Nikolo im Kindergarten: Und es gibt ihn doch
Als hätte sie nie etwas anderes gemacht, schnappt sich die fünfjährige Enesa den roten Umhang aus Kunstsamt, hängt ihn sich um, setzt eine riesige Bischofsmütze aus roter Wellpappe auf, nimmt zuerst den Jutesack und schmeißt ihn sich über die Schulter, dann den golden Bischofsstab und stellt ihn sich zur Seite. Enesa ist an diesem Vormittag der Nikolo im Kindergarten in der Seestadt. Und es ist tatsächlich nicht ihr erstes Mal.
Brennpunkt-Thema
Angelika Maier ist seit 32 Jahren Kindergartenpädagogin und leitet seit eineinhalb Jahren den Kindergarten im Bildungscampus in der Seestadt Aspern. "Der Nikolo ist immer das Brennpunkt-Thema", sagt Maier. Nachvollziehen könne sie das nicht. Seit sie im Kindergarten arbeitet, sei der Nikolo überhaupt noch nie in der Form des fremden Mannes mit Rauschebart aufgetaucht. "Das geht auch nicht. Manche Kinder fürchten sich", sagt Maier.
Werte und Traditionen
Das sieht der Wiener Bildungsplan so vor (siehe Kasten). Die Vermittlung von Ritualen, wie jenes vom Nikolo, der nur die braven Kinder beschenkt, sei den Eltern vorbehalten. "Ich habe nicht nur die Bedürfnisse von einem Kind zu befriedigen, sondern von 200", sagt Maier. Also werden all die Themen, die die Kinder in den Kindergarten tragen, auch bearbeitet. Zum Beispiel, dass bei manchen am 24. Dezember das Christkind kommt und bei anderen am 31. Dezember der Weihnachtsmann.
Was der Nikolo macht, wissen die Kinder trotzdem, sagt Angelika Maier. "Er bringt Mandarinen und Äpfel", sagt Ali. "Und Nüsse", sagt Elias. "Und manchmal auch Geschenke", sagt Lena.
Wiener Bildungsplan
Der Bildungsplan für den Kindergarten soll die Aufgaben des Kindergartens konkretisieren. Unter dem Punkt „Ethik und Wertehaltungen“ ist zu lesen: „Normen, Werte, Sitten und Bräuche der Gemeinschaft und die damit verbundenen Regeln sind Orientierungspunkte für den einzelnen Menschen und sein eigenverantwortliches Handeln.“