Tabakgesetz: Rote Kritik am blauen Dunst
Von Bernhard Ichner
Jugendliche, die ab 1. September eine Lehre in der Gastronomie beginnen, dürfen maximal eine Stunde pro Tag in Räumen eingesetzt werden, in denen geraucht wird (kurier.at berichtete). Das sieht ein Verordnungsentwurf des Arbeits- und Gesundheitsministeriums vor – der im Wiener Rathaus für Kopfschütteln sorgt.
Die derzeitige Regelung im Tabakgesetz besagt ja, dass die Ausbildung oder Beschäftigung Jugendlicher überwiegend in jenen Räumen zu erfolgen habe, in denen nicht geraucht werden darf – sofern der Betrieb über solche Räume verfügt. „Überwiegend“ heißt bei einem Arbeitstag von acht Stunden, dass Jugendliche knapp vier Stunden im Raucherbereich beschäftigt werden dürfen. Die nunmehrige Begrenzung auf eine Stunde bedeute eine Reduktion um 75 Prozent, steht in den Erläuterungen zu dem Entwurf, der als Paragraf 7a Aufnahme in das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz finden soll.
Für bestehende Lehrverhältnisse ist eine Übergangsregelung mit der Einschränkung vorgesehen, dass räumliche oder organisatorische Gründe gegen die Einhaltung der Ein-Stunden-Grenze sprechen. Lehrlinge, die in einen rauchfreien Betrieb wechseln wollen, sollen dabei unterstützt werden.
„Kniefall“
Kritik am Entwurf kommt von Florian Stigler, Gesundheitswissenschafter an der MedUni Graz. „Aus wissenschaftlicher Perspektive ist auch eine Stunde Passivrauchen gesundheitsschädlich, besonders für Jugendliche, deren Lunge sich noch entwickelt“, erklärt der Experte. Er sieht Widersprüche zu anderen Maßnahmen, die junge Leute vor Nikotin schützen sollen: „Im Auto darf nicht geraucht werden, wenn Jugendliche anwesend sind, am Arbeitsplatz aber schon.“
In dieselbe Kerbe schlägt die Stadt Wien, die ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einklagt. Für Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima ( SPÖ) ist sie gar „ein Kniefall der türkis-blauen Bundesregierung vor den Wünschen von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer“.
„Allen Ernstes verordnet die für Gesundheit zuständige FPÖ-Ministerin, Beate Hartinger-Klein, Lehrlingen und Praktikanten, also auch Minderjährigen, eine Stunde Arbeitszeit täglich im Raucherbereich von Lokalen“, sagt Sima. „Offensichtlich ist sie der Ansicht, dass eine Stunde gesundheitsschädigender und krebserregender Rauch in den Lungen von Minderjährigen keinen Schaden anrichtet.“
Sima kritisiert zudem, dass es keinerlei Vorgabe zur Protokollierung der geleisteten Arbeitszeit im Raucherbereich gebe. „Wie soll also kontrolliert werden, wenn nicht einmal dokumentiert wird?“
Nur ein gänzliches Rauchverbot in der Gastronomie stelle eine Verbesserung dar, meint man im Wiener Rathaus. Die Bundesregierung hatte im Frühjahr ja das 2015 unter SPÖ und ÖVP beschlossene Vorhaben gekippt. Ursprünglich hätte das generelle Rauchverbot am 1. Mai in Kraft treten sollen. Dafür kündigte Türkis-Blau Verbesserungen im Jugendschutz an – was letztlich Sache der Länder ist.
Jugendschutz neu
Im April einigten sich diese bei der Jugendreferentenkonferenz in Hall in Tirol auf einheitliche Regelungen punkto Ausgehzeiten, Alkoholverkauf und Rauchverbot. So sollen hochprozentige Getränke und Zigaretten künftig erst ab 18 Jahren erlaubt sein. Und bis auf Oberösterreich sind alle Länder dafür, dass Jugendliche bis 14 Jahren ohne erwachsene Begleitung bis 23 Uhr, 14- bis 16-Jährige bis 1 Uhr und ältere Jugendliche unbegrenzt ausbleiben dürfen (Oberösterreich plädiert für 22 Uhr bzw. Mitternacht).
Im Wiener Landtag sollen die Regeln im Herbst in eine Novelle gegossen werden, damit das Gesetz mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten kann, heißt es aus dem Büro von Jugendstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).