Chronik/Wien

Wiener Prater: "Den Wurschtel kann keiner derschlagen"

Nur ein Hammer ist zu hören. Ansonsten fast perfekte Stille. Kein Trubel, kein Geschrei, keine Musik aus den Spielbuden. Die Rollbalken vor der Geisterbahn sind unten, die Wagen der Wilden Maus stehen still.

Seit 16. März ist der Wiener Prater geschlossen – wegen der Coronakrise. Dass der Prater zu ist, das gab es noch nie. Sogar während des Zweiten Weltkriegs war er offen. 

Kurz vor Ende 1945 brannte der Prater ab. Das war das einzige andere Mal, als der Prater nicht besucht werden konnte. Zwei Jahre später wurde er wieder eröffnet.

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Wen die Sehnsucht zu sehr quält, der kann zumindest virtuell in den Prater gehen. Auf der Online-Plattform Pratertopothek finden sich Dutzende Bilder des Vergnügungsparks einst und heute. Von gemalten Bildern aus dem 19. Jahrhundert über Fotos von Fahrgeschäften wie dem Kinderautodrom in den 60ern bis zu Eindrücken aus dem modernen Prater reicht das Sammelsurium.

Wer will, kann seine eigenen Erinnerungen zur Verfügung stellen und das Archiv vergrößern. Das machen derzeit übrigens auch die Praterfamilien. "Wir sortieren die alten Fotos und scannen sie ein", erzählt Thomas Sittler-Schaaf, Chef des Tagada und der VR-Geisterbahn. Ein nostalgischer Zeitvertreib in Zeiten der Krise.

Seit 16. März sind die Tage vieler Familien entschleunigt. Wenn Prater-Chef Stefan Sittler-Koidl auf der Terrasse der „The Bar“ beim Blumenrad sitzt, unterhält er sich über den Calafati-Platz hinweg mit seinem Bruder Thomas Sittler-Schaaf (Abstand muss schließlich sein).  

Denn wo in normalen Jahren dessen VR-Bahn (Fahrgeschäft mit Virtual Reality-Brillen, Anm.) über einen kleinen Balkon fährt, hat sich der Bruder mit seiner Frau nun eine Kaffee-Terrasse samt Blumen geschaffen.

 

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Am Vormittag dominiert der Schulunterricht den Alltag vieler der 80 Praterfamilien. Am Nachmittag spielen die Kinder zwischen den geschlossenen Buden Landhockey oder die fahren mit den Fahrgeschäften. Denn auch die müssen in der Krise ab und zu bewegt werden, damit sie nicht kaputtgehen.

Das ist die Zeit, in der die Erwachsenen Dinge erledigen, die sonst liegen geblieben sind. In vielen Lokalen die Gastgärten umgestaltet. Und: "Ja, man putzt auch die Spiegel im Spiegelkabinett“, sagt Stefan Sittler-Koidl.

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Kurzarbeit im Vergnügungspark

Die Praterfamilien üben sich in Optimismus. Jeder Tag, an dem ihre 250 Betriebe geschlossen sind, trifft sie hart. Viele mussten ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit schicken, entlassen wurde jedoch niemand. „Wir halten alle zusammen“, sagt Tina Heindl von der Praterschwemme und Stormy Sunday. Man sei ja eine große Familie.

Und überhaupt, sagt Prater-Chef Stefan Sittler-Koidl„. Wir sind alle Berufsoptimisten.“

Luftburg-Chefin Elisabeth Kolarik hat ihr Geschäft auf Lieferservice umgestellt. Ihre Stelze wird nun an Wiener und ausgewählte niederösterreichische Haushalte geliefert.

Prater-Chef Stefan Sittler-Koidl macht sich aber keine Illusionen, dass es ein härteres Jahr wird, als sonst. Ein bestelltes Fahrgeschäft seines Bruders steckt gerade in Italien fest. Und "auf die Touristen werden wir das ganze Jahr verzichten müssen“, sagt der Chef.

Umso wichtiger sei es, dass die Wiener dann kommen.

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Hygienestandards sollen verbessert werden

Derzeit arbeiten die Familien an Aktionen wie Rabatt-Karten und Events, um Leuten ihren Prater schmackhaft zu machen. Auch die Hygienestandards will man verbessern. „Wir denken an das Vorbild Legoland in Japan mit Desinfektionsspendern und Mitarbeitern mit Handschuhen“, sagt Sittler-Koidl.

Die Familien hoffen, dass es in einem Monat weitergeht. Existenzängste haben sie nicht. „Es nutzt ja nichts. Die Angst bringt einen nicht weiter“, sagt Frau Kolarik. Frei nach dem Textdichter Erich Meder: „Den Wurschtl kann keiner derschlagen“.

In der Nacht kommen die Tiere

In der Nacht gehört der Prater jetzt übrigens den Tieren, also den echten. Dachse, Marder und Katzen streunen durch die leeren Gassen und Plätze. Manchmal unterbrochen von einem menschlichen Eindringling.

Zuletzt, so berichtet Thomas Sittler-Schaaf, habe jemand gar ein Gokart gestohlen und sei damit im Prater herumgefahren. Er wurde zwar von Polizei und Securitys erwischt, konnte aber entkommen. Das Gokart blieb nach einem Unfall übrigens liegen, ein Reifenplatzer war Schuld. „Der hatte einfach wohl schon Entzugserscheinungen“, meint die Luftburg-Chefin.