Wien am Weg zur Öko-Metropole
Von Elias Natmessnig
Eine Stadt braucht Visionen – besonders ein Jahr vor einer wichtigen Wahl. Bürgermeister Michael Häupl hat der Wiener Stadtregierung daher ein "Smart City"-Programm verordnet, das für viele sehr ambitioniert klingt, Kritiker werden wohl auch von Utopien sprechen.
Mehr als ein Jahr hat man an dem Konzept gearbeitet, das definiert, wie Wien in den Jahren 2030 bis 2050 aussehen soll. Bis dahin werden mehr als zwei Millionen Menschen in der Stadt leben. Die Herausforderungen sind also enorm. Heißestes Eisen ist dabei die Mobilität.
Autoverkehr halbieren
Um nicht im Smog zu ersticken, will die Politik den Anteil des Autoverkehrs bis 2030 von derzeit 28 Prozent auf 15 Prozent fast halbieren. Möglich soll das vor allem durch einen weiteren Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und des Radverkehrs werden (siehe dazu Interview rechts).
Bei den Öffis setzt Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou neben der neuen U5 vor allem auf Tangentialverbindungen in den Außenbezirken und den Ausbau der S-Bahnen. "Ein Öffi-Nutzer braucht für einen Fahrkilometer nur das Zwanzigstel der Energie eines Autofahrer", rechnet Vassilakou vor.
Radfahrer sollen vor allem durch mehr Radwege und Radstraßen in der Stadt und dem Radeln gegen die Einbahn gestärkt werden.
Vassilakou schlug im Gegensatz zu früher aber versöhnliche Töne an: "Es ist eine höchst private Angelegenheit, welches Verkehrsmittel man nutzt." Man wolle die Autofahrer daher nicht zwingen, das Auto stehen zu lassen, sondern Alternativen anbieten. Richtig hart werden könnte es für Autofahrer ab 2050. Halten sich auch zukünftige Wiener Politikergenerationen an den Plan, dann dürfen nur noch Fahrzeuge mit alternativen Antriebsformen – etwa Elektromotoren – in der Stadt fahren.
All das soll helfen, die Klimaziele zu erreichen. Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen pro Kopf von 3,1 Tonnen auf eine Tonne sinken. Energie und Emissionen sollen auch bei den Gebäuden gespart werden. Ab 2018 dürfen Neubauten nur noch im Niedrigstenergie-Standard errichtet werden. So soll der Energieverbrauch für Heizung, Kühlung und Warmwasser jedes Jahr pro Kopf um ein Prozent sinken. Bis 2050 will man zudem die Hälfte des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien abdecken.
Stadt der Forschung
Das Steckenpferd des Bürgermeisters ist die Bildung. Neben roten Mantras – wie Gesamtschule und Gratiskindergarten – will Häupl seinen Genossen auch die Forschung schmackhaft machen. Denn die Konkurrenz wächst.
"Wien soll daher eines der Top 5 Forschungszentren Europas werden", sagt Häupl. Dafür sei noch viel zu tun. Derzeit könne man sich nicht mit deutschen Städten wie Köln oder Frankfurt messen. Daher sei auch der Bund massiv gefordert. Aber auch die Stadt leiste ihren Beitrag. "Wir versuchen etwa, einen Gerätepool für mehrere Universitäten anzuschaffen", erklärt Häupl.
Die hohe Lebensqualität in Wien wird in dem Konzept mehrfach betont. Einen Absatz hat man sich für Conchita Wurst gegönnt: "In Wien leben alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung und geschlechtlicher Identität friedlich und sicher zusammen", lautet diese Zielsetzung.
Friede, Freude, Eierkuchen also – allerdings wohl nur bis zum Beginn des Wahlkampfs 2015.
Harald Frey, Forscher am Institut für Verkehrswissenschaften, ist einer der größten Befürworter des Radverkehrs. Die Pläne der Stadtregierung begrüßt er. Allerdings werden diese im Alltag zu wenig umgesetzt.
KURIER: Herr Frey, Wien will bis 2030 den Autoverkehr von derzeit 28 auf 15 Prozent drücken, also fast halbieren. Wie soll das gehen?
Harald Frey: Das Vorhaben ist ambitioniert, aber machbar. Allerdings braucht es dafür einen Paradigmenwechsel in der Stadtplanung. Weiter den Autoverkehr zu bevorzugen und die Restflächen auf Fußgänger und Radfahrer aufzuteilen, ist zu wenig.
In der Innenstadt ist der Raum knapp. Wo ist da der Platz für zusätzliche Radwege?
Platz schafft man, indem man Parkplätze zurückbaut. Kopenhagen hat etwa sukzessive Stellplätze reduziert. Andere Städte schlafen nicht, holen massiv auf. Berlin oder Zürich sind beim Radverkehr schon weiter als Wien.
In den Stadtentwicklungsgebieten hätte man den Platz.
Dort passiert eine Planung, die von vorgestern ist. Im Sonnwendviertel und am Nordbahnhofgelände wurden wieder 80 Prozent der Verkehrsflächen für das Auto gestaltet und nur 20 Prozent für Radfahrer und Fußgänger.
Wie bringt man Menschen überhaupt dazu, das Auto stehen zu lassen?
Indem man Angebote schafft. Man muss etwa das alte Grätzelkonzept wieder aufleben lassen, wo Menschen zu Fuß einkaufen können. Gewerbeparks und Shopping-Areale auf der grünen Wiese, wie sie in den Stadtrandbereichen, etwa im 22.Bezirk, entstehen, konterkarieren die Entwicklungen einer zukunftsfähigen Stadtplanung.
Carsharing boomt weltweit. In Wien ist das noch nicht richtig angekommen. Warum?
So lange ich nicht Stellplätze reduziere, gibt es keinen Anreiz. Wenn aber ein Bauträger in einer Wohnanlage weniger Garagenplätze baut, kann er mit dem gesparten Geld Carsharing anbieten. Dass es funktioniert, zeigen Beispiele wie die autofreie Siedlung in Floridsdorf.