„Vermögen bedeutet Verantwortung“
Wer Vermögen, und dazu gehören auch Unternehmen, besitzt, trägt dafür Verantwortung, ist Angelika Moser, Notarin in Seekirchen, überzeugt. Um dieser gerecht zu werden, ist für sie die Regelung der Vermögensnachfolge durch ein Testament oder eine Schenkung zu Lebzeiten unabdingbar.
Testamente sind wichtige Instrumente zur Regelung der Verlassenschaft und zur Streitvermeidung. Dennoch hat nicht einmal ein Viertel der Österreicher ein Testament gemacht. Worauf führen Sie das zurück?
Angelika Moser: Aus meiner Beobachtung hängt das damit zusammen, dass sich viele Menschen nicht gerne mit der eigenen Endlichkeit auseinander setzen. Gleichzeitig kommt es immer wieder vor, dass – gerade bei Familien mit mehreren Kindern – Eltern die damit verbundenen Entscheidungen scheuen. Und zwar aus Angst, eines der Kinder zu benachteiligen.
Immer wieder fällt auch das Argument, dass es ja eine gesetzliche Erbfolge gibt ...
Mit der gesetzlichen Erbfolge findet man dann das Auslangen, wenn danach ohnehin die gewünschte Person als Erbe vorgesehen ist. Also, wenn es nur ein Kind gibt, das erben soll. Oder, wenn bei einem kinderlosen Paar mit vorverstorbenen Eltern klar ist, dass der Partner alles erbt.
Und wann braucht es ein Testament?
Grundsätzlich sobald Vermögen vorhanden ist, das gezielt vererbt werden soll. Oder anders gesagt: Wenn bestimmte Vermögensteile einer bestimmten Person zukommen sollen. Unter Vermögen ist im Übrigen bereits die Eigentumswohnung zu verstehen.
Das bedeutet, dass ein Testament für Unternehmer besonders wichtig ist ...
Das stimmt. Sobald man Vermögen hat, übernimmt man eine gewisse Verantwortung dafür. Das gilt bei Unternehmern noch einmal mehr, diese tragen ja nicht nur für die eigene Familie, sondern auch gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Banken und so weiter Verantwortung.
Können Sie das noch ein wenig präzisieren?
Absolutes Ziel ist doch der Fortbestand des Unternehmens. Dazu muss es jemandem zukommen, der willens und fähig ist, es weiter zu führen. Und mit einem Testament kann man sehr genau regeln, wem man den Betrieb oder den Anteil vererben will. Gibt es keines, kann es sein, dass der Betrieb an mehrere Personen gelangt, die womöglich nicht miteinander können, keine Gewerbeberechtigung haben oder ähnliches. Kompliziert kann es werden, wenn minderjährige Erben dabei sind. Dann reicht bei manchen Entscheidungen nämlich nicht allein die Erklärung des Obsorgeberechtigten, sondern es bedarf auch der Zustimmung des Gerichts. Dazu braucht es oft Gutachten – und es kann dauern, bis die Entscheidung getroffen wird. Im schlimmsten Fall kann es mangels eines Testamentes und ungeregelter Pflichtteilsansprüchen zum Verkauf des Unternehmens kommen.
Mit der gesetzlichen Erbfolge findet man dann das Auslangen, wenn danach ohnehin die gewünschte Person als Erbe vorgesehen ist.
In der Novelle des Erbrechtsgesetzes 2017 wurde der Pflichtteil neu geregelt – eine gute Entscheidung?
Ja, die Möglichkeit zur Pflichtteilsstundung wird von meinen Klienten mit Liegenschaftsvermögen und Unternehmen gerne angenommen. Sie schätzen trotz des gesetzlichen Zinssatzes von vier Prozent die Möglichkeit, Zeit zu gewinnen. Die im Testament anzuordnende Stundung ist ja für fünf Jahre möglich und kann durch eine richterliche Anordnung auf zehn Jahre erstreckt werden. Positiv ist sicher auch die Stärkung des Erbrechts der Ehepartner und eingetragenen Partner durch die Streichung des Pflichtteilsrechts der Eltern zu sehen. Und nicht zuletzt, dass Schenkungen zu Lebzeiten auf den Pflichtteil über Verlangen hinzu- und angerechnet werden.
Hat sich auch etwas für Geschiedene geändert?
Bis zur Novelle war es so, dass ein Testament, das vor der Scheidung verfasst und dann nicht widerrufen wurde, weiterhin gültig war. Das heißt, die Ex-Ehepartner haben wie ursprünglich darin vorgesehen, geerbt. Jetzt ist es so, dass die Anordnungen in Testamenten ohne Widerruf im Zweifel bei Auflösung der Ehe etc. nicht mehr gelten. Kommt das geschiedene Paar wieder zusammen und soll der alte, neue Ehepartner wieder erben, muss ein neues Testament verfasst werden.
In der Novelle wurde auch die Position der Lebensgefährten gestärkt …
Jein. Es ist zwar so, dass Lebensgefährten ohne Testament erben können – aber nur bevor die Verlassenschaft mangels Verwandtschaft dem Staat zufällt. Wer wirklich sicherstellen will, dass der Lebensgefährte erbt, braucht ein Testament.
Was sind die größten Fehler, wenn man ein Testament verfasst?
Mangelnde Kenntnis über das Erbrecht. Und Formfehler, die dazu führen, dass das Testament ungültig ist. Das kann passieren, wenn man sich auf Vorlagen aus dem Internet verlässt. Generell empfehle ich, Testamente registrieren und verwahren zu lassen, auch handgeschriebene – damit diese auch gefunden werden.
Ich möchte noch einmal auf den Pflichtteil zurückkommen. Es besteht ja auch die Möglichkeit, auf diesen zu verzichten.
Ja, man kann im Zuge der Testamentserstellung, bei der Hausübergabe oder bei Unternehmensnachfolge einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren. Damit dieser gilt, braucht es einen Notariatsakt.
Das heißt, eines der Kinder bekommt das Unternehmen, die anderen werden ab- gefertigt?
Genau. Jene Erben, die mit der Firma nichts zu tun haben, erhalten etwa Wohnungen oder Barmittel und verzichten dafür auf ihre Unternehmensanteile bzw. Pflichtteilsansprüche.
Eine Alternative zum Testament stellt die Schenkung zu Lebzeiten dar. Welche Vorteile hat diese?
Meiner Ansicht nach ist der größte Vorteil, dass man dabei die Aufteilung des Vermögens gemeinsam vornimmt und dabei erkennt, was die Kinder sich wünschen und erwarten. Denn durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema kommen die jeweiligen Bedürfnisse zum Vorschein. Bei Unternehmen ist ein weiterer Vorteil, dass man damit die Übergabe aktiv gestalten und den oder die Beschenkten rechtzeitig in den Betrieb einbinden kann. Und ich kann bei einer Schenkung die anfallende Steuer kalkulieren. Beim Testament kann ich hingegen nicht sagen, ob zum Zeitpunkt der Erbschaft nicht vielleicht doch eine Erbschaftssteuer anfällt.
Wird die Schenkung auf die Erb- und Pflichtteile angerechnet?
Ja. Ist sie allerdings weniger wert als der Pflichtteil, hat die beschenkte Person möglicherweise einen Ergänzungsanspruch.
Kann man das Erbe eigentlich ausschlagen?
Natürlich kann man das Erbe ausschlagen, auch zugunsten einer anderen Person, das kommt sogar relativ häufig vor. Meist dann, wenn kein Testament da ist oder unter den Erben gute Lösungen gefunden werden.
Wir haben jetzt immer vom Vermögen, das vererbt wird, gesprochen. Werden auch Schulden vererbt?
Selbstverständlich. Deshalb ist es ganz wichtig, eine Erbschaft erst dann anzutreten, wenn das Vermögen auf der Aktiv- und Passivseite erhoben wurde. Es gibt auch die Möglichkeit einer bedingten Erbantrittserklärung. Durch eine solche schützt man sich vor Schulden, die über den Wert des Erbes hinausgehen.