Chronik/Wien

Türken-Partei setzt SPÖ unter Druck

In der Wiener SPÖ schrillen die Alarmglocken. Alle Umfragen weisen für die Wien-Wahl im Herbst ein Minus aus, und jetzt taucht noch ein weiteres Problem auf. Wie berichtet, plant der türkischstämmige Arzt Turgay Taskiran, bei der Wien-Wahl im Herbst mit einer eigenen Liste anzutreten, um dem "Rechtsruck in Österreich" Paroli zu bieten. Unterstützt wird das Projekt von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die der AKP des konservativen türkischen Präsidenten Recep Erdoğan nahe steht.

Auch wenn diese Liste noch weit davon entfernt ist, in den Gemeinderat einzuziehen, könnte sie die SPÖ arg in Bedrängnis bringen. Überdurchschnittlich viele türkischstämmige Menschen wählen die SPÖ, ein Antritt der neuen Partei könnte sie wertvolle Stimmen kosten.

Was noch viel schwerer wiegt: Die FPÖ hat mit der Türken-Partei ein weiteres Reizthema, mit dem sie polarisieren und verunsicherte Wähler mobilisieren kann. "Für Strache wäre eine solche Partei ein Geschenk des Himmels", sagt Politologe Thomas Hofer. "Er kann darauf hinweisen, schon immer vor solchen Entwicklungen gewarnt zu haben und sich über die undankbaren Migranten empören."

"Gefährlich"

Entsprechend scharf fallen die ersten Reaktionen der Sozialdemokraten aus. "Ich halte von dieser Partei überhaupt nichts", sagt SPÖ-Gemeinderat Senol Akkilic. Vor allem, da sich die Liste nicht als türkische, sondern vielmehr als eine muslimische Bewegung sehe, sagt Akkilic. "Wir haben als Muslime eine Liste gebildet und wollen alle muslimischen Stimmen", heißt es in einem Facebook-Posting in türkischer Sprache. "Ich halte es für sehr gefährlich, wenn man die Religion zum Trennungspunkt macht", sagt Akkilic dazu. "Für mich sind Strache und Taskiran aus dem selben Holz geschnitzt."

Auch SPÖ-Landgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler warnt vor Experimenten: "Grundsätzlich ist es das demokratische Recht einer Liste, anzutreten. Gescheit finde ich es nicht, eine ethnische Liste zu gründen." Die SPÖ habe bewiesen, dass sie Interessen von Migranten gut vertrete. Eine ausländische Finanzierung der neuen Bewegung lehnt Niedermühlbichler ab: "Es geht nicht, dass Mittel aus der Türkei kommen und man so einen Partei-Export betreibt."

Bei der UETD bestätigt man die Unterstützung der neuen Partei: "Dies machen aber auch andere Vereine", betont man. Taskiran selbst wollte am Freitag mit Verweis auf den islamischen Feiertag keine Stellungnahme abgeben. Details zu seinen Polit-Plänen will er kommende Woche präsentieren.

Wenig Chancen

Experten geben der Partei kaum Chancen: "Selbst wenn man großzügig von 100.000 türkischstämmigen Wahlberechtigten ausgeht, heißt das nicht, dass sie sich alle auch als Türken fühlen und eine solche Partei wählen", sagt Politologe Peter Filzmaier.

Am türkisch geprägten Brunnenmarkt hat sich die Neuigkeit am Freitag noch kaum herumgesprochen: "Sollte sie von der AKP unterstützt werden, werde ich sie zu 1000 Prozent nicht wählen", sagt Gemüsehändler Cagri Ay. "Blödsinn" nennt Kebap-Standler Murat Üregen das Polit-Projekt: "Diese Vereine haben nichts für Migranten gemacht, außer Moscheen zu eröffnen." "Ich finde die Idee gut", sagt eine Kinderbetreuerin. "Die anderen Parteien tun zu wenig für Migranten."