Chronik/Wien

Waffen von der Familienfehde sichergestellt

Es war das (züchtige) Foto einer Frau, das die Fehde zwischen zwei tschetschenischen Familien ausgelöst hat. Bei einer "Aussprache" auf der grünen Wiese in Floridsdorf wurden Mittwochnachmittag drei Männer angeschossen, einer mit einem Messer verletzt – der KURIER berichtete (siehe unten). Die vier Männer sind im Krankenhaus, zwei davon schweben noch in Lebensgefahr. Vier weitere Beteiligte befinden sich in Haft. Nach zwei Männern wurde am Donnerstag noch gefahndet, mittlerweile wurden auch sie gefasst. Zudem wurden die Waffen sichergestellt, wie die Polizei am Freitag bekannt gab.

Am Tag danach sind die Ermittler noch immer auf Spurensuche im Grüngürtel in der Thayagasse. Dutzende Polizisten und Suchhunde durchkämmen das verwucherte Gebiet. Mit Metall-Detektoren werden Patronenhülsen gesucht.

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Elisabeth Mannsberger betreibt vor Ort eine Hundeschule. Als am Mittwoch kurz nach 17 Uhr Dutzende Polizeiwagen anrücken und die Wiesen umstellen, hält sie gerade eine Junghunde-Trainingsstunde. "Eine außergewöhnliche Trainingssituation", sagt sie und schmunzelt. Erst über die Medien erfährt sie, was passiert ist. "Wir haben dann unser Flutlicht aufgedreht – damit die Polizisten etwas sehen können. Wir haben uns aber sicher gefühlt", schildert sie.

Mittäter nahm Waffe

Die Polizei suchte in dem Moment nach einem weiteren Beteiligten. Und nach der Schusswaffe. Beides fehlte bis zuletzt. Einen Tag später steht fest: Ein Landsmann hat die gesuchte Waffe an sich genommen – und zwar in der Eipeldauer Straße, wohin drei Beteiligte nach dem Schusswechsel geflüchtet waren; nach ihm wird ebenfalls gefahndet. In dem Auto befanden sich zwei angeschossene Personen. Darunter ein Mann, der mehrfach in den Oberkörper getroffen worden war. Sein Sohn, der ebenfalls im Auto war, rief die Rettung.

Zuvor war die "Aussprache" eskaliert. Ein Mann zückte eine Pistole und feuerte auf die Kontrahenten. Dann kam es zum Handgemenge – die Rivalen wollten ihm die Waffe entreißen. Was auch gelang. Darauf fielen weitere Schüsse. Der Schütze wiederum wurde mit einem Messer attackiert.

"Die Einvernahmen sind schwierig, aber die Männer sind teilgeständig", sagt Polizei-Pressesprecher Thomas Keiblinger. Von Reue sei aber keine Rede.

Eingeschleuste Agenten?

Zu der Fehde soll es laut einem Bericht der Presse gekommen sein, weil die beiden Clans die islamische Scharia vollzogen. Zwei der Beteiligten sollen im Verdacht stehen, eingeschleuste Agenten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrov zu sein. Agenten, die den Auftrag hätten, die in Wien lebende tschetschenische Diaspora unter Druck zu setzen. Laut Presse soll sich auch der Verfassungsschutz für den Fall interessieren.

Eine Familienfehde zwischen Tschetschenen ist am späten Mittwochnachmittag in Wien-Floridsdorf völlig eskaliert. Vier Personen sind dabei schwer verletzt worden. Drei Männer erlitten laut Polizei Schussverletzungen, ein weiterer wurde durch Messerstiche schwer verletzt. Vier weitere Personen wurden festgenommen, einer weiteren Person gelang zu Fuß die Flucht. Nach ihm und einer weiteren Person, die die Tatwaffe haben soll, wird gefahndet.

Foto als Auslöser

Laut Polizei war Auslöser der Blutfehde das (züchtige) Foto einer Frau, das von der anderen Familie herumgezeigt wurde. Die Angehörigen der Frau werteten dies als Verletzung ihrer Familienehre. Dies sollte von männlichen Mitgliedern beider Familien auf einer Wiese bei einer Kleingartensiedlung in der Thayagasse, Ecke Petritschgasse, besprochen werden. Dort eskalierte aber rasch die Situation – nach Drohungen und Tätlichkeiten von beiden Seiten gab einer der Beteiligten mehrere Schüsse aus einer Faustfeuerwaffe auf seine Kontrahenten ab.

Nachdem bereits zwei Männer getroffen worden waren, kam es in weiterer Folge zu einem Handgemenge um die Schusswaffe. Dabei wurde dem Schützen die Waffe von einem Mitglied der anderen Familie entrissen und eine weitere Person mehrfach angeschossen und schwer verletzt. Danach wurde der Schütze selbst von mehreren Angreifen attackiert und erlitt dabei Stichverletzungen und Knochenbrüche im Gesichts- beziehungsweise Oberkörperbereich. Die behandelnden Ärzte konnten bisher noch nicht eindeutig feststellen, ob diese Person ebenfalls Schussverletzungen erlitten hat.

Gegen 17 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein. Die Beamten nahmen später am Tatort drei unverletzte Männer fest, ein Mann mit einer Schussverletzung und einer mit Stichverletzungen wurden ins Krankenhaus gebracht und notoperiert.

Tatwaffe gesucht

Nach der Gewaltorgie flohen die anderen zwei Angeschossenen gemeinsam mit einer weiteren unverletzt gebliebenen Person mit einem silberfarbenen Auto. In einer Busbucht in der Eipeldauer Straße in Wien-Donaustadt konnten sie aufgrund der Verletzungen nicht mehr weiter. Eine große Blutlache zeugt von den schweren Verletzungen der Männer. Sie wurden von der Polizei aufgegriffen. Die Verletzten wurden ins Spital gebracht und ebenfalls notoperiert. Der unverletzten Person gelang es zuvor noch, die bei der Tat verwendete Schusswaffe an eine sympathisierende Person weiterzugeben. Nach dieser Person und nach der Tatwaffe wird derzeit ebenfalls gefahndet.

Bei den Beteiligten handelt es sich um Männer zwischen 20 und 49 Jahren. Die vier verletzten, derzeit in verschiedenen Spitälern befindlichen Personen werden von WEGA-Beamten überwacht. Die vier unverletzten Beschuldigten befinden sich in Haft.

Tatort großräumig abgesperrt

Die Polizei schloss anfangs nicht aus, dass weitere Verdächtige geflohen sein könnten, sperrte den Tatort großräumig ab und setzte einen Hubschrauber ein. Selbst Anrainer durften nicht durch – die Ermittler konnten nicht ausschließen, dass sich vielleicht noch ein Bewaffneter in der Umgebung befindet.

Die drei sichergestellten Autos – eines mit litauischem Kennzeichen, das zweite mit einem steirischen und das dritte mit einem deutschen Taferl – wurden zur Spurenauswertung ins Kriminallabor gebracht.