Inselgeschichten: Ibiza kann so viel mehr als Party
Von Marlene Auer
Mit einem Schwung und einem charmanten Lächeln setzt die brünette Kellnerin das große Tablett ab. Die darauf drapierten kleinen Schalen mit frischen Boquerones (marinierte Sardellen), saftigen Gambas (Garnelen), herzhaften Lammspießen und Albóndigas (Fleischbällchen), gegrillten Pimientos (Paprikaschoten) und einer saftigen Tortilla platziert sie nach und nach auf den schmalen Holztisch – bis sich auf diesem gerade noch Platz für den Brotkorb findet. Österreichs Polit-Skandal? Ibizagate? Alles kein Thema in der kleinen Tapas-Bar „Destino“ im entzückenden Ort Sant Josep de sa Talaia. Vor mehr als 20 Jahren hat der Inhaber aus Wiesbaden das Lokal von seiner Mutter übernommen und kocht seither authentische spanische Inselküche. Bereits in der Nebensaison gut gefüllt, ist das Reservieren in der Hochsaison unbedingt nötig – das gilt nicht nur für das „Destino“, sondern auch für fast nahezu alle anderen Hotspots auf Ibiza.
Die meisten Touristen kommen aus Großbritannien, vor Spanien, Italien und Deutschland. In jüngster Zeit reisen auch immer mehr Holländer auf die Mittelmeer-Insel, sie sind es auch, die sich dort zunehmend in eigenen Häusern niederlassen, heißt es. Nicht so bei der Ibizagate-Villa: Diese liegt von hier aus etwa 15 Minuten Autofahrt entfernt in der Nähe von Sant Rafel und gehört einem Italiener. Doch egal, welche Nation: Ibiza boomt, und das seit Jahren. Landeten 2005 noch 4,1 Millionen Passagiere auf Mallorcas kleiner Nachbarinsel, stieg die Zahl laut Flughafen 2018 auf 8,1 Millionen – und das bei nur 145.000 Einwohnern. Auch viele Prominente fliegen auf die Insel – im wahrsten Sinne des Wortes. Neben Saint Tropez gilt Ibiza als angesagter Hotspot für Stars. Jedes Jahr urlauben hier Schauspieler und Top-Models, darunter Leonardo DiCaprio, George Clooney, Naomi Campbell oder Paris Hilton.
Nicht nur die vielen Sonnenstunden und das entschleunigte Inselleben machen Ibiza so besonders. Es ist der lässig-leichte Lifestyle, der Stil-Mix aus Boheme und Design, das lebensfrohe Flair – mit kühlem Drink in der Hand und warmem Sand zwischen den Zehen lässt sich das Leben unter den Stroh-Schirmen richtig genießen. Mit sanften Chill-out-Bässen an den Stränden, wo in Freiluft-Shops auf schlichten Kleiderstangen luftige Tuniken, Strandtücher, bunte Armbändchen, Ketten, Ringe und Taschen baumeln und in den Restaurants frisch gegrillte Fische oder saftige Paellas auf die Tische kommen. Und wenn abends die Sonne blutrot im Meer versinkt, wird in den Beachbars gejubelt, als wäre es der schönste Tag des Lebens gewesen. Um es am nächsten Abend zu wiederholen. Und am übernächsten. Immer wieder.
Doch es gibt noch etwas, das Ibiza magisch macht. Etwa zwei Kilometer vor der Westküste hebt sich die mythenumwobene Felsinsel Es Vedrà aus dem Meer – ihr werden besondere Kräfte nachgesagt. Seefahrer berichten, Kompassnadeln würden in der Nähe falsch ausschlagen. Für Forscher ist das ein Phänomen, denn die magnetischen Energien lassen sich wissenschaftlich nicht erklären. In der Antike saßen einer Sage nach Sirenen auf dem Felsen und lockten Seefahrer in den Tod – einzig Odysseus soll es gelungen sein, sie unbeschadet zu passieren. Heute verfügt die Schifffahrt über moderne Navigationsinstrumente und Sirenen sind keine Gefahr, doch die Felsinsel sorgt immer noch für Überraschungen. Die einen meinen, sie sei ein Teil von Atlantis, anderen wollen hier UFOs gesehen haben, doch die meisten schwören auf die entspannende Wirkung der Energien. Der Fels ist heute unbewohnt, nachdem dort zuletzt im 19. Jahrhundert ein Mönch als Eremit gelebt haben soll. Heute steht er unter Naturschutz.
Wer Ibiza abseits der Partytempel wirklich verstehen möchte, sollte sich auch ausreichend Zeit für die Hippie-Märkte nehmen, denn dort ist die Geschichte der Insel spürbar wie kaum anderswo. Viele der „Aussteiger“ in den 50ern und 60ern, die auf die Insel kamen, waren Kreative und begannen, mit ihren selbstproduzierten Ketten, Kleidern, Hüten und Armbädern zu handeln – die Geburtsstunde der Märkte auf der Insel. Getroffen hat man sich schon damals in der „Bar Anita“ in Sant Carles – hier konnte man sich ein Postfach mieten, um mit den Daheimgebliebenen in Kontakt zu bleiben. An rustikalen Tischchen wurden unentwegt Briefe geschrieben, dazu Tapas gegessen und Kaffee, Wein und Bier getrunken. Die nummerierten Kästchen gibt es immer noch, und auch sonst hat sich die Bar über Jahrzehnte hinweg kaum verändert. Mittlerweile gilt sie als Institution von Ibiza.
Im „Destino“ in Sant Josep sind die kleinen Schalen mittlerweile leer, nur eine letzte Sardelle liegt im grasgrünen Olivenöl. Neben dieser authentisch-unkomplizierten Tapas-Küche hat sich auf Ibiza vor allem im vergangenen Jahrzehnt aber auch ein anderer kulinarischer Zweig entwickelt, besser gesagt eine exklusive Gourmetszene. Die absolute Spitze dabei: das „Sublimotion“ im Hard Rock Hotel. Dort soll es das kostspieligste Menü der Welt geben. Für 1.500 Euro pro Person werden etwa 20 Gänge serviert, Zwei-Sterne-Koch Paco Roncero tischt Kreationen vor allem aus der Molekularküche auf. Kann man mögen, muss man aber nicht. Boquerones sind dort wohl nicht dabei.
Vier Tage, vier Routen. Die Freizeit führt stilvoll durch das lange Wochenende
Donnerstag
Strand Es Torrent: Kleine ruhige Bucht, es gibt auch ein gutes Fisch-Restaurant. www.estorrent.net
Lunch im Ses Boques: Direkt am Meer wird u. a. typisch spanische Paella serviert.
Sunset bei Es Vedrà: Vom ehemaligen Wachturm Torre des Savinar ist der Ausblick auf den Felsen gigantisch.
Dinner mit Tapas: Ein Deutscher leitet das „Destino“ seit 22 Jahren, sensationell authentische Insel-Küche. Carrer sa Talaia 15, Sant Josep
Freitag
Strand Sa Caleta: Hohe rote Klippen in Hufeisenform, klares Wasser, malerische Bucht.
Lunch in Ibiza-Stadt: Gute Tapas, auch Pasta und Steaks an der entzückenden Plaça del Parc. www.localsonlyibiza.com
Sunset am Experimental Beach: Beach-Club zwischen Bobo-Chic und Hippie-Style. Hochkarätige Weinkarte. www.eccbeach.com
Dinner am Strand: Sehr gute Fisch-Speisen im „Yemanja“, wer danach feiern will, wechselt nebenan ins „Blue Marlin“. www.yemanjaibiza.com
Samstag
Flanieren in Santa Gertrudis: Bezauberndes Dorf mit Cafés und Shops. Tipp: Schinken in der Bar Costa am Plaza de la Inglesia.
Shoppen am Hippiemarkt: Kunsthandwerk, Schmuck und Mode an unzähligen Ständen. www.lasdalia.es
Drinks in der Bar Anita: Eine Institution an der Plaça de la Inglesia in Sant Carles mit Tischen an der Straße. Sehr authentisch.
Lunch im La Paloma: Detailverliebter Garten mit Tischen zwischen Zitrusbäumen, Top-Speisen. www.palomaibiza.com
Sonntag
Strand Cala Boix: Bucht mit hohen Klippen im Norden, naturbelassen, auch bei Einheimischen beliebt.
Lunch im The Boat House: Strand-Restaurant im mediterranen Stil, mit vielen Holzmöbeln. Facebook: @theboathouseibiza
Abkühlen in Tropfsteinhöhlen: Früheres Lager für Schmugglerware, bunte Farben in den Höhlen Can Marçà in Puerto de San Miguel. Mehrsprachige Führungen.
Sunset am Benirrás-Strand: Einheimische trommeln den Sonnenuntergang ein, magische Kulisse.
WOHNEN AUF IBIZA
NOBU
Schickes Luxus-Hotel direkt am Meer mit allem Drumherum, Top-Terrasse und Restaurant. www.nobuhotelibizabay.com
LA GRANJA
Ein umgebautes Bauernhaus in der Inselmitte, schönes Design, traditionell, eigener Farmbetrieb. www.lagranjaibiza.com
LEGADO
Kleines Boutique-Hotel vom Wiener Kreativgeist Andreas Lackner und seinem Partner. Facebook: @legado.ibiza