Vier Fragen an die Wiener
Am Freitag, punkt 11.49 Uhr, ist es soweit. Wochen des Spekulierens haben ein Ende. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) tritt ans Rednerpult des Wiener Rathauses. Mit stoischer Miene verliest das Stadtoberhaupt eine knappe Erklärung: „Der Souverän, das Volk“, sagt Häupl, „soll das entscheidende Wort sprechen.“ Es folgen jene vier Fragen, auf die die Öffentlichkeit seit Wochen gewartet hat. Zwei Jahre nach der Volksbefragung, bei der die Wiener zu Nacht-U-Bahn & Co. befragt wurden, können 1,2 Millionen Bürger voraussichtlich Anfang März erneut an die Urnen.
Es geht um vier Fragen – von denen vor allem eine von realpolitischer Relevanz ist. Und zwar jene über das Parken. Die Wiener sollen entscheiden, ob für jeden Bezirk Parkraumregelungen eingeführt werden sollen oder ob es – wie bisher – Lösungen für einzelne Bezirke geben wird.
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Stadt versus Bezirk
Es geht somit auch um das Match Stadt versus Bezirke. Geben die Wiener der ersten Antwortmöglichkeit den Vorzug, „entscheidet letztendlich die Stadt und nicht, wie bisher vereinbart, nur der Bezirk“, formuliert es der Grüne Gemeinderat Christoph Chorherr auch ganz eindeutig. „Die Ausweitung schrittweise auf ganz Wien wird so deutlich schneller kommen.“
Doch Politologe Hubert Sickinger kann sich nicht vorstellen, dass sich diese Variante bei der Befragung durchsetzt: „Schon gar nicht in Flächenbezirken wie Floridsdorf oder Donaustadt. Dort ist die Lust nach einer Ausweitung des Parkpickerls gering.“ Sickinger hält die Fragestellung ohnehin für „entbehrlich“. Sie gehe schließlich zielgenau an dem vorbei, was die Opposition mit ihrer Unterschriften-Aktion zu einer Pickerl-Volksbefragung ursprünglich im Sinn hatte.
Allemal handle es sich noch um einen Kompromiss, um nicht die Regeln der Stadtverfassung hinsichtlich Volksbefragungen zu brechen (siehe Interview).
„Reine Symbolpolitik“ ist für den Politologen auch die Frage nach dem Schutz der kommunalen Betriebe und dem Ausbau erneuerbarer Energien. „Hier wird wohl kaum jemand dagegen sein.“
Bleibt noch das massentaugliche Thema Olympia-Bewerbung für das Jahr 2028. Ganz offensichtlich ein medialer Coup des Bürgermeisters, um von der leidigen Parkpickerl-Misere ablenken zu können. Sickinger sieht das ähnlich. „Grundsätzlich ist es wichtig, dass über so ein teures Projekt abgestimmt wird. Es ist aber unklar, wie ernst es die Stadt damit meint.“ Somit sei es für ein Volksvotum noch zu früh.
Apropos teuer: Die Volksbefragung wird voraussichtlich 6,5 Millionen Euro kosten. Anders als 2010 sind die Fragen diesmal nicht mit suggestiven Begleittexten versehen, die klar machten, welches Ergebnis dem Fragesteller genehm ist. Stattdessen wird es wie in der Schweiz ein Abstimmungsbuch mit den jeweiligen Pro- und Contra-Argumenten geben.
Marslandung
Die Opposition lässt sich damit nicht abspeisen. Offenbar sei kein Platz mehr für Fragen nach schönem Wetter oder einer geplanten Marslandung gewesen, formuliert es ÖVP-Chef Manfred Juraczka. FPÖ-Klubchef Johann Gudenus ortet einen „demokratiepolitischen Skandal“. Immerhin ist die Opposition erst kurz vor der offiziellen Mitteilung über die Fragen informiert worden.
Die vier Fragestellungen im Wortlaut:• 1. Wie soll die Parkplatzsituation und Lebensqualität für Bezirksbewohner/innen verbessert werden?A) Es sollen für jeden Wiener Bezirk Parkraumregelungen eingeführt werden.B) Es soll Lösungen für einzelne Bezirke geben (mit Berücksichtigung der Interessen der Nachbarbezirke)• 2. Soll sich die Stadt um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bemühen?• 3. Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?• 4. Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?
KURIER: Herr Professor Funk, steht die Frage zum Parken im Einklang mit der Wiener Stadtverfassung, nach der über Gebühren nicht abgestimmt werden darf? Bernd-Christian Funk:Sie bewegt sich hart an der Grenze, steht aber nicht in Konflikt mit der Verfassung. Nicht möglich wäre es gewesen, über die Abgaben als solches abzustimmen oder über eine Verordnung, mit der Pickerlzonen festgelegt werden.
Abstimmungsvariante A beinhaltet eine Parkraumregelung für jeden Bezirk. Wird hier die Kompetenz der Bezirke ausgehebelt? Nein. Die Entscheidungskompetenz liegt rein rechtlich gesehen ohnehin bei der Stadt. Die Bezirke haben ja bloß ein Mitspracherecht.
Ist die Frage nach dem Schutz kommunaler Betriebe mit EU-Regelungen vereinbar? Das EU-Recht legt nicht fest, wie diese Leistungen erbracht werden sollen, sondern überlässt dies den Kommunen. Unabhängig, ob diese privat oder öffentlich sind, müssen aber bestimmte Regeln eingehalten werden, etwa bei der Ausschreibung.
Bernd-Christian Funk ist Verfassungsrechtler an der Universität Linz.
Elfriede Weismann, Wien:„Ja, das wäre super. Das würde sicherlich den Tourismus wieder beleben. Das trägt wiederum zum internationalen Austausch bei. So kommt mehr Bewegung in die Stadt. Und es gibt dann auch mehr Festlichkeit und Geselligkeit, wie bei der EM 2008.“
Karl Wolf, Wien: „Das wäre nett und interessant. Dagegen bin ich nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt Wien die finanziellen Mittel dafür aufbringen kann. Wenn, dann vielleicht mit anderen Städten zusammen. Ich finde es aber gut, dass es eine Volksabstimmung geben soll. “
Susanne Schmidbauer,Wien: „Ich bin schon dafür. Das belebt die Wirtschaft. Österreich ist auch ein sehr sicheres Land. Also warum nicht? Unser Land wird außerdem im Bewusstsein der anderen wieder präsent. Man wird zwar viel investieren müssen, aber ich glaube, diese Investitionen lohnen sich.“
Martin Gredler, Wien: „Ich wäre dagegen. Meiner Meinung nach ist das nicht rentabel. Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir die dafür notwendigen Investitionen, beispielsweise in den Ausbau der Sportstätten, wieder hereinbekommen. Ich glaube, die Spiele interessieren die Leute auch nicht so sehr.“
Wenn die noch zu zeugenden Kinder von Markus Rogan im Jahr 2028 in der noch zu bauenden Schwimmhalle in Wien Goldmedaillen erkraulen – ja, dann werden wir dem 79-jährigen Michael Häupl auf ewig dankbar sein. Olympia in Wien! Das zeugt weniger von Realitäts- als vielmehr von politischem Scharfsinn. Rogans Kinder mögen Gold gewinnen, es wird aber kaum in Wien passieren.
Immerhin dürfte diese Brot-und-Spiele-Frage dafür sorgen, dass genügend Wiener an die Urnen strömen, um über den einzig relevanten Punkt bei dieser Volksbefragung abzustimmen: Wie wird Parkraumbewirtschaftung in dieser Stadt künftig organisiert? Soll Rot-Grün weiter im hatscherten Zusammenspiel mit den Bezirken angebliche Pickerl-Lösungen erarbeiten? Oder geben die Wiener Häupl und Vassilakou das Pouvoir, auch ohne die mächtigen Bezirke Lösungen zu finden? Denn das Problem ist ja offensichtlich: Anstelle einer flächendeckenden Reform finden wir heute im Westen Wiens einen Pickerl-Fleckerlteppich vor, der vielen sauer aufstößt. Somit ist die Frage auch ein 6,5 Millionen Euro teures Fehlereingeständnis.
Warum die Regierung aber nicht längst das tut, was sie laut Verfassung dürfte – nämlich Pickerlzonen in Teilen der Stadt auch ohne Rücksicht auf die Bezirke festzulegen – bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Stattdessen sollen nun die Wiener bestimmen, dass Bezirkskaiser künftig nix mehr bestimmen dürfen. Das wäre auch billiger gegangen.