Wien wird zur Schwulen-Metropole
Ihr Sieg war ein Statement. Conchita Wurst, die bärtige Sängerin mit der Engelsstimme, die den 59. Songcontest gewann, setzte damit ein Zeichen für Toleranz – und brachte unter anderem der schwulen und lesbischen Community viel Aufmerksamkeit. Um diese wird sich auch im kommenden Jahr vor und beim 60. Eurovision Song Contest viel drehen. Zumindest wenn es nach den Plänen des Wien Tourismus geht, der gezielt kaufkräftige homosexuelle Touristen in die Bundeshauptstadt locken will.
Die Voraussetzungen dafür sind gut: Denn der Song Contest war seit jeher in der Szene hoch im Kurs und Wien gilt unter homosexuellen Touristen als eine Top-Destination. "Die Kultur, das Internationale und das Mitfiebern machten den Song Contest schon immer zu einem Event in der Szene", sagt Jürgen Tarbauer, Geschäftsführer von Omnes, der größten österreichischen Agentur für Gay-Marketing. Der Event "verbindet alle Schwulen und Lesben Europas", erzählt er. Public-Viewing war bereits vor Conchita Wursts Siegeszug ein Pflichtprogramm, genauso wie auch die Künstlerin Wurst in der Szene einen Namen hatte.
Hohe Kaufkraft
Tourismuswerbung in der schwulen und lesbischen Community ist längst kein Randthema mehr. Seit 1998 spricht die städtische Wien-Tourismus-Agentur gezielt Gäste an, seit dem Vorjahr in 12 Nationen von Deutschland über die USA bis nach Indien. Die "Gay European Tourism Association" errechnete 2012, dass europäische homosexuelle Touristen jährlich 50 Milliarden Euro ausgeben. "Wir werden das Thema mitnehmen und bewerben. Die Werbung wird sich aber nicht ausschließlich darauf reduzieren", erklärt Walter Straßer vom Wien Tourismus. Der "Ruf Wiens als tolerante Stadt" komme den Aktivitäten entgegen, das Angebot an einschlägigen Lokalen und Hotels sei groß. Gäste können gleich binnen einer Woche zwei Events besuchen: Den Song Contest (23. Mai) und den Life Ball (30. Mai).
Wer in der Community punkten will, der müsse die Zielgruppe verstehen, erklärt Tarbauer: "Einen schwulen Mann spricht man nicht mit rosa Plüsch an." Man müsse authentisch und ehrlich sein. Gerade Wien könne mit seinem kulturellen Angebot punkten. Das deckt sich mit einer Umfrage unter 80.000 Usern des City Guides "GayCities.com". In der Kategorie "Kultur" reihten sie Wien auf den ersten Platz.
Verdeckt so viel Marketing nicht die alltägliche und rechtliche Diskriminierung von Homosexuellen? Ist Wien wirklich so weltoffen? "Richtig, die Diskriminierung gibt es", sagt Marco Schreuder, Grüner Bundesrat und Song-Contest-Fan. Jedoch habe sich das Thema "positiv entwickelt". Von Verhältnissen wie in Budapest, wo Polizisten einen Umzug schützen mussten, sei keine Rede. Schreuder: "Der Contest wäre ein schöner Anlass, die diskriminierenden Punkte im Gesetz zu beseitigen."
Song Contest: wer kann das moderieren?
58 Jahre hat die Wiener Stadthalle bereits auf dem Buckel. Nicht gerade der glamouröseste Austragungsort für den Song Contest, bemängeln Kritiker. „Angesichts ihrer technischen Voraussetzungen ist sie aber im Vergleich zu den anderen Angeboten immer noch die beste Variante“, ist Gerhard Kampits überzeugt. Der Veranstaltungsmanager kennt die Anlage im 15. Bezirk ganz genau, hat er doch hier Großkonzerte von Tina Turner oder Pearl Jam abgewickelt. Neben der Ausstattung gebe es auch das nötige Know-how, um einen derartigen Mega-Event über die Bühne zu bringen.
„Ein weiterer Vorteil ist, dass die Stadthalle über mehrere Nebenhallen verfügt. Auch die Anbindung an die Öffis ist ordentlich. Das Problem ist nur: Wir kennen die Anforderungen des Veranstalters nicht im Detail.“
Ein mögliches Problem sieht Kampits in der Klimatisierung: „Die bestehende Anlage ist schon sehr alt.“ Es sei fraglich, ob sie tatsächlich ausreichen wird. „Jeder, der schon bei einem Stadthallen-Konzert war, weiß, dass die Klimatisierung nicht ausreicht.“ Immerhin könne man davon ausgehen, dass es Ende Mai noch nicht allzu heiß werde. Eine große technische Herausforderung sei laut Kampits die Einrichtung des Pressezentrums: „Hier geht es um 1500 Journalisten, die alle einen Internet-Zugang brauchen werden.“
Bezirk „umbauen“
Geht es nach der ÖVP soll der Song Contest auch Auswirkungen auf den Rest des Bezirks haben. Bezirksobmann Georg Hanschitz fordert gleich einen „Totalumbau“ des gesamten Bezirkes. Er drängt vor allem auf die Nutzung des Areals hinter dem Westbahnhof, wo ein „Central Business Park“ als wirtschaftliche Grundlage des Bezirks entstehen soll.
In Innsbruck und Graz kann man die Niederlage gegen Wien nur schwer verschmerzen. Der Haupt-Kritikpunkt: In dem von Wien am Donnerstag präsentierten Paket fehlen einige wichtige Leistungen (der KURIER berichtete).
Beispiel Sicherheit: Während Innsbruck dafür eine Million Euro veranschlagt hat, scheint dieser Posten im Wiener Papier erst gar nicht auf. „Laut Veranstaltungsgesetz ist dafür der Veranstalter, also der ORF, zuständig“, sagt dazu Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ). Die Kosten für das Sicherheitskonzept würden sich im niedrigen fünfstelligen Bereich bewegen, hieß es am Freitag dazu beim ORF. „Die Sicherheitsmaßnahmen für die Halle wurden von Profis kalkuliert und liegen im mittleren sechsstelligen Bereich.“
Gratis-Öffis
Ein weiterer Zankapfel ist die kostenlose Öffi-Benutzung für die rund 5000 akkreditierten Gäste. Die vergleichsweise kleinen Stadt Innsbruck und Graz hätten dafür 650.000 bzw. 150.000 Euro kalkuliert. In Wien glaubt man hingegen mit lediglich 70.000 Euro das Auslangen zu finden. „Der Vorwürfe, dass das zu wenig ist, ist absurd“, betont Oxonitsch. „Die Berechnung basiert auf der Zahl von 5000 akkreditierten Gästen.“ Dazu gehören u.a Delegationen, Pressevertreter und Volunteers.