Chronik/Wien

Vassilakou fordert "nur noch unbefristete Mieten"

Nach der Räumung eines Hauses in der Leopoldstadt will Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G) härter gegen Spekulanten vorgehen.

KURIER: Frau Vassilakou, was unternimmt die Stadt, um Häuserspekulation zu verhindern?

Alle Inhalte anzeigen
Maria Vassilakou: Das Mietrecht hat sehr viele Schlupflöcher, die Möglichkeiten für Spekulation und Missbrauch bieten. Der Vorfall zeigt, dass wir wirksame Maßnahmen dagegen brauchen. Und es ist höchste Eisenbahn für ein neues Mietrecht.

Wie soll das aussehen?

Wir müssen dafür sorgen, dass Wohnen in der Stadt leistbar bleibt. Es braucht daher klare Mietzinsobergrenzen, denn die derzeitigen Systeme eröffnen Tür und Tor für sehr kreative Interpretationen. Mit dem Ergebnis, dass die Mieten im privaten Bereich innerhalb eines Jahrzehnts um bis zu 60 % gestiegen sind.

Haben Sie konkrete Vorschläge?

Ein guter Vorschlag wäre, bei Richtwertmieten die laufenden Zuschläge zu präzisieren und die Anzahl der Zuschläge zu begrenzen. Derzeit können zum Richtwertmietzins beliebig viele Zuschläge erfunden werden.

Viele Mieten werden nur noch befristet vergeben. Dass führt dazu, dass Mieter alle drei Jahre umziehen müssen, mit all den Folgekosten.

Ich bin der Meinung, dass Mieten grundsätzlich unbefristet sein sollen und Befristungen nur noch in Ausnahmefällen möglich sind. Dazu braucht es eine Definition, was ein Altbau ist, und was ein Neubau. Ich denke, dass sich jedes Gebäude 30 Jahre nach Fertigstellung amortisiert hat. Ab dann sollte es in den Vollanwendungsbereich des Mietrechts fallen.

Das Mietrecht ist Bundesangelegenheit, was kann hier die Stadt ausrichten?

Wir brauchen einen Mietrechtsgipfel. Das ist meine Forderung an die Bundesregierung. Denn sie haben vor zwei Jahren, als das Thema hochkochte, eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um es darin zu versenken. Damit muss jetzt Schluss sein.

Das ist aber alles ferne Zukunftsmusik.

Wir können schon jetzt einiges gegen Spekulation unternehmen. Wir müssen unsere Möglichkeiten nur rigoros einsetzen. Die Stadt kann sehr wohl, selbst bei Gericht, Anträge einbringen, um Spekulanten zur Sanierung zu zwingen. Das wurde bis jetzt noch nicht gemacht, hätte aber abschreckende Wirkung. Der Besitz von Wohnungen ist nicht nur da, um Profit zu machen, sondern bedeutet auch Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft.

Der Umbau der Mariahilfer Straße ist voll angelaufen. Das Klavierhaus Rudolf Reisinger in der Königsklostergasse siedelt nun nach 90 Jahren ab und gibt Ihnen die Schuld dafür.

Alle Inhalte anzeigen
Ich finde das bedauerlich. Es ist aber eine Entscheidung des Unternehmens. Fakt ist, dass Fußgängerzonen in allen Städten eingerichtet werden, und auch gut sind für die Stadt und den Handel. Deshalb setzen sich Kaufleute in der Habsburgergasse oder der Tuchlauben derzeit etwa für eine Begegnungszone ein. Klarerweise ist die Umgestaltungsphase mit vorübergehenden Umsatzeinbußen verbunden. So wie jede Baustelle. Die Alternative wäre aber sonst, dass man nichts mehr anfasst.

Der Umbau der Mariahilfer Straße ist dem Plan voraus, Baustellen im Westen dagegen sorgen für lange Staus. Müssen sich Autofahrer vor Ihnen fürchten?

Alle Inhalte anzeigen
Nein (lacht). Es gehört zu den unangenehmen Aufgaben der Verkehrsstadträtin, dafür zu sorgen, dass Straßen saniert werden. Die Tatsache, dass die Mariahilfer Straße zwei Wochen früher fertig ist, zeigt dass die Koordination ausgezeichnet ist.

Warum nicht überall so?

Es ist fast überall so. Es ist aber keine Verkehrsplanung davor gefeit, dass Menschen Fehler machen. An der Westeinfahrt hat eine Baufirma den Bescheid nicht eingehalten und Arbeiten, die am Wochenende durchgeführt hätten werden müssen, am Montag gemacht. Aber glauben Sie mir, der Firma wird so ein Fehler nie wieder passieren.

Maximilian Krauss, 21-jähriger FPÖ-Politiker, soll Stadtschulrats-Vize werden. Er bezeichnete Michael Häupl als "Türkenbürgermeister". Ist er für das Amt geeignet?

Nein. Ein Mensch der rassistische Aussagen tätigt, die Teile der Bevölkerung auf abschätzige Art und Weise abqualifiziert, ist für ein öffentliches Amt nicht geeignet. Das ist aber ein Problem, mit dem die FPÖ insgesamt kämpft.

Nein, Punks werde man künftig sicher nie mehr Wohnungen zur Verfügung stellen, betont der Geschäftsführer der Castella GmbH im KURIER-Gespräch. Aus Angst vor Anfeindungen will er seinen seinen Namen nicht einmal abgekürzt in der Zeitung lesen. Möglicherweise berechtigt: Seine Firma ist nämlich Eigentümer des Hauses in der Mühlfeldgasse (Leopoldstadt), das am Montag spektakulär von der Polizei geräumt wurde. Seitdem tobt die Debatte über Immo-Spekulation und üble Machenschaften von Hauseigentümern.

Der Castella GmbH wird vorgeworfen, vor mehr als zwei Jahren Punks in das Haus eingeladen zu haben, um die Altmieter mit unbefristeten Verträgen zu vergraulen. Ein Vorwurf, den der Geschäftsführer von sich weist. "Wir haben die Punks nie dazu aufgefordert, die Mieter zu belästigen. Das haben sie auch vor Gericht bestätigt." Es sei lediglich beabsichtigt gewesen, den Aktivisten die Räumlichkeiten für Filmaufnahmen zur Verfügung zu stellen. "Doch die Sache ist außer Kontrolle geraten", schildert der Castella-Vertreter.

Einigung gescheitert

Wie berichtet, solidarisierten sich die Punks letztlich mit den Altmietern gegen den Eigentümer und blieben auch nach dem Auslaufen des auf sechs Monate abgeschlossenen Präkariumsvertrages im Haus. "Wir haben noch versucht, sich mit den Besetzern zu einigen. So haben wir ihnen unter anderem angeboten, ein Ersatz-Objekt für sie zu suchen und für zwölf bis 18 Monate die Kosten dafür zu übernehmen. Doch diese komplett wilde Truppe hatte nicht einmal einen Ansprechpartner für uns." Letztlich sei daher die Räumung unausweichlich geworden.

Doch hätte die Castella nicht damit rechnen müssen, dass es zu Problemen kommt, wenn sie Punks einquartiert? "Nur weil sie Punks sind, kann man nicht davon ausgehen, dass sie sich derart verhalten", sagt der Geschäftsführer dazu.

Zuletzt wurde die Forderung laut, die Castella für die Kosten des Polizei-Großeinsatzes bei der Räumung zur Kasse zu bitten. "Dafür fehlt die rechtliche Grundlage", sagt der Unternehmer.

Gemeinsam mit seinem Partner besitzt er über diverse Firmen ein Vielzahl von Zinshäusern in Wien. Nicht weniger als 16 davon standen in den vergangenen Jahren unter Beobachtung des Büros von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, weil es dort massive Beschwerden über Schikanen durch die Eigentümer gab. Zum Beispiel mangelhaft durchgeführte Reparaturen, das Entfernen von Fenstern, Vermüllung der Innenhöfe oder verschüttete Buttersäure in den Stiegenhäusern. Seitens Castella weist man zurück, solche Methoden angewandt zu haben. "Probleme gab es immer nur mit einzelnen Mietern". Mittlerweile seien sie allesamt bereinigt.

Und wie geht es jetzt mit der ehemaligen "Pizzeria Anarchia" in der Mühlfeldgasse weiter? "Wir sind noch dabei, gefährliche Gegenstände, die die Besetzer hinterlassen haben, zu beseitigen." Danach beginnt die Sanierung samt Dachgeschoß-Ausbau. Geplant sei nach jetzigem Stand ein Mix aus Eigentums- und Mietwohnungen. Die letzte verbliebene Partei könne auch während des Umbaus im Haus bleiben. "Wir haben ihr aber eine Ablöse des Hauptmietvertrages sowie eine zwischenzeitliche Unterkunft angeboten."

Bilder von der Räumung:

Die Wiener Grünen wollen anlässlich der Causa "Pizzeria Anarchia" Praktiken, die Immobilienspekulanten teils anwenden, um Altmieter aus ihren Häusern zu ekeln, künftig stärker sanktionieren. Unter anderem soll die Stadt stärker in Schlichtungsverfahren Präsenz zeigen und eine Ethikkommission entstehen. Die rechtlichen Möglichkeiten würden derzeit gar nicht voll ausgeschöpft.

"Der Zeitpunkt ist gekommen, für die wenigen, die systematisch ihren privaten Profit über Mieterinteressen und die Stadt stellen, generalpräventiv ein Zeichen zu setzen", erklärte der grüne Stadtplanungssprecher Christoph Chorherr am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Gerade in Fällen von "offensichtlich heruntergewirtschafteten" Häusern - wenn also der Lift jahrelang nicht repariert wird, Fenster oder Dach kaputt sind oder andere Sanierungsarbeiten nicht vorgenommen werden - könne die Stadt eingreifen.

Paragraf 6

Unter Berufung auf Paragraf 6 des bestehenden Mietrechtsgesetzes könnte die Gemeinde, in der sich das Gebäude befindet, wie die Mieter Anträge bei der Schlichtungsstelle bzw. beim Bezirksgericht stellen und auf Sanierung drängen. Weigert sich der Hauseigentümer, könnte die Immobilie sogar vorübergehend in eine Zwangsverwaltung durch die Stadt übergehen. Bis jetzt sei dieser Weg jedoch noch nie gewählt worden, meinte Chorherr: "Die Gemeinde hat ein ziemliches Repertoire, das sie bisher noch nicht genutzt hat."

Dabei hätte seiner Meinung nach bereits das Auftreten der Stadt Wien vor den Gerichten Wirkung. "Würde das einmal öffentlichkeitswirksam exekutiert, hätten es Spekulanten nicht mehr so einfach und es würde auch unmissverständlich zeigen, auf welcher Seite die Stadt Wien steht", so der grüne Planungssprecher. Er werde jedenfalls intensive Gespräche mit dem zuständigen Stadtrat (SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, Anm.) führen, so Chorherr.

Pochen auf Reformen

Dieser meldete sich am Donnerstag ebenfalls zu Wort: In einer Aussendung pochte Ludwig erneut auf eine dringend notwendige Reform des Bundes-Mietrechtsgesetzes, die unter anderem ein Paket zu mehr Rechtssicherheit, Fairness und Transparenz enthalten solle. Generell versuche man seitens der Stadt, etwa mithilfe des Rechtsbeistandsfonds oder der Gebietsbetreuung von Spekulation betroffenen Mietern so rasch wie möglich zu helfen. Wichtig sei es jedoch, dass sich Betroffene so schnell wie möglich bei den Behörden melden, betonten sowohl Ludwig als auch Chorherr.

Alle Inhalte anzeigen

Auch ohne Mietrechtsänderung gebe es allerdings einige Möglichkeiten, Spekulanten in die Schranken zu weisen: Unter anderem schwebt Chorherr die Gründung einer Ethikkommission der Immobilienwirtschaft vor, deren Aussagen - ähnlich dem Österreichischen Presserat - zwar keine rechtlichen Konsequenzen, aber dafür öffentliche Relevanz hätten.

Auch bei möglicherweise strafrechtlich relevanten Tatbeständen von Hauseigentümern - etwa Täuschungsabsicht oder Schädigungsabsicht der Mieter - gebe es noch Spielraum. "Ich glaube, die Gemeinde Wien sollte prüfen, ob jene Abteilungen, die mit Wohnen befasst sind, nicht von sich aus an die Staatsanwaltschaft herantreten können", so Chorherr. Der Punkt sei erreicht, an dem man "ein Exempel statuieren" müsse - als Stadt habe man die Pflicht, sich einzumischen und den öffentlichen Druck zu erhöhen.

Schwierigkeiten auch am Bauernmarkt

Denn die "Pizzeria Anarchia" sei kein Einzelfall: Chorherr schilderte auch das Beispiel eines Gebäudes an der Adresse Bauernmarkt 1 in der Inneren Stadt, das den Grünen seit langer Zeit bekannt sei. Der barocke Altbau sei der Stadt im 19. Jahrhundert gestiftet worden, dennoch entschied man sich, die Immobilie im Jahr 2001 um rund 3,8 Mio. Euro an einen Bauträger zu verkaufen. Im Jahr 2004 waren noch beinahe alle der 22 Wohnungen mit unbefristeten Mietern belegt.

Nach und nach sei es jedoch zu Schwierigkeiten mit den neuen Vermietern gekommen: Neben falschen Betriebskostenabrechnungen und Räumungsklagen, seien etwa eine ausgebrannte Wohnung nicht instand gesetzt und der Lift seit 2009 nicht repariert worden - obwohl die Mieter hauptsächlich fortgeschrittenen Alters waren. Auch Anträge bei der Schlichtungsstelle brachten wenig, da der Vermieter immer wieder Berufung eingelegt habe. Nun seien nur noch zwei Mieter über, betonte Chorherr - diese gelte es nun zu schützen.

"Imageschaden“

Bei der Immobilienwirtschaft könnte der grüne Vorschlag zur Gründung einer Ethikkommission jedenfalls auf offene Ohren stoßen: So ließ etwa der Fachgruppenobmann der Wiener Immobilientreuhänder, Michael Pisecky, per Aussendung ausrichten: "Menschen wie diese Hausbesitzer verunglimpfen eine wichtige Branche in der Wiener Wirtschaft. Sie schädigen unser Image und die Mieter. Wir sagen NEIN zu Spekulationshaien." Ein Vorgehen wie etwa im Fall der "Pizzeria Anarchia" sei "zutiefst zu verurteilen".

Auch beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft teilte man diese Auffassung: Die Vorgangsweise der Hauseigentümer im nun bekannt gewordenen Fall habe "nichts mit dem redlichen Handeln eines Immobilientreuhänders" zu tun, so eine Aussendung. Allerdings verwehre man sich gegen ein "populistisches Bashing der Immo-Branche" aufgrund von Einzelfällen.

Skepsis bei SPÖ

Im Büro von Michael Ludwig sieht man den Vorschlag des grünen Koalitionspartners skeptisch. Denn Mieter würden bereits "tagtäglich" mit allen rechtlichen und behördlichen Mitteln unterstützt - u.a. durch Übernahme von Verfahrens- und Anwaltskosten.

"Die Wahrung der Rechte des Mieters steht für uns im Vordergrund", betonte ein Sprecher des Wohnbaustadtrats. Deshalb gewähre man auch direkte Unterstützung. Von Anträgen der Gemeinde als solche bei Schlichtungsstelle oder Gerichten man wenig. Denn es mache keinen Unterschied, wer vor die Behörden ziehe - vor der Justiz seien ja alle Parteien gleich, betonte der Sprecher.

"Exempelwirkung hinfällig"

Zudem sei den Hauseigentümern ohnehin klar, dass hinter jedem antragstellenden oder klagenden Mieter die Stadt Wien stehe, meinte er. Das mache direkte Anträge mit der von Chorherr gewünschten Exempelwirkung hinfällig. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass - wenn die Stadt in diesen Verfahren persönlich auftritt - Hauseigentümer mit Instandsetzungen bis zu dieser Eskalationsstufe warten könnten.

Gegen Hauseigentümer, die notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht durchführen, gehe man außerdem mithilfe der Baubehörde vor - die, wo die rechtliche Möglichkeit bestehe, auch Bauarbeiten wie etwa die Reparatur von Fenstern anordnen und die Kosten dann den Eigentümern weiterverrechnen könne. "Wir schöpfen alle rechtlichen und behördlichen Möglichkeiten konsequent aus", so der Sprecher - auch beispielsweise in Bezug auf die von Chorherr genannte Immobilie am Bauernmarkt 1.

Auch der strafrechtliche Weg werde bei Verdachtsmomenten "immer schon gegangen". "Die Stadt Wien bekämpft Wohnungsspekulation ja nicht erst seit gestern", hieß es aus dem Ludwig-Büro. Wenn es notwendig sei, schalte man natürlich auch die Staatsanwaltschaft ein. So sei etwa gegen die Besitzer des Gebäudes am Bauernmarkt auf Betreiben der Stadt eine Anzeige wegen gewerblichen Betrugs eingebracht worden.

Der von Chorherr zudem geforderten Ethikkommission für die Immobilienbranche steht man im Büro Ludwig aufgeschlossener gegenüber. "Wir sehen jede Maßnahme zur Sicherung von Qualität, zur eigenen Überprüfung und Hintanhaltung von Spekulation als sinnvolle Maßnahme", so der Sprecher.

Auch ÖVP für Ethikkommission

Anklang findet das auch bei der Wiener ÖVP: "Wir begrüßen den Vorschlag betreffend einer Ethikkommission, besetzt mit Vertretern aus der Immobilienwirtschaft, um eine Zunahme an unseriösen Spekulationen hintanzuhalten", meinte Landesparteiobmann Manfred Juraczka in einer Aussendung. Allerdings werde man Spekulationen nicht durch "schöne Worte und neue Regulierungen" verhindern. Vielmehr brauche es mehr Wohnraum in Wien und leistbares Eigentum.