Wahlkampf in Wien: Hebein will Blümel überholen
Von Daniela Kittner
Die Grünen werteten die 28 Grad im Park vor der Votivkirche am Samstagnachmittag zwar als Zeichen des Klimawandels.
In Wirklichkeit hatten sie Glück mit dem Wetter. Denn Corona hätte den Grünen ansonsten den Wahlauftakt vermiest. So konnten sie aber im Freien in spätsommerlicher Wärme Liegestühle mit Babyelefanten-Abständen aufstellen, Sonnenblumen verteilen, zu südamerikanischen Klängen tanzen und gemütlich im Gras den Rednerinnen beim Wahlkampfauftakt lauschen.
Großes mediales Interesse
Und diesmal ist auch das Medieninteresse groß wie noch nie. Denn die Grünen sind inzwischen wer: sie regieren in der Bundeshauptstadt, und sie sind Partner in der Bundesregierung. Die Ministerinnen und Minister sind denn auch vollzählig erschienen: Leonore Gewessler, Alma Zadic, Rudolf Anschober und, natürlich, Vizekanzler und Parteichef Werner Kogler.
Gänsehaut
„Eine Gänsehaut“ gesteht die Moderatorin, weil sie die hohen Amtsinhaber aus den Reihen der Grünen ankündigen darf. Aber ungetrübt ist die Freude über die Regierungsbeteiligung im Bund bei diesem Wahlauftakt nicht. Die Weigerung der ÖVP, Flüchtlingskinder aus heruntergekommenen und abgebrannten griechischen Lagern aufzunehmen, schmerzt, wie die Minister gegenüber fragenden Journalisten zugeben. Sowohl Werner Kogler, aber noch viel deftiger Birgit Hebein, gehen mit der ÖVP ins Gericht (siehe Seite 5).
ÖVP „mit FPÖ-Parolen“
Hebein hält aber auch nicht mit Kritik an Finanzminister Gernot Blümel hinter dem Berg, der in Doppelfunktion auch als Spitzenkandidat der ÖVP-Wien fungiert. „Es gibt einen Spitzenkandidaten, der sich einbildet, mit blauem Kampfvokabular auf Stimmenfang gehen zu müssen“, sagt sie. Und überhaupt betreibe die türkise Partei „Retro-Politik“, die es in Wien zu verhindern gelte. Sie will Blümel bis zum 11. Oktober noch überholen: „Es geht um Platz zwei“, sagt die grüne Spitzenkandidatin in ihrer Rede.
Die Grünen wollen in Wien Regierungspartner der SPÖ bleiben. Die Sozialdemokraten werden bei diesem grünen Wahlauftakt vergleichsweise sanft angefasst. Sie seien eine „wertvolle Partei“, sagt etwa Kogler, sie würden aber manchmal das Falsche machen.
SPÖ „bemüht“
Hebein nennt die SPÖ „bemüht“, aber sie bräuchten den Mut der Grünen. „Ich habe mich gefreut, als ich den Ausbau der Radwege im SPÖ-Wahlprogramm gelesen habe. Als sie aber jemand aufmerksam machte, dass das Stellplätze kostet, konnte man gar nicht so schnell schauen, und das Radwegprogramm war wieder von der Homepage verschwunden“, spöttelt Hebein.
Dass der Bürgermeister nach der Wahl wieder Michael Ludwig heißen werde, sei „gesetzt“. Es gehe jetzt um die Richtung – „ob die Stadt weiter grün gebaut wird“ oder ob es mit Rot-Türkis wieder „zurück zu Asphalt und Beton geht“.
Bundeskoalition belastet
Hebein hebt auch hervor, dass Wien das Bundesland mit der höchsten Mindestsicherung für Kinder von ganz Österreich sei. Auch das ist eine Abreibung für die ÖVP, die die Wiener Mindestsicherung stets als „Anreiz für Zuwanderung ins Sozialsystem“ geißelt.
Die grüne Ministerinnenriege sitzt in der ersten Reihe und applaudiert.
Die Wahl in Wien ist in vier Wochen. Viel länger wäre das der Koalition auf Bundesebene wahrscheinlich nicht zuträglich.