Chronik/Wien

Rezepte für eine gesunde Metropole

Rund um das Jahr 2030 wird Wiens Bevölkerungszahl voraussichtlich die Zwei-Millionen-Grenze überschreiten. Dieser enorme Zuwachs stellt auch das von Finanzierungsproblemen gebeutelte Gesundheitssystem vor eine weitere Belastungsprobe.

Immerhin: Die Bundeshauptstadt ist für diese Herausforderung vergleichsweise gut aufgestellt, sind sich Experten einig: „Wien wird oft schlechter dargestellt, als es tatsächlich ist“, sagt etwa der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Als Beispiel nennt er das Krankenhaus Nord, das 2016 in Floridsdorf in Betrieb gehen soll. „Es entsteht genau dort, wo es das größte Bevölkerungswachstum gibt.“

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Arztpraxen

Sorgen macht sich Pichlbauer schon eher um den nötigen Ausbau der Versorgung außerhalb der Spitäler. Das jetzige System der Vergabe von Ordinationen mit Kassenvertrag sei noch zu unflexibel, um auf die Bevölkerungsentwicklung zu reagieren. Damit bestehe die Gefahr einer Unterversorgung in den stark wachsenden Flächenbezirken, während es im Zentrum bald zu viele Ärzte geben könnte. „Man muss attraktive Bedingungen schaffen, dass sich die Ärzte dort niederlassen, wo sie auch tatsächlich gebraucht werden“, fordert die Ökonomin Maria Hofmarcher.

Zumindest auf dem Reißbrett würden aber die Planungen in Wien in die richtige Richtung gehen, lautet das Urteil der Expertin. So sollen künftig Versorgungszentren außerhalb der Krankenhäuser entstehen, in denen gleich mehrere Fachrichtungen unter einem Dach vereint sind. Diese Einheiten sollen die Spitalsambulanzen entlasten. „Die Umsetzung wird aber noch eine zähe Sache“, sagt Hofmarcher voraus.

Chronisch Kranke

Zwar werde Wien durch den starken Zuzug eine relativ junge Stadt, ist Pichlbauer überzeugt, ein zentraler Trend lasse sich dadurch aber nicht aufhalten: Die Versorgung chronisch Kranker wird gegenüber der Akutmedizin immer wichtiger. „Das Problem ist lange bekannt, geändert hat sich aber erst wenig“, kritisiert der Ökonom. Zu viele chronisch Kranke werden in den Spitälern behandelt. „Dort werden sie nicht nur schlecht versorgt, sondern das ist auch die teuerste Variante. Wenn es hier zu keiner Reform kommt, wird das System langfristig unfinanzierbar.“

Medizin in Zahlen

7219 Todesfälle gingen in Wien 2012 auf Herz-Kreislauf-Leiden zurück. Damit sind sie Todesursache Nr. 1.

41 Spitäler gibt es in Wien (Stand: 2011).

Der Bevölkerungsboom ist auch eine Herausforderung für den Wiener Umweltschutz. Wichtigstes Thema: der Feinstaub. „Der größte Feinstaubverursacher in Wien ist der Verkehr“, erklärt Jürgen Schneider, Experte im Umweltbundesamt. Zuletzt ging die Feinstaubbelastung in Wien jedoch zurück. „Einerseits werden die Partikelfilter der Autos immer besser, in Wien wirkt aber auch der Maßnahmen-Mix aus Zuckerbrot und Peitsche.“ Das Autofahren wurde erschwert (Stichwort Parkpickerl), die Öffis dagegen wurden billiger. Es sei aber auch der Wiener Speckgürtel zu berücksichtigen, sagt Schneider. „Denn viele müssen nach Wien pendeln. Das Öffi-Angebot ist da ausbaufähig.“

Die neue Müllverbrennungsanlage Pfaffenau hat ebenfalls Partikelfilter. Mit dem Ausbau der Anlage samt Abfall-Logistikzentrum wähnt sich die Stadt für den Abfall von zwei Millionen Wienern gut gerüstet.

Eine große Herausforderung für die Umwelt sind die Stadtentwicklungsgebiete. Nicht nur Wohnungen müssen errichtet werden, sondern auch die Infrastruktur, Fernwärme und Kanal. „Allein in der Seestadt Aspern errichten wir ein 20,5 Kilometer langes Kanalnetz“, erklärt Wien-Kanal-Sprecher Josef Gottschall. Um einer modernen Stadt gerecht zu werden, braucht es hier viel Weitblick.

Auch Erholungsgebiete werden gebraucht. Derzeit machen die Grünflächen 50 Prozent von Wien aus. Damit das so bleibt, werden in den Stadtentwicklungsgebieten Parks eingeplant, etwa auf dem Hauptbahnhof. Und so manch eine Politikerin träumt sogar von einem Wienerwald Nord-Ost in der Donaustadt.