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Alles andere als auf dem Holzweg

Um ein Haar wäre es dabei geblieben: Dass das „Haut” den Stockerlplatz als höchstes Holzhochhaus der Welt belegt. Inzwischen sind ihm aber sowohl das HoHo Wien in der Seestadt Aspern mit einer Höhe von 84 Metern als auch das Gebäude Mjøstårnet im norwegischen Brumunddal zuvorgekommen. Das Haut im Amstelkwartier in Amsterdam ist mit 73 Metern Höhe aber immer noch eines der höchsten derartigen Bauwerke der Welt.

Während Anfang 2019 bereits die ersten Mieter in das erste Büro aus Fichtenholz im Wiener HoHo einziehen konnten, wird das Haut 2021 zur Gänze fertiggestellt sein. Die Entwürfe bestechen bereits jetzt durch ihre optisch überaus angenehme Anmutung.

Holzhäuser wie das Haut gelten als ein Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Denn der erneuerbare Rohstoff Holz kann Kohlenstoffdioxid speichern. Und im Gegensatz zu Beton und Stahl verursacht die Holzproduktion keine Kohlenstoffemissionen.

Holzturm in höchster Nachhaltigkeitsklasse

Auch beim Haut war die Verwendung von Holz im Streben nach CO2-Neutralität zweifellos ein Motiv der Stadt Amsterdam. Die Ausschreibung ging daher zugunsten der Initiative von Nicole Maarsen und dem Immobilienentwickler Lingotto aus. Das Amstelkwartier insgesamt mausert sich soeben zu einem neuen Stadtteil – an die 4.000 Wohneinheiten plus Geschäfte und Betriebe werden sich dort ansiedeln.

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Der 73 Meter hohe Wohnturm nahe des Amstel-Flusses wird 55 Apartments, Fahrradabstellplätze und eine Tiefgarage bieten. Im Sockel ist zudem eine Fläche in Form eines städtischen Wintergartens für Urban Gardening und Farming reserviert. Neben dem Gewächshaus finden sich auch ein Kindergarten und ein Innovationslabor – letzteres in direkter Verbindung mit dem angrenzenden Park „Somerlust”. Die Gesamtbruttogrundfläche wird rund 14.500 m² ausmachen.

Wahlmöglichkeit

Die Zertifizierung mit dem BREEAM Outstanding-Label wurde angepeilt, das ist der höchstmögliche Grad an Nachhaltigkeit nach der BREEAM-Klassifikation – und erreicht. Speichert doch Hauts Brettsperrholz nach Angaben von Team V Architectuur mehr als drei Millionen Kilogramm CO2. Zudem erzeugen die Fassaden mittels Solarpaneele Energie, die Abwässer werden gesammelt und gefiltert.

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Haut steht auch für Haute Couture: „Designed Customized Architecture”, also maßgeschneidertes Wohnen. Die Erstkäufer hatten uneingeschränkte Wahlfreiheit in Bezug auf Wohnungsgröße, Lage von Räumen, auch mit doppelter Höhe, sowie Freiflächen. Da nur die Innenwände tragend sind, bietet sich die Außenseite für deckenhohe Fenster an. Damit genießen die Bewohner einen fantastischen Ausblick auf die Amstel und die Umgebung.

Unregelmäßiges Balkonmuster

Die Balkone sind als freitragende Strukturen konzipiert, die scheinbar nach Zufallsprinzip in die Fassade hinein- und hinausgeschoben worden und angeordnet sind. Die Fassade insgesamt mutet schnörkellos an. Gleichzeitig wirken die Holzdecken der Balkone und die großen Überhänge sehr ausdrucksstark.

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Alles da: Sonnenkollektoren, Nistkästen, Ladestationen

Haut sei aber auch auf andere Weise ein Beispiel für innovative Nachhaltigkeit, so die Planer. Das Gebäude ist mit Sonnenkollektoren auf dem Dach und der Fassade, sensorgesteuerten Installationen mit Fußbodenheizung und -kühlung, Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, Ladestationen für gemeinsame Elektroautos und einem Dachgarten ausgestattet, wo Regenwasser gespeichert wird.

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Die tragende Struktur von Haut besteht aus Brettsperrholzplatten (CLT, engl. Cross-laminated timber), bei deren Herstellung wenig Abfall produziert wird. Das Brettsperrholz wird aus europäischem Nadelholz gewonnen, das aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Zudem können derart vorgefertigte Platten rasch und sauber vor Ort montiert werden.

Im nassen und windigen Amsterdam hätte die Struktur jedoch nicht komplett aus Holz bestehen können, heißt es bei Arup. Das niederländische Unternehmen hat die Stadt Amsterdam bei der Ausschreibung für die Beratung in den Bereichen Tragwerksplanung, Gebäudetechnik, Brandschutz, Akustik und Bauphysik überzeugen können. Folglich bestehen die Fundamente, das Untergeschoß einschließlich der Tiefgarage und dem Kern aus Beton, das dem hohen Grundwasserdruck die Stirn bieten kann. Ebenso wird der Verbindungsweg zwischen Keller und Holzhochhaus aus Beton gebaut.

„Die Decken sind eine Holz-Beton-Verbundkonstruktion. Bis auf den Kern werden alle Elemente großflächig vorgefertigt auf die Baustelle transportiert und verlegt. Für die Stützen werden die Materialien Holz, Stahl und Beton verwendet”, präzisieren die Experten der Woschitz Gruppe, die ebenfalls als Projektberater fungiert.

Das Fundament wurde längst gelegt, das Erdgeschoß steht, die temporären Büroflächen sollen in Zukunft als Fitnessstudio genutzt werden, Mieter ist die Kette „Great”. Aktuell wächst der Turm etwa ein Stockwerk pro Woche. Spätestens Anfang nächsten Jahres werden die Wohnungen an die Nutzer übergeben.

Text: Linda Benkö

Visualisierungen: Team V Architectuur, Zwartlicht

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