Leben

Sie war der Boss

Sie telefonierten drei Mal pro Woche. Rupert Murdoch soll auf seine Mutter gehört haben. Der australische Medienunternehmer lässt sich bekanntlich nur ungern Vorschriften machen (schon gar nicht in Zusammenhang mit Ethik und Zeitungsmachen). Für seine Mutter war Rupert, mit 82 auch kein Jungspund, bis zuletzt „der Junge“. Auf sie hörte er, der Junge. Das zumindest versicherte die betagte Dame Elisabeth, die bis zu ihrem Tod im vergangenen Dezember im Alter von 103 Jahren geistig topfit war und mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg hielt. Die Australierin gab stets bereitwillig Auskunft über sich und die Familie.

Zur „Dame“ („Dame Commander of the Order of the British Empire“) wurde Elisabeth Murdoch 1963 für ihre Wohltätigkeit ernannt: In ihrer Heimat Australien wurde sie als Engel der Kinder, Kranken, Armen, Benachteiligten und der Künstler verehrt. Ihr Engagement war legendär. Von Regierungschefin Julia Gillard über Forscher und Kunstschaffende würdigten Dutzende die Mäzenin, die nicht nur Geld gab, sondern sich stets persönlich einsetzte und in zahlreichen Einrichtungen im Vorstand saß.

Geboren am 8. Februar 1909 in Melbourne als Elisabeth Greene setzte sich die Tochter aus gutem Hause schon früh für den guten Zweck ein. Sorgte sich um kranke Kinder, kämpfte für den Tierschutz, liebte und unterstützte Kunst und Wissenschaft. Die Lady mit dem starken englischen Akzent – sie war die Enkelin eines nach Australien eingewanderten englischen Eisenbahn­ingenieurs – ermöglichte Auguste-Rodin-Ausstellungen in Melbourne ebenso wie die Erhaltung von Kinderspitälern; das australische Staatsballett durfte ebenso wie die Botanischen Gärten mit der aktiven Unterstützung der winzigen, aber energischen Lady rechnen.

Die bezaubernd hübsche Frau – das war sie bis ins hohe Alter – war von bemerkenswerter Stärke, man durfte sich ja nicht von ihrem Jungmädchenlächeln täuschen lassen: Sie legte sich mit Politikern ebenso wie mit Buschbränden an (beide Kämpfe gewann sie) und bis ins hohe Alter schlief sie nachts nur vier oder fünf Stunden, bevor sie im Morgengrauen zur täglichen Schwimmrunde aufbrach. Dame Elisabeth mochte es nicht, ihre Gewohnheiten zu ändern. Bis wenige Wochen vor ihrem Tod blieb sie aktiv.

Elisabeth Murdoch wurde in eine prominente Familie geboren. Mit 18 Jahren war sie auf einem Zeitungsfoto als Debütantin zu sehen. Keith Murdoch, Chefredakteur der „Melbourne Herald Sun“, warf einen Blick darauf – und es war um den damals umschwärmtesten Junggesellen zwischen Sydney und Melbourne geschehen.

Er war schon 42, aber Elisabeth willigte sofort ein, den attraktiven Schwerenöter zu heiraten. „Es war die glücklichste Ehe, die man sich vorstellen konnte“, sagte sie später. Sie bekam außer Sohn Rupert drei Töchter und wurde mit 43 Jahren Witwe. Später erzählte sie gerne die Story, dass Harold, der leidenschaftlicher Antiquitätensammler war, bei einer Dinnerparty eine junge Frau gefragt habe, ob sie alte Dinge möge, und diese habe nervös geantwortet: „Oh ja, Sir Keith, ich bin sehr von Ihnen eingenommen.“

Elisabeth und Keiths Vorstellungen von Gesellschaft und Familie konservativ zu nennen, wäre eine Untertreibung. Als Keith 1952 starb, besagte sein letzter Wille, seine Frau solle nie wieder heiraten. Was diese angeblich ohnehin nie in Betracht gezogen hätte.

Die gemeinsamen Kinder wurden streng erzogen. Rupert lernte schwimmen, indem seine Mutter ihn in den Pool warf. Er übernahm das überschaubare Zeitungsgeschäft seines Vaters und machte daraus einen weltumspannenden Konzern. Ihm gehören heute in seiner Ex-Heimat 70 Prozent der Zeitungen. „Die Leute sagen immer: Du musst ja stolz auf deinen Sohn sein. Dann sage ich: Ich bin stolz, weil er ein guter Sohn und Vater ist, auf seinen Reichtum nicht“, war Elisabeths Kommentar dazu.

„Ich sage meine Meinung schon immer sehr deutlich, und Rupert hört mir zu“, behauptete sie vor ein paar Jahren in einem australischen Radioprogramm. Seine Mutter habe eine strenge Hand gehabt, ergänzte Rupert. Elisabeth räumte ein, sie könne sich an mindestens eine Gelegenheit erinnern, in der sie ihrem Sohn den Hintern versohlt habe. „Manchmal nimmt er meinen Rat an“, sagte sie ein anderes Mal trocken.

Nicht so beim Kauf der Zeitung „News of the World“, die nach dem Abhörskandal in Großbritannien eingestampft wurde. „Ich habe ihm klar gesagt: Damit bin ich nicht einverstanden, was die veröffentlichen, ist ein Einbruch in die Privatsphäre“, erklärte sie später. Noch 2011, mit 102 Jahren, fuhr sie ihrem Sohn in die Parade, als dieser mit seinen Zeitungen in Australien eine Kampagne gegen die Einführung einer CO2-Steuer führte. Im Konkurrenzblatt „The Age“ veröffentlichte sie mit anderen prominenten Australiern einen offenen Brief, der die Pläne der Regierung befürwortete.

Dame Elisabeth Murdoch mit ihren Kindern Rupert Murdoch, Anne Kantor and Janet Calvert-Jones (v.l.n.r.) bei ihrem 100. Geburtstag.

Energisch hatte sie sich auch gegen manche Politikerpläne eingesetzt – das erfuhren unter anderem Lokalpolitiker, die ihr gegenüber bei Bauplänen eines Kinderspitals klein beigeben mussten. In den siebziger Jahren wurde Elisabeth Murdoch mehrmals gefragt, ob sie sich eine aktive Rolle in der australischen Politik vorstellen können. Die konservative Lady lehnte dankend ab.

Für das müßige Leben der High Society hatte Dame Elisabeth wenig übrig. Sie kümmerte sich lieber um ihre Gärten. Im Alter von fast 100 Jahren servierte sie Übernachtungsgästen in ihrem Haus noch persönlich das Frühstück ans Bett und als man ihr zum 80. Geburtstag einen elektrischen Golfwagen schenkte, erklärte sie, sie würde ihn dazu verwenden, um ihre älteren, fußmaroden Freunde damit herumzukutschieren. Dem Altern konnte sie nichts Positives abgewinnen. „Mir wird klar, dass mir die Zeit davonläuft, und ich will keine Minute verschwenden“, sagte sie zu ihrem 100. Geburtstag.

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