Leben/Gesellschaft

"Bikini-Medizin" am Handy: Frauen-Apps erobern den Markt

Wenn Gewitterwolken am Handydisplay von Larisa S. aufziehen, dann sind Kopfschmerzen und Übelkeit vorprogrammiert. Nicht etwa, weil ein Wetterumschwung bevorsteht, sondern das Prämenstruelle Syndrom (PMS); viele Frauen sind davon während ihrer zweiten Zyklushälfte betroffen.

Die Wolken werden der 28-Jährigen von der App Clue, eine Art digitaler Menstruationskalender, angezeigt. Seit zwei Jahren trägt sie darin unter anderem Daten über ihre Periode, Stimmungsschwankungen und sportliche sowie sexuelle Aktivitäten ein. Je länger und je mehr Daten eingespeist werden, desto präziser die Prognosen, die frau von der App über ihren Zyklus erhält. Im Laufe der Zeit wird dadurch ein Muster erkennbar, das einen den eigenen Körper besser kennenlernen und verstehen lässt.

Femtech

Clue ist eine von vielen technologischen Anwendungen, die unter dem Begriff "Femtech" subsummiert werden. Es handelt sich um digitale Dienste, die Frauen in ihren gesundheitlichen Bedürfnissen unterstützen sollen; häufig dreht es sich um die Lebensbereiche Sexualität, Menstruation, Verhütung, Fruchtbarkeit oder Schwangerschaft.

Für die Dänin Ida Tin war die Auswahl an Verhütungsmitteln der Anstoß zur Gründungsidee von Clue. Weil sie mit diesen unzufrieden war, begann sie ihren Menstruationszyklus zu tracken, also aufzuzeichnen. Damit andere das Gleiche tun können, entwickelte sie die App (siehe Bildergalerie unten). Mittlerweile gibt es unzählige Zyklus-Apps wie Flo, Maya oder Period Tracker, die eine ähnliche Funktionsweise haben.

Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer kann dieser Entwicklung durchaus etwas abgewinnen. Die weibliche Menstruation sei noch immer ein Tabu und über den weiblichen Zyklus gebe es nach wie vor Unwissen.

Die thematische Konzentration der Apps auf einige wenige Bereiche sieht sie hingegen kritisch: "Sie sind auf die 'Bikini-Medizin' fokussiert, also den Bereich der Brust und Genitalien, dabei sind Frauen so viel mehr." Gerade bei Erkrankungen, die beide Geschlechter betreffen, bei Frauen aber ganz andere Symptome haben und lange Zeit nur an Männern erforscht wurden, gebe es Nachholbedarf. Als Beispiele nennt sie Herzerkrankungen oder Diabetes.

Vorsicht bei Verhütung

In puncto Verhütung warnt Kautzky-Willer davor, sich auf die Tage zu verlassen, die von der App als unfruchtbar angezeigt werden: "Es kann ein Hilfsmittel sein, die Methode wird dadurch nicht sicherer."

Gründerin Tin will mit ihrer App zu mehr Aufklärung beitragen. Auch, indem die Daten anonymisiert zur Erforschung der weiblichen Gesundheit zur Verfügung gestellt werden.

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Männliche Dominanz

Neben dem medizinischen Potenzial steckt in dem Markt auch ein wirtschaftliches. Immerhin ist die Hälfte der Weltbevölkerung weiblich.Vergangenes Jahr berichtete das US-Analysehaus CB Insights, dass seit 2014 über 1,1 Milliarden Dollar in digitale Fauengesundheit investiert wurden. Dieses Jahr prognostizierte der Marktforscher Frost & Sullivan dem Bereich bis 2025 ein Marktpotenzial von 50 Milliarden Dollar.

Die meisten Femtech-Unternehmen werden von Frauen gegründet – nicht selten aufgrund von Problemen, mit denen sie selbst im Alltag konfrontiert waren. Bei Investitionsentscheidungen spielt das Geschlecht aber nach wie vor eine Rolle. Laut einer Studie des Babson College in Massachusetts, bei der fast 68.000 Start-ups in den USA untersucht wurden, die zwischen 2011 und 2013 Risikokapital bekommen hatten, gingen nur drei Prozent des Kapitals an Start-ups von Frauen. Die Investoren sind fast ausschließlich männlich.

Hierzulande fehlt es laut Tanja Sternbauer, Mitgründerin von Female Founders, eine Plattform für weibliche Gründerinnen, an validen Statistiken. Fest stehe, dass der Zugang zu Kapital für Frauen erschwert sei und es an weiblichen Entscheidungsträgerinnen mangelt. "Es ist wenig verwunderlich, dass Männer nicht unbedingt in Femtech investieren, wenn diese Themen nicht ihrer Lebensrealität entsprechen", sagt Sternbauer.

Digitale Helferlein für den weiblichen Alltag

Von Beckenbodentrainer bis smartes Armband: Start-ups entwickeln nicht nur Software, sondern auch Hardware-Geräte. Das Spektrum ist groß – eine kleine Auswahl an Gesundheitsprodukten für Frauen:

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