Leben/Essen & Trinken

"Schöner aus Boskoop" und Co.: Reif für rare Apfelsorten

Junge Apfelbäumchen, so weit das Auge reicht, dazwischen grüne Wiesen, Blüten, Insekten – das ist Leopold Mahrers Welt. Auf 24 Hektar Weinviertler Ackerflächen pflanzte er im Laufe der vergangenen Jahre an die 5.000 Bäume aus. Und zwar nicht wie heute üblich als Intensivkultur in Spalierform, sondern so wie früher, als Streuobstwiesen, durchzogen von Blühstreifen, und sogar demeterzertifiziert. Das bringt materiell gesehen natürlich viel weniger Ertrag als herkömmliche Plantagen auf gleicher Fläche, ist aber langfristig gesehen eine Investition, von der wir alle profitieren. „Als Landwirt bin ich ein Superexot mit dem, was ich da mache.“

Das war nicht immer so. Zwölf Jahre lang war der 37-Jährige für Attila Dogudans Eventcatering „Do&Co“ in aller Welt unterwegs, die Eindrücke daraus brachten ihn seiner Herkunft umso näher. Heute ist er der Chef der Landwirtschaft im Tullnerfeld, die schon seine Eltern vor vielen Jahren auf Bio umstellten. Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft leben auch Rinder und Hühner auf den weitläufigen Flächen, die zum Betrieb gehören.

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In seinen jungen Obstanlagen wachsen derzeit Äpfel und Birnen, demnächst sollen auch Quitten dazukommen. Die durchwegs alten, bewährten Sorten sind sorgfältig ausgesucht, damit sie im trockenen Weinviertler Klima langfristig gut zurechtkommen. „Damit haben wir einen Genpool, den wir für den Klimawandel dringend brauchen werden.“ Wie viele Apfelsorten in Österreich existieren, lässt sich schwer sagen, Schätzungen sprechen von 2.000. Von vielen davon gibt es gerade noch Einzelexemplare. Die Vielfalt und mit ihr das genetische Reservoir sind gewaltig, wird aber kaum genutzt.

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15 Hauptsorten hat sich Apfelvisionär Mahrer von der Weinviertler Baumschule Schreiber auf Hoch- und Halbstamm veredeln lassen und sie mit überaus großzügigen Abständen ausgepflanzt. So ist gewährleistet, dass die Bäume auch wirklich groß und alt werden können. Die Wiesen darunter werden zwei bis dreimal pro Jahr gemäht, um die Artenfülle zu erhalten, das Heu dient den Rindern als Futter. Beim Mähen nutzt der junge Landwirt die Vorteile moderner Technik, um die Bewirtschaftung langfristig sinnvoll und zeitgemäß durchführen zu können.

 

Die Anlagen umsäumen heimische Heckensträucher. Sie dienen Insekten und Vögeln als Nahrung und helfen mit, Schädlinge und Nützlinge in Balance zu halten. „Die Natur soll sich selber helfen können.“ Die Zusammenhänge dabei kennt niemand besser als seine erste Mitarbeiterin: seine Mutter. „Sie versteht alles, ich bis jetzt nur einen Teil“, gibt er neidlos zu.

 

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Nächstes Jahr rechnet Mahrer mit seiner ersten „richtigen“ Ernte. Einer, der sich schon heuer über Lieferungen freuen kann, ist der Tullnerfelder Spitzenkoch Josef Floh. „Das ist Weltklasse, was der Leo da macht! Er hat uns die Augen geöffnet, welche Bandbreite geschmacklich möglich ist.“ Ananasrenette und Boskoop sind Flohs Lieblingssorten aus Mahrers Sortiment. Er verwendet sie nicht nur für Desserts, sondern auch als Ergänzung pikanter Speisen. „Apfel halbieren, Kerngehäuse rausschneiden, mit Gemüsefond untergießen, salzen und bei 175°C ca. 15 Minuten schmoren.“

Der Wunderapfel

Mahrers eigener Lieblingsapfel ist der „Gelbe Bellefleur“, und das nicht nur, weil er so schön ist und so gut duftet. „Der ist der Wunderwuzzi. Der befruchtet alle.“ Was nämlich viele Hobbygärtner nicht wissen: jede Apfelsorte braucht einen passenden Bestäubungspartner im Umkreis von 200 bis 300 Metern. Fehlt der Partner, blühen die Bäume zwar, setzen aber keine Früchte an. Informationen dazu gibt es übrigens heute, 16. Oktober, beim Obstbaumtag in Purkersdorf im Wienerwald, 12 bis 17 Uhr. Unter anderem kann man dort Obstraritäten aus dem eigenen Garten bestimmen lassen.

Welcher Apfel wofür?

So wie die Modebranche, unterliegen auch Äpfel gewissen Trends. Vom Golden Delicious über den Granny Smith zum Topaz könnte man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte grob zusammenfassen. Die einen schmecken frisch vom Baum am besten, die anderen entwickeln ihr Aroma erst mit der Lagerung. In den alten Mostobstsorten steckt übrigens ein Vielfaches an gesundheitsfördernden Stoffen im Vergleich zu modernen Tafeläpfeln, allen voran Polyphenole. Vieles dazu erfährt man in Mahrers Datenbank (pur-apfel.at) oder bei Arche Noah (archenoah.at). Fact ist, dass bestimmte Sorten bestimmte Kocheigenschaften haben, und die gilt es zu nutzen. Das Fruchtfleisch von Boskoop und Brünnerling zum Beispiel zerfällt beim Kochen, was sie ideal für Apfelmus macht.

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In die Apfelschlangerln kommt Baumanns Renette oder Danziger Kantapfel, und für ihre französische Apfeltarte verwendet Leopold Mahrers Ehefrau am liebsten den Bellefleur – aber dieses Rezept bleibt ihr gut gehütetes Geheimnis.

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