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Das Haus aus dem Drucker

So sieht es also aus, das Wohnhaus der Zukunft. Das verblüffendste daran ist wohl die offensichtliche Dualität des Baus. Da ist einerseits dieses streng archaische Element: der höhlenähnliche, runde Korpus, der aus Erde besteht und an einen Tierbau erinnert. Auf der anderen Seite steht die neueste 3D-Druck-Technologie, die das Bauen in den nächsten Jahren revolutionieren wird. Vergangenheit trifft Zukunft. Eine Dualität, die im Projekt wie auch in seinem Namen enthalten ist. Tecla, wie das emissionsfreie Wohnmodell heißt, ist eine Wortkreation aus Technology und Clay (Lehm).

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Uns gefällt der Gedanke, dass Tecla der Beginn einer neuen Ära ist.

Mario Cucinella, Architekt

Zu finden ist das innovative Bauwerk in der italienischen Gemeinde Massa Lombarda in der Region Emilia-Romagna. Sein Baustoff ist die rohe Erde, die in unmittelbarer Umgebung des Hauses zu finden ist. Kein langer Transport, keine CO₂-intensive Herstellung, keine weitere Verknappung von Rohstoffen und daher auch kein Müll, der am Ende seiner Lebensdauer teuer entsorgt werden muss. Denn – wie wir nicht zuletzt aus der Bibel wissen – Erde wird am Ende wieder zu Erde. Dieser immerwährende Rohstoffkreislauf bildet auch die Basis der neuen ökologischen Denkschule von Cradle to Cradle.

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Ein Modell gegen die Weltkrisen

Tecla ist das Brainchild von Massimo Moretti, dem Gründer des 3D-Druck-Innovators WASP, und Mario Cucinella, dem Creative Director von Mario Cucinella Architects. Gemeinsam sind die beiden angetreten, um mit ihrem innovativen Wohnprojekt realistische Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit zu liefern. Sie wollen damit nicht nur einen Beitrag zur Klimakrise leisten, sondern auch zeigen, wie globale Wohnkrisen in Zeiten von Migration und Naturkatastrophen bewältigt werden können.

„Tecla beweist, dass ein schönes, gesundes und nachhaltiges Zuhause von einer Maschine gebaut werden kann, allein mit dem vor Ort verfügbaren Rohstoff. Tecla ist ein Fingerzeig in Richtung Zukunft. Eine Zukunft, in der ein Zuhause zum Geburtsrecht für jeden Menschen auf diesem Planeten wird“, erklärt Massimo Moretti den Idealismus, der hinter seinem Projekt steckt.

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3D-Druck-Roboter baut in Rekordzeit

Alles, was es für das emissionsfreie Erdhaus braucht, ist ein 3D-Druck-Roboter wie den Crane WASP, der bereits beim Burning Man Festival in der Wüste von Nevada im Einsatz war. Moretti zufolge ist es der weltweit erste, der modular und auf unterschiedlichen Ebenen arbeitet. Eine komplexe Software sorgt dafür, dass der Bauprozess optimiert abläuft und sich die Roboterarme synchronisiert bewegen. Jede der beiden Printereinheiten hat eine Reichweite von 50 Quadratmetern. Dadurch lassen sich einzelne Wohneinheiten innerhalb von nur wenigen Tagen fertigstellen.

 

Die Ästhetik dieses Hauses ist das Ergebnis eines technischen und materiellen Kraftakts.

Mario Cucinella, Architekt

Im Fall des Tecla-Prototypen braucht es 200 Druckerstunden, 7.000 Maschinencodes, 350 Schichten mit einer Stärke von 12 Millimetern, 150 Kilometer Druckgut und 60 Kubikmeter an natürlichen Materialien bei einem Stromverbrauch des High-Tech-Druckers von weniger als 6 kW. Dafür erhält man ein 60 Quadratmeter großes Haus, das über einen Küchen-Wohnbereich und einen Schlafbereich mit Bad verfügt. Die Einrichtung ist zum Teil ebenfalls aus Erde gedruckt und in die Konstruktion integriert. Weitere Einrichtungsgegenstände stammen von lokalen Herstellern und sind so designt, dass sie recycelt oder wiederverwendet werden können, so wie es die Kreislaufwirtschaft vorsieht.

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Eine ehrliche Form

„Uns gefällt der Gedanke, dass Tecla der Beginn einer neuen Ära ist“, sagt Architekt Mario Cucinella über das nachhaltige Bauprojekt. „Es ist eine großartige Aussicht, wenn wir die Zukunft gestalten können, indem wir diesem historischen Baumaterial durch die neueste Technologie von heute eine Form geben.“ Die charakteristische organische Form des Erdhauses ergibt sich aus der durchgehenden Rundung der Außenwand, die sich oben in einem runden Dachfenster öffnet. Die Geometrie der äußeren Rillen ist maßgeblich für die Statik des Bauwerks verantwortlich. Informationen zu den klimatischen Verhältnissen haben die Form des Baus ebenso mitbestimmt wie die Zusammensetzung der Erdmischung.

Der Raum zwischen äußerer Hülle und Innenwand enthält eine parametrische Struktur, die optimale Werte für die thermische Masse, die Isolierung und die Ventilation des Mauerwerks erzielt. Wie der Architekt Mario Cucinella betont, war der Zugang zum Design kein rein ästhetischer. „Die Ästhetik dieses Hauses ist das Ergebnis eines technischen und materiellen Kraftakts. Es ist eine ehrliche Form, eine echte Form.“

Text: Gertraud Gerst Fotos: WASP, Mario Cucinella Architects

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