Die große Renaissance der Niederösterreichischen Sommerfrische
Mit Sack und Pack kehrte man im Fin de Siècle dem heißen Wien den Rücken zu. Samt Personal und Hausrat zog es die hitzegeplagten Adeligen in ihre großzügigen Sommerfrische-Villen rund um Wien. Nach dem Bau der großen, imposanten Kurhotels, wie dem Südbahnhotel und dem Panhans am Semmering, folgte die bessere Gesellschaft. Denn auch Künstler wie Schnitzler und Schiele oder große Geister wie Freud liebten die Ruhe und Frische am Land. Da wurde gewandert und parliert, angebandelt und hofiert. Vor allem aber gab man sich den schönen Künsten hin und schloss Geschäfte ab, die sonst niemals zustande gekommen wären.
Und noch heute begeistert Niederösterreichs Landschaft die erhitzten Gemüter der Städter. Bei einer erfrischenden Wanderung durch die Wiener Alpen lässt man die Gedanken einfach ziehen, taucht tief in den Kamptaler Strandbädern unter und lässt sich den Wienerwald mit seinen zahlreichen Geschichten auf der Zunge zergehen. Ganz neu auf der Sommerfrische-Liste findet man die donaufrische Wachau und den smaragdgrünen Lunzer See, der mit seinen wellenklaengen betört. Hier wird eine ganz neue Ära der Sommerfrische eingeläutet. Denn die Kultur steht in Niederösterreich auch diesen Sommer nicht still. Und lädt zu ungeahnten Höhenflügen ein.
Auf Sommerfrische in die Berge
Besonders beliebt war und ist die Gegend rund um Rax und Semmering. Der Luftkurort Reichenau an der Rax mit seinen Schlösser und Villen bittet zum kulturellen Stelldichein. Vormittags wandert man wie Sigmund Freud hinauf zum Ottohaus, wo er anno dazumal seinen „Fall Katharina“, die Tochter der Wirtin, traf. Später schrieb er mit ihr als erstes Kapitel in seinen „Studien der Hysterie“ Geschichte. Die atemberaubenden Aussichten führen eben häufig auch zu tiefgreifenden Einsichten – und machen Platz im Kopf. Berauschende Klavierabende, romantische Open-Air-Kinonächte oder ein popgewaltiger LiteraturSalon gehören zum Beispiel im Schloss Wartholz zum guten Ton und harmonieren hervorragend mit der verträumten Kulisse aus dem Historismus. Die Reichenauer wissen eben, wie man die Menschen begeistert. Nicht umsonst erfanden sie 1911 das 1. Warmwasserbad der Monarchie, indem sie das Schwimmbad Reichenau mit Heizstäben auf 28 Grad erwärmten. Heute ist es zwar umgebaut, aber beheizt wird es noch immer. Und ganz ehrlich: Ein Ausflug auf die Rax tut heute noch genauso gut wie vor 100 Jahren. Denn manchmal braucht man einen Perspektivenwechsel, um am Boden der Tatsachen zu bleiben.
Erst die Südbahn, dann die Hotels
Die Geschichte der Südbahn – und damit auch die Geschichte der berühmten Semmeringer Sommerfrische – wurde von mutigen Visionären, grandiosen Technikern, mächtigen Monarchen und risikobereiten Investoren geschrieben. Einer von ihnen war Carl Ritter von Ghega. Sein Konterfei kennt man von 20-Schilling-Noten aus dem Jahre 1967. Die Rückseite des Scheins ziert sein wahrscheinlich wichtigstes Projekt: Die Südbahn und das gigantische 184 Meter lange und 46 Meter hohe „Kalte Rinne“–Viadukt, eingebettet ins pittoreske Semmeringpanorama. Wer sich das malerische Bild des alten 20er in echt ansehen möchte, kann das vom Original-Aussichtspunkt des „20-Schilling-Blicks“ tun. Diese für unmöglich gehaltene Bahnanbindung hat den großen Boom in der breiten Masse ausgelöst. Denn plötzlich war es einfach, dorthin zu gelangen, wo sich das Leben im Sommer abspielte. Klar, dass die großen Hotels, allen voran das legendäre Südbahnhotel, nicht lange auf sich warten ließen. Noch heute versprühen sie den unvergleichlichen Charme dieser Zeit. Vor seinem inneren Auge sieht man die feinen Damen in großen Reifröcken und Herren von Welt vorbeispazieren. Heute erstrahlt das ehrwürdige Haus – nach Zubauten und Wiederaufbauten – als ikonisches Kunstwerk der Semmering-Region. Vom Ende der 1960er Jahre bis zum Sommer 2017 blieben die Türen verschlossen. Heute kann man beim Kultur.Sommer.Semmering diese traumhaft nostalgische Kulisse wieder mit Leben erfüllen.
Rot-weiß-rote Sommertagsträume am Kamp
Auch das Kamptal gilt nach wie vor als Sommerfrische Destination par excellence. Entlang des namensgebenden Flusses beginnt man beim Anblick der rot-weiß-rot gestrichenen Badehäuschen zu träumen. Seit mittlerweile 100 Jahren erfrischen diese Bäder Geist und Körper – allen voran das Strandbad Plank am Kamp. Die Kulisse mit den Kabinenhäusern, dem glitzernden Fluss und der weiten Liegewiese ist einmalig. Wer seine Zehen in den glasklaren Kamp hält, spürt dieses herrliche Kribbeln, das sich seinen Weg bis in die Haarspitzen bahnt. Ein Abstecher in den nicht erst seit Willi Dungl berühmten Luftkurort Gars am Kamp oder ein vinophiles Zwischenspiel in den zahlreichen Winzerdörfern lädt ebenfalls zum Abschalten ein. Der Weg dorthin ist gesäumt von den unsäglich schönen Kamptalvillen. Zeitzeugen einer mondänen Ära, die zwar vergangen, aber niemals vergessen ist. Wie auch? Diese Sehnsucht nach einem Sommer wie damals, mit Wanderschuhen im Gepäck und der Vorfreude auf ein ikonisches Open-Air Konzert im Grafenegger Schlosspark – Herz, was willst du mehr?
Zwischen saftig grünen Weinreben, direkt am kühlen Fluss, herrlich eben auf ehemaligen Bahntrassen oder entlang von zahlreichen kulturellen Highlights führen die Top-Radrouten in Niederösterreich! Diese zeichnen sich insbesondere durch die sorgfältige Instandhaltung der Radwege, eine gut gewählte Streckenführung und eine informative und durchgehende Beschilderung aus.
Für Familien gibt es die 14 Radeln für Kids Routen, die einfach und sicher zu befahren sind. Am Weg warten Spiel und Spaß auf Erlebnisstationen und bei den vielen Ausflugszielen. Die leichten Strecken führen zu bunten Bauernhöfen, spannenden Museen, Burgen, tierischen Attraktionen, Strandbädern oder Skate-Parks.
Erfrischende Geschichten aus dem Wienerwald
Der Wienerwald hat sie alle in seinen Bann gezogen. Kaiser und Könige, Adelige und Großbürger, aber auch Literaten und Musiker. Ludwig van Beethoven wohnte etliche Sommer lang in der Badener Rathausgasse, wo ihm heute ein Museum gewidmet ist. Ob er auch ein bisschen Erfrischung im Thermalbad Vöslau gesucht hätte? Es ist davon auszugehen. Denn die Kulisse der logenartig angeordneten Kabinen verschlägt einem die Sprache. Und kurz meint man wirklich, nicht mehr in diesem Jahrhundert zu sein. Da hilft nur ein Sprung ins kühle Nass, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen.
Eine Stadt voll Kunst, herausragend in seiner Besonderheit. Überhaupt spaziert es sich hier ganz fantastisch. Entweder auf den vielen Wanderwegen durch die Rieden – oder durch den riesigen Park von Schloss Laxenburg, wo man auch ganz romantisch auf ein Boot wechseln kann.
Wachauer Boots- und Kulturgenuss
Burgen, Schlösser und ihre Geschichten – die Wachau erfährt man besonders erfrischend. Und zwar in einer Zille über die Donau. Begleitet vom malerischen Ausblick und einer kühlen Flasche Wein plätschert die Zeit dahin. Wie im Heimatfilm fühlt man sich hier. Idylle pur. Die Wachau lässt sich gar herrlich von der Donau aus erkunden. Ganz gleich, ob als Brandner-Themenfahrt oder auf eigene Faust. Noch mehr Abkühlung versprechen die Naturbadestrände entlang der Donau. Direkt gegenüber vom verträumten Städtchen Dürnstein mit seinem charakteristischen blauen Turm liegt zum Beispiel der idyllische Sandstrand Rossatzbach-Dürnstein. Wer lieber den Kopf erfrischt, der besucht am besten die Stadt Krems an der Donau. Dort flaniert es sich vorzüglich über die Kunstmeile, die neue Landesgalerie begeistert allein schon mit ihrer Architektur. Zeitlos schön ist auch Stift Melk. Kein Wunder also, dass das Stift – aber auch die ganze Wachau – zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurden. Der Kaiser hätte heute noch seine Freude mit und in der Donauregion.
Die neue Sommerfrische am Lunzer See
Der smaragdgrüne Lunzer See hat eine magische Anziehungskraft auf Ruhesuchende. Still glitzert er vor sich hin, bis zu den wellenklaengen feinste zeitgenössische Darbietungen über die Seebühne gehen. Das Festival ist einzigartig, genauso wie das Langau-Rothwald-Wildnisgebiet Dürrenstein. Eine derart unberührte Natur findet man kaum in Europa. Schließlich beherbergt das Gelände einen der letzten Urwälder in unseren Breitengraden und seit 2017 das erste Weltnaturerbe Österreichs. Zu verdanken haben wir ihn dem Unternehmer und Bankier Albert Rothschild und seiner nachhaltigen sowie pionierhaften Idee von 1875: Er wollte ihn für die Nachwelt retten und hat es zum Glück geschafft! Ganz selten gibt es geführte Wanderungen durch dieses einzigartige Stück Erde, manch Wanderweg führt aber durch die Wildnis. Die Rothschilds und ihre im Schweizer Chalet-Stil erbauten Villen haben die Region geprägt. Und heute schenkt diese visionäre Wahrhaftigkeit und unbestechliche Natürlichkeit hitzegeplagten Städtern einen Rückzugsort, der neue Gedanken einziehen lässt.
Da spürt man die Natur. Spürt sich selbst. Und genießt. Aber nicht nur Kultur und Kulinarik. Sondern das Leben an sich. Ja, sie hat ihr Comeback geschafft, die Niederösterreichische Sommerfrische. Denn es ist an der Zeit, endlich runterzukommen.
Geschichten zur Sommerfrische finden Sie auch in unserem Niederösterreich Magazin.