Chronik/Wien

Tag der Menschen mit Behinderung: Eine ganz besondere Messe im Stephansdom

In der Mitte des Stephansdoms stehen vier Rollstühle, auch ein Rollator ist zu sehen. An einer Bank lehnen zwei Krücken. Auf einigen Plätzen liegen Zettel, die darauf hinweisen, dass sie für gehörlose Menschen reserviert sind.

Es sind jene Plätze, von denen man am besten Gehörlosenseelsorgerin Maria Schwendenwein sehen kann, die die gesamte Messe in Gebärdensprache übersetzt. Denn im Steffl wird anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung, eine ganz besondere Messe gefeiert.

Vorbereitet und gestaltet wurde sie von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und ihren Seelsorgern. Die Fürbitten werden darum unter anderem von Menschen mit Multipler Sklerose, Sehbehinderung, Downsyndrom oder Gehörlosigkeit gesprochen.

„Hilf den Menschen, die in den Spitälern sterben und in deine Heimat kommen“, sagt etwa Severin bei den Fürbitten. Er ist 38 Jahre alt und hat das Downsyndrom. „Lass meinen Taufpaten Franzi, die Mutter Uschi und den Arpad und die Mutter Hofkofler bei dir glücklich sein.“

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Seit zwölf Jahren spielt Severin Gitarre, erzählt er danach im KURIER-Gespräch. Unter anderem bei „Faith4U&Me“, die gemeinsam mit der „Veeh-Harfengruppe Saitensalat“ für die musikalische Untermalung sorgen – in beiden Gruppen musizieren Menschen mit und ohne Behinderung miteinander.

Dank Liedern wie „Du bist das Licht der Welt“ oder „Let it shine“, die mit Rasseln, Harfen, Gesang und natürlich auch Severins Gitarrenspiel vorgetragen werden, herrscht während der ganzen Messe eine sehr fröhliche Grundstimmung.

Weltweite Kampagne

Nicht nur im Stephansdom wird unterdessen auf das Thema Behinderung aufmerksam gemacht. Jedes Jahr am 3. Dezember findet auch die globale Kampagne „Purple Light Up“ statt. In Wien wurden gestern darum mehr als 30 Gebäude, darunter das Parlament und mehrere Ministerien, in violettes Licht getaucht.

Das sei gerade jetzt ein absolut notwendiges Zeichen, sagt Weihbischof Franz Scharl. „Man spürt schon wieder aufkeimende Gefahr für Menschen mit Behinderung in der Welt.“ Umso mehr stehe der Stephansdom für einen Ort der Wertschätzung für alle.

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Ein besonderer Moment der Messe ist, als ein Teil der Lesung in Gebärdensprache gehalten wird. Die herkömmlichen Rollen werden getauscht, denn plötzlich sind es die hörenden Menschen, die auf die Übersetzung der Dolmetscherin angewiesen sind – und nicht umgekehrt.

"Ode an die Freude" in Gebärdensprache

Der Show-Act „Beethoven goes visual“ darf wegen Corona nur als Video gezeigt werden. Die „Ode an die Freude“, die Ludwig selbst gehörlos komponiert hat, wird dabei in einer Gebärden-Choreografie dargestellt, um die Musik auch für gehörlose Menschen erlebbar zu machen. (Siehe Video gleich unten). Ein kleines Mädchen mit braunen Zöpfen, die inmitten der Kirchenbänke sitzt, tanzt schon bald die Gebärden mit.

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Die in Wien besonders verbreitete „Gott, wie arm“-Haltung gegenüber behinderten Menschen sei das Schlimmste, sagt Dom-Prediger Ewald Huscava in seiner Predigt. „Man muss viel mehr verinnerlichen, dass das Gegenüber ein vollwertiger Mensch ist und man sich nur auf dessen Bedürfnisse einstellen muss.“

Gemeinschaft nicht nur an einem Tag

Dass in der Erzdiözese Wien mit behinderten Menschen gearbeitet werde, sei nicht nur an diesem einen Tag der Fall, sagt Anamarija Sobocanec-Sostaric, Fachreferentin der Seelsorge für Menschen mit intellektueller und mehrfacher Behinderung. Allein auf die Messe habe man sich monatelang vorbereitet. „Aber es muss noch mehr getan werden. In den Pfarren, eigentlich in allen Bereichen der Welt, muss das Miteinander viel mehr gefördert werden.“ Davon würde jeder nur profitieren, sagt sie.

So bunt, liebevoll, berührend und auch lustig, wie dieser von allen gemeinsam gestaltete Gottesdienst abgelaufen ist, kann man das nur unterschreiben.