und Dreikönigstag die Wohnräume noch immer „ausgeräuchert“. Der Überlieferung zufolge sollte das vor den bösen Geistern dieser dunklen Jahreszeit schützen. Für moderne Menschen zählt längst anderes. Gerüche öffnen schließlich den Weg in den Körper, etwa zu Erinnerungen oder Emotionen. Das spüren sogar rational veranlagte Menschen, ist Räucher-Expertin Zobernig überzeugt.
Vielfalt
Wer sich auf das Thema einlässt, ist schnell fasziniert von der Vielfalt. „Je nachdem, was ich bezwecke und welche Stimmung ich bearbeiten möchte, hat Räuchern das ganze Jahr über seine Berechtigung“, weiß Marianne Freudenschuß. „Es gibt ja viel mehr als nur Weihrauch, mit vielen Pflanzen kann man Entwicklungen anstoßen und die Stimmung verbessern.“ Sie setzt auf Mischungen aus mehreren Pflanzen, die etwa reinigend, harmonisierend oder aufbauend wirken. In ihrer Apotheke wird mittlerweile täglich geräuchert. „Wir finden, es bewirkt etwas. Man fühlt sich anders und die Atmosphäre ist für Kunden und Mitarbeiter besser.“
Egal, zu welchem Zweck man sich mit dem Räuchern beschäftigt: Manche vergleichen es mit einer Meditation. Durch das Bereitstellen des Zubehörs, das Auswählen des Dufts, das Beobachten der Rauchsäule, dem Riechen ist man auf eine Sache fokussiert und kommt zur Ruhe – äußerst wohltuend in einer Multitasking-Gesellschaft.
Kein Wundermittel
Dass sich Probleme durch ein bisschen Räuchern ganz von alleine lösen, darf man allerdings nicht erwarten, betont Annemarie Zobernig. Räuchern könne aber helfen, den Geist zu öffnen. Bei Veränderungen, etwa einem Wohnungsumzug, unterstützt Räuchern auch das Ankommen. Ob man nun nur zu Weihnachten räuchert, einen bestimmten Zweck verfolgt oder einfach entspannen möchte: Räuchern berührt in jedem Fall wohltuend unsere Sinne.
Den richtigen Duft und die Technik für jeden Zweck finden
Zubehör: Die Basisausstattung besteht aus einer Räucherschale (Ton, Keramik oder Messing), Räucherkohle (in Tablettenform), eventuell Räuchersand und Räucherwerk. Neben Einzelsubstanzen kann man auch zu Mischungen greifen, deren Bestandteile auf die gewünschte Wirkung ausgerichtet sind. Apothekerin Marianne Freudenschuß bietet zur Reinigung u. a. eine Mischung aus Eukalyptus, Sandelholz, Patschuliöl und Benzoe Siam an.
Wirkung: Jede Region hat ihre eigenen Räucherpflanzen – generell solche mit ätherischen Ölen. Der Weihnachtsklassiker Weihrauch wirkt reinigend, erhebend, anregend und entspannend zugleich. Für Reinigungsrituale ist Weißer Salbei sehr beliebt, Holunder steht beim Räuchern für Schutz und weckt die Lebensgeister.
Methoden: Räucherexpertin Annemarie Zobernig betont, dass die Räuchermethode immer auch vom Zweck abhängt: „Für eine sanfte Raumbeduftung ist ein Räucherstövchen (mit Gitteraufsatz, auch Weihrauchbrenner genannt, Anm.) mit einem Teelicht gut geeignet. Die Düfte der Pflanze werden langsam freigesetzt.“ Einen schnellen, angenehmen Duft zwischendurch liefern Räucherstäbchen. Für die umfassendste Wirkung sollte man aber zur Räucherkohle greifen.
Lüften: Nach dem Räuchern gut durchlüften, damit sich die Aromen in den Räumen gut verteilen können.