Wiener "Rotlicht-Gesetz": 150 Bordelle weniger
Von Nihad Amara
Mit Fackeln in der Hand zogen die zornigen Gründer der Bürgerinitiative in der Felberstraße den Straßenstrich entlang. Die Stimmung zwischen Anrainern und Sexarbeiterinnen war aufgeheizt, die Bezirkschefs polterten, die FPÖ wetterte und Prostituierte waren für fast alle das Feindbild.
Anfang 2011 drohte die Stimmung entlang der Rotlicht-Meilen zu kippen. Die rot-grüne Stadtregierung in Wien hatte bereits einen ersten Entwurf zum neuen Prostitutionsgesetz in der Schublade, der dann im November, also vor drei Jahren, in Kraft getreten ist.
Es war weit mehr als nur ein neues Reglement für den Straßenstrich: Von heute auf morgen wurden einem Milieu, das seit der Nachkriegszeit nur eigene Gesetze gekannt hatte, neue, strenge Vorschriften verpasst. Das Rotlicht hat seitdem viel von seinem verruchten "Sex & Crime"-Image eingebüßt – und gleichzeitig die Kritiker der staatlichen Prostitutionspolitik bestärkt.
"Gnadenloses" Prüfverfahren
"Ein Bordell in Wien wird baulich besser geprüft als jede Wohnung", heißt es seitdem. Die Ansage kommt von Wolfgang Langer, dem hochgewachsenen Hofrat und Leiter des Prostitutionsreferats der Wiener Polizei. Geschätzte 450 Bordelle gab es vor Inkrafttreten des Gesetzes, dreihundert sind derzeit genehmigt, allerdings ist die Zimmer-Anzahl gestiegen. Viele wollten oder konnten die strengen Auflagen des Genehmigungsverfahrens nicht erfüllen: Dazu zählen Brandschutz, Sicherheit, Hygiene, ein ziviltechnisches Gutachten uvm. Das Prozedere ist "streng und gnadenlos", erklärt er. Das Kalkül hinter dem Gesetz sei laut Langer aufgegangen: Der Straßenstrich, der seitdem im Wohngebiet verboten ist, sei in Gewerbegebiete abgesiedelt worden; in den Etablissements seien die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit verbessert worden; Hinterhof-Lokale seien geschlossen – und mit ihnen ein Nährboden für Zwangsprostitution ausgedünnt worden. "Das ist ein fortschrittliches Gesetz mit durchschlagendem Erfolg", erklärt Langer.
Naturgemäß positiv beurteilt die zuständige Wiener SPÖ-Stadträtin Sandra Frauenberger ihr Gesetzeswerk: "Die Wohngebiete wurden entlastet, und das neue Gesetz hat für rechtliche Klarheit bei allen Beteiligten gesorgt", heißt es aus ihrem Büro. Am Straßenstrich sei das "Schutzzonen-Chaos" beseitigt. "Im Zentrum aller Überlegungen muss die Sicherheit der Frauen stehen."
Christian Knappik hält dem Lob eine Zahl entgegen: "Wir haben seit der Gesetzesnovelle um ein Drittel mehr Noteinsätze." Knappik ist der Sprecher des Online-Forums Sexworker.at, ein Insider, der Frauen in prekären Lagen hilft. Er ist ein unermüdlicher Kritiker des Gesetzes ("Man muss akzeptieren, dass es gescheitert ist") und des moralisierenden Diskurses über die Sexarbeit ("Sexarbeit ist weiterhin stigmatisiert").
"In Illegalität gedrängt"
Knappik sagt, das Gesetz habe den Graubereich vergrößert, statt ihn zu verkleinern. "Frauen wurden in die Illegalität gedrängt." Und er hält nichts davon, dass viele Ressourcen für die Verwaltung und für die Bestrafung der Sexarbeiterinnen verwendet werden, "anstatt Kriminelle zu bekämpfen". Ginge es nach Knappik, würde er die Regelungen ersatzlos streichen. Die Frauen auf dem Straßenstrich hätten bestehende Infrastruktur wie Stundenhotels zurückgelassen, und die Genehmigungsverfahren für Puffs "erzeugen das Gefühl, man ist den Behörden ausgeliefert".
Dass viele Konflikte im Kleinen weiter bestehen, liegt eher am Reizthema als an Bordellen oder am Straßenstrich. Gegen das Straßengeschäft in der Enzingergasse in Floridsdorf gab es schrille Proteste samt absurder Gerüchte, obwohl der Standort gesetzeskonform war. Mit einer zeitlichen Begrenzung auf die Nachtstunden ist der Protest abgeflaut.
In der Grillparzerstraße (Innere Stadt) mobilisierten Anrainer gegen ein Edel-Bordell. Hauptargument: ein Kindergarten. Oft steckt dahinter die Angst vor Wertverlust der Wohnung. Das Lokal wurde genehmigt. Seitdem ist es laut Polizei dort ruhig: "Die Frauen kommen am Vormittag, Freier schleichen bis zwei Uhr Früh hinein. So funktioniert ein Bordell."
Ein Mal wöchentlich müssen sich Prostituierte in Österreich laut einer Bundesverordnung aus dem Jahr 1974 verpflichtend auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen. Die Regelung steht nun auf dem Prüfstand. Das erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums auf KURIER-Anfrage: Es werde eine "Umstellung des Intervalls sachlich geprüft". Die Ein-Wochen-Frist könnte ausgedehnt werden.
An der Pflicht zur Untersuchung scheiden sich die Geister: "Eine Überarbeitung wäre sinnvoll, vor allem was die Intervalle betrifft. Wir machen aber auch positive Erfahrungen damit, dass Sozialarbeiterinnen regelmäßig Kontakt mit den Frauen halten", heißt es im Büro der Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger. Die Vorteile streicht auch die Wiener Polizei hervor: Man sehe mögliche "Verletzungen durch Gewaltanwendungen" und erhalte "Informationen". Das Forum Sexworker.at stützt sich in der Kritik auf einen UNO-Bericht, wonach die Verpflichtung zum Arzt-Termin die Menschenwürde verletze.